"Krone"-Interview

Prophets Of Rage: Das soziale Gewissen der Welt

Musik
25.08.2017 12:08

Mit der Crossover-Metal-Rap-Band Prophets Of Rage hat das politische Amerika eine mächtige Protestband gewonnen. Tom Morello, Chuck D, B-Real und Co. verstehen sich aber nicht als humoriges All-Star-Kollektiv, sondern als gegen gesellschaftliche Rechtsströmungen kämpfende Gemeinschaft. Nach dem Triumphzug bei den europäischen Sommerfestivals (u.a. auch beim Nova Rock), erscheint dieser Tage das Debütalbum der Ausnahmekönner - wir haben nachgefragt und analysiert.

(Bild: kmm)

"Fuck Trump". Wer vor wenigen Monaten Augenzeuge beim Österreich-Debüt der Supergroup Prophets Of Rage war, dem wurde Sinn und Inhalt der Band unmissverständlich nähergebracht. Beim Nova Rock prangte eben dieser Spruch von Tom Morellos Gitarre, während seine stargespickte Band bei strömenden Regen mit unzähligen Cover-Versionen von Rage Against The Machine, Public Enemy und Cypress Hill für nostalgische Stimmung sorgte. Das sechs Mann starke Kollektiv besteht mit Morello, Tim Commerford (Bass) und Brad Wilk (Schlagzeug) aus dem Rhythmusfragment der 90er-Crossover-Helden RATM, wird gesanglich durch Chuck D (Public Enemy) und B-Real (Cypress Hill) verstärkt und hat mit DJ Lord (Public Enemy) noch eine Genre-Ikone an den Turntables versammelt.

Politisches Gewissen
Was in erster Linie wie ein Partyausflug von guten Freunden in der Midlife-Crisis wirkt, beinhaltet genau das, wofür Musik in seiner revolutionären Ära jahrzehntelang stand: Politkritik, das Anecken am Establishment und den Finger in Wunden legen, um Menschen für gegenwärtige Probleme zu erwecken. Wer die Historie der einzelnen Bandmitglieder zumindest rudimentär verfolgt hat weiß, dass es bei den Propheten des Zorns nie und nimmer um neue Twerking-Trends oder dicke Karren gehen konnte. Dafür haben sie jahrelang zu stark an Grundfesten des  Staats gerüttelt. Sie begreifen sich als eine Art Gewissen, das nicht Amerika, sondern möglichst die ganze Welt aus ihrer politischen Lethargie befreien will.

"Hass ist das falsche Wort, wenn es sich um unsere Songs dreht", erklärt Rap-Legende Chuck D im "Krone"-Interview, "aber wir beobachten und kommentieren einfach viele Dinge, die derzeit vor sich gehen. Tom sagt immer, dass ein einzelner die Welt nicht ins Lot bringen kann, sondern nur die Gemeinschaft für Veränderung steht. Das ist genau die Botschaft, die wir mit unserem Debütalbum ausstrahlen wollen. Wir sind unter den Leuten, die aufstehen und ihre Stimme erheben. Wir sehen uns als Sprachrohre mehrerer Generationen und wollen etwas bewirken. Hoffentlich vertrauen die Fans uns und der Wahrheit."

Wider die Beliebigkeit
Vor allem Donald Trump in den USA und dem Brexit in Europa ist es zu verdanken, dass sich die Populärmusik seit etwas mehr als einem Jahr in zwei Lager spaltet. Einerseits in jene, die sich wieder vermehrt politisch engagieren und die Schieflage des Planeten nicht kampflos hinnehmen und wollen und andererseits in solche, die noch immer mühelos die Charts erobern und dabei auf austauschbare Retorten-Produktionen setzen und Textbausteine hin- und herschieben. In Deutschland hat unlängst Jan Böhmermann den "Setzkasten-Pop" in all seiner Schonungslosigkeit enttarnt. Doch Moment! Sind nicht auch die Prophets Of Rage unverbesserliche Wiederbringer der alten Kunde? Zumal die Festivalsets in Europa so gut wie ausschließlich aus 15 bis 30 Jahre alten Coverversionen ihrer Hauptbands bestanden? Nur zum Teil, denn hinter der gefeierten Vorstellungsrunde arbeiteten die Workaholics still und heimlich an neuen Songs, die sich ab der nächsten großen Tour (und eine solche wird es nach den Festivalerfolgen sicher geben) mit den Klassikern vermischen werden.

"Die Texte auf unserem Album schließen direkt an den Geist von Rage Against The Machine an", führt Chuck D aus, "wir tragen sie heute nur auf einem anderen, etwas direkteren Weg nach außen." Songtitel wie "The Counteroffensive", "Fired A Shot" oder das im neuen Video auf die tragischen Rassismus-Ereignisse in Charlottesville angelehnte "Radical Eyes" sprechen eine unzweideutige Sprache: die Prophets Of Rage haben immer noch Hummeln im Hintern und denken gar nicht daran, ihren Kreuzzug gegen die vielen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten der Moderne beiseitezulegen. "Wir alle kennen uns schon sehr lange und die Chemie zwischen uns stimmt einfach. Der Wahlkampf, den Donald Trump in den USA führte, hat uns die Sprache verschlagen. Und nachdem es die Rage Against The Machine in der Form nicht mehr wirklich gibt, mussten wir mit einer neuen Bord gegen all das Geschehene anspielen." Als demütiger Bewunderer seiner eigenen Bandkollegen zeigt sich DJ Lord. "Die Texte, die von den Jungs kamen, die ganze Attitüde all der Menschen in dieser Band und der unerschütterliche Glaube an eine bessere Welt sind für mich ein unendlicher Quell an Inspiration."

Brüder im Geiste
Die Festivaltour-Botschaft "Make America Rage Again" versteht man längst auch in Europa, außerdem ist die Mission des Sextetts ohnehin global zu verstehen. Mit dem Album samt zwölf eigener Songs nimmt die Band auch all jenen Kritikern Wind aus den Segeln, die hinter dem Kollektiv nur eine weitere All-Star-Cash-Cow mit mehr finanziellem Selbstverständnis als tatsächlicher Spielfreude vermuteten. Das markante Cover-Artwork stammt von Künstler Shepard Fairey, Brendan O'Brien produzierte und das Video zur ersten Single "Unfuck The World" ließen sie vom vielleicht berühmtesten US-Politquerulanten Michael Moore abdrehen. Brüder im Geiste eben, die sich abseits künstlerischer Grenzen gemeinsam dafür einsetzen, dass aus der Wut und den Zorn auf die USA vielleicht wieder einmal Freude und gesunder Stolz wird. Musikalisch im Crossover, gesanglich im Rap verankert.

Dass die ersten Europa-Gastspiele der Prophets Of Rage ein derartiger Triumphzug werden würde, ahnte Frontmann B-Real im Vorfeld nicht, wie er ins im Zuge seines Auftritts mit Cypress Hill am Frequency verriet. "Wir wussten schon, dass wir etwas Cooles am Start haben, hatten aber keine Ahnung, wie enthusiastisch die Leute das Projekt aufnehmen würden." Chuck D erinnert sich besonders an den Gig bei Hellfest in Frankreich zurück. "Das war das erste Mal, wo ich kein Ende des Publikums sehen konnte. Und das heißt was, denn ich habe mir kurz davor die Augen lasern lassen." Trotz des starken Eigenmaterials bleibt nur die Frage, ob die Fans nach den vielen Klassikern auch neues Material annehmen werden. Denn wer so kräftig vorgelegt hat, der kann leicht ins Straucheln kommen. Als oberste Maxime gilt aber ohnehin die prägendste Textzeile aus dem Rage Against The Machine-Hit "Killing In The Name": "Fuck you, I won't do what they tell me". Ewige Verbundenheit durch den Wunsch nach friedlicher Revolte - ohne Rücksicht auf Verluste.

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