Brachial und genial

Neil Young begeistert am “Lovely Days”

Musik
18.08.2008 14:40
Man muss heuer eigentlich nur ein Festival gesehen haben - und da auch bloß einen Act: Neil Young am Lovely Days in Wiesen. Der Kanadier zelebrierte am Sonntagabend im Burgenland mit seiner "electric band" eine zweistündige Rockshow vom Feinsten, die brachiales Donnerwetter mit aufkreischenden Gitarren und zarte Momente mit akustischen Klängen zu einer imposanten Werkschau zusammenführte. Nach den Raritäten beim Gastspiel im Winter in Wien bot der 62-Jährige diesmal das perfekte Open-Air-Programm mit einer Überraschung als Zugabe. Im Vergleich dazu sehen viele junge Acts alt aus.
(Bild: kmm)

"Wenn es brummt, bevor der erste Song richtig anfangt, wird's gut", raunte ein Fan, als Neil Young auf die Bühne kam und sich die Gitarre umhängen ließ. Und wie es brummte! "Love And Only Love" vom oft unterschätzten Album "Ragged Glory" eröffnete den Set (später kam noch der ausgestreckte Mittelfinger "Fuckin Up"). Beim anschließenden "Hey Hey, My My" krachte es buchstäblich, dann ein fast beruhigendes "Everybody Knows This Is Nowhere", um dann einem wunderbar stimmungsvollen kräftigen "Powderfinger" Platz zu machen. Einen besseren Einstieg kann man sich nicht wünschen. Das hatte bereits mehr Klasse als manch anderes Konzert im Gesamten.

"Spirit Road" vom aktuellen Werk "Chrome Dreams II" (Warner) schmiegte sich elegant zwischen die Crazy-Horse-Highlights. Mit "Cortez The Killer" folgte allerdings schon das nächste Stück, das Young mit seiner legendären Begleitband eingespielt hatte. Die Botschaft des Stückes passt zur momentanen Stimmung des Musikers, der sich zuletzt mit Crosby, Stills And Nash auf Tournee gegen die Kriegstätigkeit der USA begeben hatte. Der Spanier kommt als Eroberer: "He's a killer", singt Young und lässt seiner Wut in einem brillanten Solo ihren Lauf. Da braucht es kein Bush-Bashing, die Botschaft ist klar.

Im Gegensatz zu den Kooperationen mit Crazy Horse steigerten sich die Songs niemals zu nicht enden wollenden Feedback verzehrten Mega-Gitarrenduellen, auch dann nicht, wenn sie ausuferten wie das epische, elektrifizierende "Cowgirls In The Sand" und Young auch ohne Crazy-Horse-Gitarrero Frank Sampedro seiner Klampfe hypnotisierende Töne entlockt. Vor diesem Höhepunkt demonstrierten Young und seine ebenfalls reifere Truppe (mit Langzeitkollegen Ben Keith), wie schön Musik ohne Format ist: Nach dem fetzigen Start unterbrach ein lyrisches, feinfühlig vorgetragenes "Helpless" (mit Ehefrau Peggy dominant im Background) die aufgeladene Klangwolke - ohne wie ein Bruch zu erscheinen.

Natürlich muss Young auch dick auftragen. Er darf das, schon gar bei einem Festival, das der "guten alten Zeit" huldigt und bei dem zuvor u.a. Wishbone Ash, Adam Green und The Waterboys für Stimmung gesorgt hatten. Das pathetische "Mother Earth" mit seiner fast kindisch formulierten Rettet-die-Umwelt-Thematik kann wohl nur bei Neil Young (an der Orgel) unpeinlich berühren. Uneingeschränkt großartig und alles andere als verklärt führte ein "Harvest"-Block mit der Anti-Heroin-Hymne "The Needle And The Damage Done", dem Hit "Heart Of Gold" und dem melancholischen "Old Man" zum Finale.

Noch einmal Blitz und Donner: "Rockin In The Free World" schoss einmal mehr als Rock-Hymne par excellence aus den Lautsprechern. Nein, Herr Young ließ die sehr stimmige Performance nicht mit einem eigenen Klassiker zu Ende gehen. Eine hinreißenden Coverversion von "A Day In The Life" (Beatles) schickte das Publikum nach Hause.

Von Wolfgang Hauptmann, APA
Fotos: Andreas Graf, krone.at

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