Puppen-Premiere

Pussycat Dolls “live” in Wien

Musik
24.02.2009 09:50
Mit Musikkonzerten ist es oft wie im Casino. Mal hat man Glück, und die Bank ist spendabel. Dann hat man wieder Pech und geht mit leeren Säcken nach Hause. In den letzten Jahren hat die Bank gerade auf dem Filzgrün der Popmusik beträchtliche Gewinne eingefahren. So auch am Montagabend im Wiener Gasometer. Dort gastierte erstmals die gehypte Girl-Band "Pussycat Dolls" aus dem fernen Los Angeles. Der einarmige Bandit nahm an diesem Abend von den Zusehern knapp einen Euro pro Minute, spuckte dafür aber nicht einmal zwei doppelte Kirschen aus.
(Bild: kmm)

56,90 Euro blätterten Fans und Neugierige für ein Konzertticket hin. Doch nur knapp eine Stunde gab es die fünf Damen der ehemaligen Underground-Tanzgruppe zu sehen. Dafür gab es so viele Thank-yous und We-love-yous, dass man meinen mochte, die singenden Tänzerinnen - alle zwischen 24 und 30 Jahre alt - müssten es sich selbst immer wieder vorsagen, um es auch glauben zu können.

Von einem stilsicheren, zwölfköpfigen Revue-Ensemble aus Los Angeles, von dem heute nur mehr ein ausführlicher Wikipedia-Eintrag und ein paar verwackelte YouTube-Videos zeugen, wurden die Pussycat Dolls in den letzten vier Jahren Jahren zu einem seichten Exportschlager für US-amerikanischen Konserven-R'n'B dezimiert. Aus der ehemaligen Burlesque-Truppe (meistgehörter O-Ton bis heute: "Wir sind keine Stripperinnen!") blieben nach dem Re-Casting zu einer Popband nur drei Tänzerinnen und die Arbeitskleidung Unterwäsche. Auch Lead-Sängerin Nicole Scherzinger, heute das stimmliche und optische Zugpferd der Truppe, stieß erst 2003 dazu bzw. wurde wie die anderen PCD-Mitglieder beim US-amerikanischem Label Interscope Records angestellt.

Für die Konzertbesucher im Gasometer begann der Abend zunächst einmal mit einer langen Schlange. Das Prozedere an der Kasse bzw. beim Eintritt hatte diesmal die Marketingabteilung eines Radiosenders übernommen, der einen Teil der Eintrittskarten für das erste Wien-Konzert der Pussycat Dolls verlost hatte. Zwei Menschen am Schalter, eine lange Liste mit Namen und viele, viele ungeduldige Fans. Die erste Vorgruppe bekamen dadurch nur wenige zu sehen. Anstatt der schrillen Newcomerin Lady Ga Ga, die für PCD fast die gesamte Europatour hindurch den Opening-Act machte, wurde in Wien "Queensberry", das neue Produkt der deutschen Castingshow Popstars, als zweiter Appetithappen angekarrt. Die vier Mädchen hopsten 20 Minuten lang in dicht gedrängter Geschwaderformation von einer Bühnenecke zur anderen und trällerten furchtbar glatt gebügelte Songs zum Halb-Playback. Wummernde Tiefbässe wie aus dem Kofferraum eines klappernden BMWs, wenn er nächtens auf der Wiener Wagramer Straße gen Donauzentrum manövriert wird, beschallten die ausverkaufte Halle.

Um punkt 21 Uhr, Auftritt Pussycat Dolls. Das Bühnenbild besteht aus ein paar Podesten, ohne Pomp und Gloria inszenierten Aufbauten von der Stange und einem überschaubaren Scheinwerferinventar. Nicht einmal die Stufen der Treppen waren per Lichterkette oder LED-Fläche beleuchtet, wie man es von einem reinen Entertainment-Act internationalen Formats wenigstens noch erwarten würde - schließlich hat der geübte Konzertgeher bei Pop-Shows bereits gelernt, zu einem Gutteil "mit den Augen zu hören". Doch so viel Gepäck will die Band auf ihrer "Doll Domination World Tour" offenbar nicht mitnehmen, zumal heutzutage ja alles sehr schnell gehen muss. Zeit ist Geld. Den fünf Damen hatte man für ihr erstes Gastspiel in der Alpenrepublik übrigens Spickzettel neben die kurze Setlist auf die Bühne geklebt. "Austria, Wien/Vienna, Gasometer", stand in Großdruck darauf zu lesen. Später war zu vernehmen, man habe den Mädels nach ihrer Ankunft erst erklären müssen, dass hier nicht mehr Deutschland sei. Herrje! Und dabei hatten sie sich so auf Österreich gefreut, wie Nicole Scherzinger später den Fans erklärte... "Helloooo Viennaaaaaa! Weeeee loooooove you!" Mit einem kurzen Blick nach unten auf den Schummelzettel und in der überzeugend intonierten Satzmelodie eines Ringrichters beim Schwergewichtstitelkampf, kam im Gasometer dann doch alles richtig raus - und die Fans jubelten.

Wer im Casino am Montag hilfreiche Bankangestellte suchte, wurde allerdings nicht fündig. Bis auf zwei sogenannte Percussionisten, die auf gesponserten Digitalschlagzeugen eines asiatischen Herstellers, der auch Motorräder verkauft, herumklopften, gab es keinerlei Musiker auf der Bühne. Und selbst die zwei Trommler waren nur selten da. Dafür unterstützten fünf männliche Tänzer die knapp bekleideten Hauptakteurinnen, die sich mit ihren modischen Eigenkreationen gekonnt in Szene setzten. Mit einer Straßengang-Choregrafie wurde zwischen Bub und Mäderl angebandelt, Brust rein, Becken raus, ein paar Mal mit den Hüften gewackelt und die Hände in die Höhe gestreckt - fertig ist das Knistern. Routiniert spulten die Pussycat Dolls ihr Programm mit dem bekannten Feuerwerk an Radio-erprobten Hits von "Stickwitu" bis "Don't Cha" (Zugabe) und den Singles des aktuellen Albums ab. Live blieb von den ausgefuchsten Beats der PCD-Produzenten aber oft nur ein rhythmisches Wummern übrig. Wo den ständig in Bewegung befindlichen Damen beim Singen die Luft fehlte, eilten Backingvocals aus der Konserve zuhilfe. Rap-Passagen gab's sowieso nur vom Band bzw. von der Vidiwall heruntergekleckert.

Annäherend musikalisch wurde es noch am ehesten bei einem der Solo-Einlagen von Ober-Puppe Scherzinger: Die 30-jährige Freundin von F-1-Champ Lewis Hamilton, die seit 2006 vergeblich versucht, ein Soloalbum herauszubringen, schlug sich wacker durch eine Ballade. Dass auch hier Gesänge vom Band kamen, war zu diesem Zeitpunkt eh schon wurscht. Die Zeiten, in denen man wenigstens den Anschein einer Live-Performance erwecken wollte, sind offenbar vorbei.

Heuer erscheint übrigens das erste Best-Of-Album der Pussycat Dolls, die im September erst ihr zweites Studioalbum veröffentlicht haben. Der einarmige Bandit klimpert schon mit dem Wechselgeld...

Von Christoph Andert
Fotos: Andreas Graf

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