Kronos Quartet

“The Cusp Of Magic”

Musik
22.02.2008 01:41
Bei anderen klänge es vielleicht verächtlich, würde man ihre Musik als "Schlaflied" bezeichnen. Bei der neuesten Kollaboration des Kronos Quartets mit dem Komponisten Terry Riley ist es ein Kompliment. "The Cusp Of Magic" heißt das 42-minütige, aus sechs Stücken bestehende Werk. Riley ließ sich dabei von chinesischen Schlafliedern inspirieren und machte die Streicher um David Harrington mit der chinesischen Pipa-Spielerin Wu Man bekannt. Zusammen bietet man auf der CD sanfte Melodien mit Geräusch-Einschlag, die sich zum einen als "spannende Entspannungsmusik" eignen, zum anderen als eine ideale "Einstiegsdroge" in die Welt der "modernen Klassik".
(Bild: kmm)

Filmkennern ist das Kronos Quartet durch die Soundtracks zu Michael Manns "Heat" oder dem Drogendrama "Requiem For A Dream" bekannt, dessen kraftvolles Streicherthema in der Film- und Fernsehlandschaft dutzende Nachahmer fand. Aber vor allem Jazzfans und Freunde zeitgenössischer Kompositorik kennen die Streicher um David Harrington.

In die Popmusik wagten sie bisher nur ein einziges Mal einen wirklich größeren Ausflug - mit der Dave Matthews Band auf deren Album "Before These Crowded Streets". Die Platte, das bis heute geheimnisvollste Werk der Mannen um Dave Matthews, kickte damals den Titanic-Soundtrack vom Thron der Billboard-Charts. 

Terry Riley gehört zu den Urvätern der "Minimal Music", einem Topfgenre der "Neuen Musik", das keine Konventionen kennt und häufig Einflüsse aus der chinesischen oder indischen Musik aufweist. Riley gehört hier nicht unbedingt zur leichten Kost, jedoch zur (für unsere Ohren) melodischeren. Populäre Vertreter des Genres sind etwa Yann Thiersen, der mit dem Soundtrack zu "Die fabelhafte Welt der Amélie" seinen internationalen Durchbruch feierte.

Streichquartett ins ereignisreiche Land der Träume
Wohlgemerkt: Nicht einschläfernd, beruhigend wirkt sich "The Cusp Of Magic" auf die Psyche und den Geist aus. Der 73-jährige Komponist Riley setzte bei der Interpretation seines Werkes nicht nur auf die vier Streicher und die chinesische Laute (Pipa), sondern stachelte die fünf Musiker an, mit Spielsachen und exotischen Geräuschinstrumenten zu experimentieren.

Wohldosiert fügen sich Babyrassel, elektronisches Kinderspielzeug, Windorgel, dumpfes Telefonläuten und sogar Quietschente in die sanften Melodien ein, die Riley über die Titel "Buddha's Bedroom", "The Nursery" und das letzte Stück "Prayer Circle" verteilte. Der Beginn "The Cusp Of Magic", das feierliche und temporeiche "Royal Wedding" und das mystisch angehauchte Stück "Emily And Alice" sind von harschen, harten - nicht lauten! - Percussion-Sounds geprägt. Bogenschläge auf den Cellokorpus, forcierte Gangart auf der Pipa, eine Basstrommel, Schreibmaschinengetapse, Handygeläut, musikalische Glückwunschkarten und Entenpfeifen vernimmt man da. Und mit jedem Mal wiederhören erkennt man mehr.

Was man sich jetzt in der Nacherzählung vielleicht eher weniger als Schlaflied, denn als nervige Geräuschkulisse vorstellt, klingt auf der CD keineswegs so. Durch Lautstärkenfeintuning und eine entfernte Positionierung der Aufnahmemikrofone treten die für uns sonst so gemütserregenden Geräusche in den Hintergrund und werden zu Freunden, die das Schlaflied-Konzept spannend machen. Wer musikalisch spannende Entspannung sucht, findet sie hier.

8 von 10 "Schlafquartetten"


Christoph Andert

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele