"Krone"-Interview

Queen Esther: “Meine Musik ist emotional und echt”

Musik
17.12.2014 17:00
Queen Esther Marrow zählt zu den Königinnen des Gospel und hat in ihrer beeindruckenden Karriere bereits für den Papst und Ronald Reagan gesungen und zudem die schwarze Bürgerrechtsbewegung rund um Martin Luther King unterstützt. Nun kommt sie mit den der "Harlem Gospel Singers Show" in die Wiener Stadthalle und unterhielt sich im Vorfeld mit uns über ihre einzigartige Karriere.
(Bild: kmm)

"Krone": Queen Esther, am 20. Dezember wirst du das Wiener Publikum mit der legendären "Harlem Gospel Singers Show" verzaubern. Was dürfen wir uns erwarten?
Queen Esther Marrow: Euch erwarten ganz viele wunderbare Songs und wir können es kaum erwarten, endlich wieder nach Wien zu kommen und die Leute wiederzusehen. Ihr habt so viel Energie und wir wollen das mit einer guten Show zurückzahlen. Der Titel der Show ist "Bring It On", und so lautet auch das Motto.

"Krone": Ihr werdet Klassiker von Joe Cocker oder den Temptations mit modernen Songs von zum Beispiel Bruno Mars vermischen. Nach welchen Kriterien wählt ihr die Songs aus?
Queen Esther: Oh mein Gott, wir haben schon so viele Songs gecovert. Es ist aber wichtig, dass der Song zu unserem Gesang passt. Die meisten Songs drehen sich um Hoffnung, Glaube und darum, dass man nicht aufgeben darf, egal was auch immer passiert. Einfach weitermachen, denn Hoffnung und Glaube kann dir niemand nehmen.

"Krone": Ihr seid auch über die Weihnachtsfeiertage auf Tour. Wirst du dein Zuhause am Heiligen Abend nicht vermissen?
Queen Esther: Wir machen das jetzt schon seit 24 Jahren und auch wenn wir manchmal die Mitglieder austauschen, sind wir wie eine Familie. Wir kommen immer wieder gerne in die Städte zurück, in denen wir spielten. Ich brauche die Menschen und ihr alle werdet ein Teil meiner Familie. Zu Hause habe ich meine Mutter und meinen Bruder als engste Familie. Aber ich sehe sie ja übers Jahr sehr oft und sie sind es auch gewohnt, dass ich zu den Feiertagen oft auf Tour bin. Wenn ich zu Hause bin, ist das für mich sowieso wie ein Feiertag.

"Krone": Ist es manchmal schwierig, untereinander gut zurechtzukommen, wenn so viele unterschiedliche Charaktere so lange auf Tour sind?
Queen Esther: Nein. Ich singe über das, an das ich glaube und das ich lebe. Wenn ich die Sänger für die "Harlem Gospel Singers Show" auswähle, dann achte ich nicht nur auf die Stimme, sondern auch auf den Menschen. Ich danke Gott, dass ich eine ziemlich gute Menschenkenntnis habe. Natürlich gibt es Meinungsverschiedenheiten, aber die werden diskutiert und dann geht es weiter.

"Krone": Du warst schon sehr oft in Österreich zu Gast – gibt es etwas, dass du besonders liebgewonnen hast oder an das du dich besonders gerne zurückerinnerst?
Queen Esther: Ich glaube, wir haben einmal rund um Hanukkah bei euch gespielt und die Leute dort waren so warmherzig. Das hat mich beeindruckt. Die Stadt ist so wunderschön mit dem Stephansdom und das Essen ist der Wahnsinn.

"Krone": Eine weitere Österreich-Verbindung ist die Zusammenarbeit von dir mit deinem Freund Joe Zawinul, dem berühmten österreichischen Jazz-Musiker. Du hast mit ihm den Song "Walk Tall" geschrieben. Wie ist es dazu gekommen?
Queen Esther: Glaub es oder nicht – es war glaube ich in den frühen 60er-Jahren und Joe hatte gerade mit Dinah Washington gespielt. Zu dieser Zeit, noch vor ihrem Tod, habe ich Joe getroffen und er war Pianist. Meine Karriere hat damals gerade gestartet und ich habe versucht, ein Album zusammenzustoppeln. Er hat dann mit mir gespielt und dann haben wir "Walk Tall" geschrieben. Ich kannte auch seine Frau und seine Kinder – wir wurden wirklich gute Freunde. Später hat dann jeder seine Richtung genommen. Kurz bevor er verstarb, habe ich ihn noch in New York getroffen, wo wir über die alten Zeiten gesprochen haben.

