Raketen-Neustart

Simple Minds im Interview

Musik
12.06.2009 12:48
Nach einer ausgedehnten Jubiläumstour zum dreißigsten Bandgeburtstag meldet sich die schottische Kultband Simple Minds mit ihrem neuen Album "Graffiti Soul" lautstark zurück. Das 17. Album von Mastermind Jim Kerr und seinen Mitstreitern markiert dabei nicht nur den Eintritt in ein viertes Jahrzehnt Bandgeschichte, sondern auch einen starken Neuanfang und einen "zweiten Frühling". krone.at sprach mit Jim Kerr über die neue CD.
(Bild: kmm)

Simple Minds sind eine der erfolgreichsten Bands der Achtziger und Neunziger. Hits wie "Don't You (Forget About Me)", "Belfast Child" oder "Alive And Kicking" laufen bis heute beinahe täglich im Radio. Die letzten Jahre bis zur "30 Years Anniversary"-Tour Ende 2008 war es allerdings ruhig um die schottische Band aus Glasgow geworden. "Wir waren schwach", sagt Jim Kerr im Interview.

Auf "Graffiti Soul" ist davon nichts mehr zu hören. Ein experimentierfreudiges Album mit anspruchsvollen Songs zeigt eine Band im "zweiten Frühling", die ihrem Stil treu bleibt aber trotzdem etwas Neues kreiert. In der Deluxe-Verison kommt das Album mit einer Bonus-CD, die ausschließlich Coverversionen enthält. Von den Sessions auf die CD haben es unter anderem eine grandiose Interpretation von Neil Youngs "Keep On Rockin' In A Free World", eine ungewöhnliche Version von Massive Attacks "Teardrop" sowie "Sloop John B" von den Beach Boys geschafft.

krone.at: Mister Kerr, im Gegensatz zu "Black and White" klingt der Titel des neuen Simple-Mindds-Albums "Graffiti Soul" überraschend bunt. Nach dem 30-jährigen Jubiläum im letzten Jahr, war es jetzt Zeit für einen Neuanfang?

Jim Kerr: Wir hatten uns lange den Kopf zerbrochen über diese 30-Jahre-Geschichte. Wer erzählt der Welt schon gerne, dass er alt geworden ist? (lacht) Andererseits: Wenn du Rolling Stones oder David Bowie heißt, was sind da schon 30 Jahre? So gesehen sind wir jung. Also feierten wir das Jubiläum und hatten viel Spaß dabei. Für das neue Album verordneten wir uns dann eine Frischzellenkur. Man sollte nicht hören können, dass wir schon seit drei Jahrzehnten Musik machen. Wir haben uns Energie, Vitalität, Leidenschaft vorgenommen. Und ich hoffe, dass man das heraushört.

krone.at: Wie motiviert man sich für so einen Neustart?

Jim Kerr: Ehrlich gesagt, war das gar nicht so schwierig, weil wir die letzten Jahre eigentlich nur herumgewurstet hatten. Wir hatten keinen Ehrgeiz und fragten uns täglich nach dem Sinn. Erst nach der Thirty-Years-Tour rauften wir uns wieder zusammen und konzentrierten uns hundertprozentig auf die Band.

krone.at: Trotzdem buchten Sie ein Studio, in dem die Simple Minds eines ihrer ersten Alben aufgenommen hatten. Nostalgie?

Jim Kerr: Nein, keine Nostalgie. Es gibt einfach nicht mehr so viele Studios, in denen du dich für längere Zeit ausbreiten kannst. Rockfield ist eines der letzten überlebenden, obwohl auch hier die Situation für die Betreiber nicht einfach ist. Natürlich hatten wir Bedenken, für einen Neustart an einen Ort der Vergangenheit zurückzukehren. Aber der Raum klingt großartig, die Band klang großartig und wir fühlten uns plötzlich so, als wäre seit unserem letzten Besuch keine zwei Jahre vergangen.

krone.at: Ich möchte noch einmal auf den Albumtitel "Graffiti Soul" zurückkommen. Können Sie ihn kurz erläutern?

Jim Kerr: Es ist ein faszinierendes Wort, nicht wahr? Ich habe es seit vielen Jahren im Kopf und darauf gewartet, es benützen zu können. Charlie (Simple-Minds-Gitarrist Charlie Burchill, Anmk.) hatte eine tolle Melodie geschrieben, zu der "Graffiti Soul" wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge passte. "Graffiti" kommt eigentlich aus dem Griechischen und hatte dort mit Spraydosen freilich nichts zu tun. "Auf der Oberfläche eingekratzt", meinten die alten Griechen. "Graffiti Soul" beschreibt das Verhältnis, das ich als Musiker zur Musik habe. Sie kommt aus deinem Innersten und verändert dich, hinerlässt einen Fingerabdruck auf der Seele, deshalb "Graffiti Soul".

krone.at: Das Video zu Ihrer neuen Single "Rocket" wirkt nach dem Musikvideo-Schema der Achtziger und Neunziger gedreht. Nehmen Sie sich dabei selbst ein bisschen auf die Schaufel?

Jim Kerr: Ein bisschen, vielleicht (lacht). Wir wollten etwas ganz Einfaches und Simples machen. Die Kollegen in unserem Alter - ich nenne jetzt aber keine Namen - probieren es meist mit Schwarz/Weiß-Videos oder verstecken sich im Schatten. Wir dachten uns, lasst uns etwas Klares machen. Die Leute sollen sehen, wieviel Spaß wir an der Sache haben.

krone.at: In Ihrem Internet-Tagebuch sind Sie vor ein paar Wochen ziemlich über eine Reporterin der "Times" hergezogen, weil Sie ihnen unterstellte, sich wie "alle anderen alten Bands" auf Ihren Lorbeeren auszuruhen. Warum regt Sie so etwas im Speziellen so auf?

Jim Kerr: Ha! Also liest doch jemand mein Tagebuch! (lacht) Ich finde, dass jeder seine eigene Meinung artikulieren darf und soll. In diesem Fall, wenn nämlich das Grundwissen und die entsprechend Expertise nicht vorhanden sind, bin ich aber anderer Meinung. Es stimmt schon, viele Künstler verändern sich im Alter nur mehr wenig. Das kann aber nicht kategorisch für alle über 30 gelten. Das lasse ich nicht auf mir sitzen! Nicht jeder muss Simple Minds mögen, Musik ist subjektiv. Aber wir sind mit Sicherheit keine Band, die den Stillstand genießt. Wie eingangs erwähnt, ich bin sicher der Erste, der zugibt, dass wir vor der Jubiläumstour eine schwache Phase hatten, keine Frage. Aber das ist jetzt vorüber. Verdammt, wir sind Schotten aus Glasgow, wir geben nicht auf! (lacht)

von Christoph Andert

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