"Krone": Es ist ziemlich genau 50 Jahre her, dass du im Musikgeschäft durchgestartet bist. Du bist schon sehr früh mit bekannten Namen wie Duke Ellington oder Lena Horne zusammengekommen. Hatte sich damit schon früh ein Traum für dich erfüllt?
Queen Esther: Mein Gott, alleine schon der Gedanke, bei Duke Ellington vorzusingen, hatte mich restlos begeistert. Richtig getroffen hat er mich dann als er mich auf Tour mitnahm. Das war unglaublich. Ich meine, ich war erst drei, vier Jahre davor in New York angekommen und sollte jetzt mit Duke Ellington singen. Ich war so aufgeregt. Ich kam nie nach New York, um Sängerin zu werden – ich wollte einfach nur vom Land in eine Stadt. Das war aber meine Berufung. Ich verspüre so viel Freude, wenn ich singe, wenn ich den Gesang mit dem Publikum teilen kann. Als ich dann realisierte, dass das meine Bestimmung ist, habe ich Leute wie Lena Horne, Chick Corea oder Billy Strayhorn getroffen. Für mich war das der größte Lerneffekt meines Lebens. In diesem Geschäft musst du die Ohren offenhalten, um zu sehen, was gut für dich ist und was nicht. Schon allein dafür bin ich all diesen Künstlern unendlich dankbar. Ich konnte Künstler treffen, denen Gott wundervolle Fähigkeiten verliehen hat.

"Krone": Abseits deiner musikalischen Karriere warst du immer schon eine sehr politische Person und Teil des "Civil Rights Movement". Du hast auch Martin Luther King unterstützt. Hat dir das eine spezielle Perspektive auf dein musikalisches Sein verschafft?
Queen Esther: In gewisser Weise schon. Zu der Zeit habe ich das "Newport News, Virginia"-Album aufgenommen und viele Songs darauf waren für mich sehr politisch. Ich habe über meine Gefühle gesungen und über die Erlebnisse von mir, aber auch von meinen Eltern und Großeltern. Ich kam aus dem Süden und wir hatten viele Songs, die sich um die unterschiedlichen Rassen drehten. Damals gab es noch so viel Hass. Martin Luther King hat mich zu einer besseren Person gemacht. Er hat mich von der Bitterkeit, die damals in mir war, befreit. Wenn du deine Faust erhebst, dann kannst du dich von schlechten Energien befreien und sie ins Positive leiten. Ich habe wirklich viel von ihm gelernt.

"Krone": Sehr viele jüngere Menschen sehen die mühsam erkämpften Errungenschaften von einst als selbstverständlich an. Was denkst du über die Generation, die alles für selbstverständlich nimmt?
Queen Esther: Ich merke das natürlich und es tut weh. Viele junge Menschen heute haben keine Ahnung, was es heißt zu kämpfen. Sie sind nicht dankbar dafür, was sie alles haben. Dafür waren Leute von früher verantwortlich. Heute wollen sie alles haben, aber nichts oder wenig dafür tun. Auch musikalisch – es geht um Rhythmen, Beats und den richtigen Gesang. Viele Sänger heute haben keine Ahnung davon. Es interessiert sie ja oft nicht einmal, die Stimme zu verbessern. Die Stimme ist ein Instrument, du musst sie pflegen. Du kannst auch nicht dein Horn spielen, ohne deine Lippen anzulegen. Ich bin der Meinung, dass die Musik in irgendeiner Art und Weise auch Inspiration verbreiten sollte. Singt doch über gute, positive Dinge – es ist viel zu viel Schwermut dabei. Ich bin auch nicht altmodisch. Ich umgebe mich mit vielen jungen Menschen, was mich auch selbst jung hält. Ich umgebe mich aber mit jungen Menschen, die Ziele haben, die dafür arbeiten, ihre Träume erfüllen zu können. Sie suchen nicht nach den schnellsten Winkeln. In Zeiten einer Ella Fitzgerald konntest du einen Hit landen, der dann wirklich sehr lange ganz vorne in den Charts war. Heute hast du einen Hit, an den sich morgen niemand mehr erinnern kann.

Ich will nicht alle in einen Topf werfen, denn es gibt viele talentierte Musiker, aber die Industrie tendiert dazu, negatives Zeug zu veröffentlichen. Jungen Leuten wird auch nicht mehr geholfen. Jeder sollte für seine Arbeit bezahlt werden, warum geht das bei Musikern so schwer? Ich bin der Meinung, dass sich auch jemand um die jungen Künstler kümmern soll, die schon sehr früh Millionen von Dollars verdienen. Es geht nicht um Party oder um die Drogen, die dich tagelang wach halten, aber deine Stimme ruinieren – das sollte jemand überprüfen und verhindern. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass jeder jüngere erfolgreiche Musiker jemanden zur Seite gestellt kriegen sollte, der ihn leitet, ihm den richtigen Weg zeigt. Die Jungen haben ja keine Ahnung – woher auch? Ich finde das wirird.

"Krone": Welches Gefühl durchströmt dich, wenn du Gospel singst und welches Gefühl sollen deine Zuseher spüren?
Queen Esther: Das sage ich dir gerne. Ich war gestern Abend auf YouTube und habe mir verschiedene Gospel-Songs angesehen – ich verspürte dabei so unendlich viel Freude. Plötzlich war es 3 Uhr morgens und ich habe gelacht und geweint. Nur ich alleine vor dem PC, weil Gospel-Musik diese breite Palette an Emotionen in mir auslöst. Es geht einfach darum, dass diese Musik mir guttut. Die Musik, die ich transportiere, soll emotional und echt sein. Ich singe über Dinge aus dem Leben und darüber, wie Gott gerne hätte, dass wir unser Leben führen.

"Krone": In einem Interview hast du einmal betont, dass es eine kurze Zeit in deinem Leben gab, in der du dich vom Gospel entfernt hast und unglücklich warst. Was ist da passiert?
Queen Esther: Daran erinnere ich mich gerade nicht. Vielleicht habe ich mal auf einem Album nicht Gospel gesungen, aber das hat nichts mit dem Unglücklichsein zu tun. Ich habe nach meiner Zeit mit Duke Ellington nur damit begonnen, viele verschiedene Arten von Musik zu singen. Ich war vielleicht einmal zu stark im Gospel verhaftet und wollte daraus ausbrechen. Je älter du wirst, umso mehr hinterfragst du Dinge, die dir beigebracht wurden. Ich habe meinen ganz eigenen religiösen Glauben und muss mich da zum Beispiel nicht belehren lassen. Ähnlich wie bei der Musik – ich bin offen für viele Arten von Musik. Musik führt Leute zusammen und es steht mir nicht zu, mir fremde Genres zu verurteilen.

"Krone": Du hast für unterschiedlichste US-Präsidenten gesungen. Ronald Reagan, George Bush oder Bill Clinton – auch für Papst Johannes Paul II. Gehört das zu den Höhepunkten deiner Karriere?
Queen Esther: Natürlich, so etwas vergisst man doch nie mehr. Für den Papst zu singen war wirklich außergewöhnlich für mich. Wenn du mit Musikmachen beginnst, hast du ja überhaupt keine Ahnung davon, dass du mal die Welt bereist, für Präsidenten singst und so viele Leute glücklich machst. Das ist alles unerreichbar. Ich bin aber sehr bescheiden und unheimlich dankbar, dass mir so etwas wie die Papst-Geschichte wiederfahren ist. Ich bin absolut dankbar für den Verlauf meiner Karriere und für all die Möglichkeiten, die mir geboten wurden.

"Krone": Hatte der Papst ein Rhythmusgefühl für den Gospel?
Queen Esther: So genau habe ich das nicht gesehen, aber er hat die Musik auf jeden Fall gemocht. (lacht)

"Krone": Was sagst du als politinteressierte Person, US-Amerikanerin und jahrelange Kämpferin im "Civil Rights Movement" eigentlich über die Performance von Barack Obama?
Queen Esther: Ich weiß, dass viele Menschen glauben, er hätte nichts gemacht, aber ich finde gut, was er bislang erreicht hat. Er ist nicht die Art Mensch, die sich mit den erfolgreichen Taten rühmt. Der Wirtschaft ging es schlecht, die Arbeitslosigkeit steigt unausweichlich und dann gab es noch die lange Geschichte mit Osama Bin Laden – er hat überall viel versucht und sich nie in das grelle Licht gestellt, um Lob einzuheimsen. Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich aber sagen, ich bin froh, dass seine Zeit im Oval Office vorbei ist. So sehr ich ihn mir auch wünschte und stolz auf ihn war, wie er dem mangelnden Respekt und der schlechten Behandlung seitens des Kongresses gegenüberstand. Ich habe die Metamorphose verfolgt. Vom vitalen jungen Mann mit Zielen zu einem eklatant älter gewordenen, grauhaarigen, reifen Mann. Er wurde hauptsächlich von den Immigranten gewählt, die schon 24 Jahre im Land waren und erst dann ihre Staatsbürgerschaft bekamen. Ich bin oft wirklich beschämt, wie die USA manchmal vor dem Rest der Welt agiert und sich verhält. Aber was sollen wir machen? Ich bin stolz auf Obama.

"Krone": Welchen Kurs werden die USA nach der nächsten Präsidentschaftswahl einschlagen?
Queen Esther: Ich habe keine Ahnung. Ich liebe mein Land über alles, aber egal wer als nächstes an die Macht kommt – es muss in so vielen Bereichen sehr schnell ziemlich viel passieren.

"Krone": Nachdem du immer schon so aktiv und interessiert warst – wäre eine politische Karriere für dich niemals interessant gewesen?
Queen Esther: Ich bin ein Mensch, der an Frieden glaubt, und mit der derzeitigen Regierung könnte ich überhaupt nicht zusammenarbeiten. Da würde es die ganze Zeit nur krachen. (lacht)

"Krone": Zum Abschluss stellt sich natürlich die Frage, welche Ziele du für die nächste Zeit verfolgst und wie lange wir dich noch auf der Bühne sehen können?
Queen Esther: Ich werde so lange auf Tour sein, solange ich gesund bin und noch eine halbwegs gute Stimme besitze. Es gibt keinen Grund, warum ich zu Hause auf der faulen Haut liegen sollte, nur um nichts zu tun. Ich liebe das Singen und warum sollte ich diese Passion aufgeben? Sie hält mich am Leben.

Die "Harlem Gospel Singers Show" rund um Frontfrau Queen Esther Marrow macht am 20. Dezember in der Wiener Stadthalle Station. Karten erhalten Sie noch unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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