Roger Waters Live

Monumentale Süßkirsche am Großkonzertkuchen

Musik
24.08.2013 01:44
Pink-Floyd-Legende Roger Waters brachte seine bombastische "The Wall Live"-Tour Freitagabend ins Wiener Ernst-Happel-Stadion. Zwischen visueller Perfektion, theatralischer Inszenierung und klanglichem Kult blieb dem 69-Jährigen bei seinem Opus Magnum genug Zeit, aktuelle Themen an den Pranger zu stellen. Ein Spektakel der Sonderklasse.
(Bild: kmm)

Ein mächtiges Feuerwerk und das vom gegenüberliegenden Stadioneck in die legendäre Mauer krachende Stuka-Flugzeug – hinterlegt mit quadrophonischen Tönen, die den Stadionbesuchern realistisches Kino-Feeling liefern. So fährt Roger Waters bereits zu Set-Beginn bei "In The Flesh?" schwere Geschütze auf. Seine "The Wall Live"-Stadiontour, mit der er erstmals in Österreich Station macht, ist so etwas wie die diesjährige Süßkirsche auf einem wahrlich nicht ereignisarmen Großkonzertkuchen.

Show mit Superlativen
Die letzte große Open-Air-Show dieses Sommers kann man nur mit Superlativen erklären. Eine 115 Meter breite und zwölf Meter hohe Wand, 30 hochmoderne Projektoren, die für die grandiosen Visuals auf der insgesamt 424 Steine fassenden Mauer sorgen und 200.000 Watt für einen glasklaren und wirklich gelungenen Sound sprechen für sich. Der 69-Jährige hat für sein Opus Magnum keine Kosten und Mühen gescheut und erntete dafür zurecht frenetische Beifallsbekundungen der knapp 40.000 Fans im Happel-Stadion.

Waters selbst kokettiert während der gut zweistündigen Bombast-Show mehrmals mit der eigenen Vergangenheit, schafft es aber hervorragend, das zeitlose Grundthema rund um den Hauptprotagonisten Pink und seinen nicht enden wollenden Kampf gegen sich selbst und seine Umwelt in die Moderne zu transferieren. So gedenkt Waters im Song "The Thin Ice" nicht nur seinem im Krieg gefallenen Vater, sondern webt auch visuelle Bezüge zum aktuellen Kriegsgeschehen ein. Bei "Goodbye Blue Sky" rückt er den Großkonzernen nahe und das in der zweiten Konzerthälfte durch die Luft schwebende Schwein enthält nicht nur offensichtliche Kritik am Mineralölkonzern Shell und dem Kapitalismus, sondern wartet auch mit einem medial stark kritisierten Davidstern auf.

Puppenspiele
Waters selbst wurde längst von der Altersmilde ergriffen. Von Publikumsdistanz ist nichts mehr zu spüren, vielmehr wagt sich der Künstler in seinen seltenen Zwischenansagen in humoristische Gefilde, vergisst aber trotzdem nicht darauf, den einzig neuen Song "The Ballad Of Jean Charles de Menezes" den "Opfern des Staatsterrorismus auf der ganzen Welt" zu widmen. Ansonsten lässt Waters Musik, bahnbrechende Videoprojektionen und riesige Figuren sprechen. Am Ende von "The Happiest Days Of Our Lives" taucht erstmals eine furchterregend-große Lehrer-Puppe auf, während der hervorragenden Ballade "Mother" kommt eine riesige Matrone zum Vorschein.

Die ernsthafte Handlung zieht sich derweil wie ein roter Faden durch das schillernde Pomp & Trara. Musikalisch ist "The Wall" mit ziemlicher Sicherheit nicht unter den absoluten Pink-Floyd-Topalben anzusiedeln, doch das gewichtige Gesamtkonzept beweist eindrucksvoll, dass es noch heute von akuter Relevanz ist. Visuell fährt die "The Wall Live"-Produktionsmannschaft das Bestmögliche auf, allein die dreidimensional wegfliegenden Mauersteine bei "Another Brick In The Wall III" sind eine Klasse für sich. Nach dem kompletten Aufbau der Mauer und einer kurzen Pause werden im zweiten Konzertteil durch diverse Einblendungen und Botschaften von gesellschaftlichen und politischen Ereignissen die Emotionen geschürt.

Explosion im Melodiemantel
Als geheimes Highlight einer nahezu perfekten und hervorragend inszenierten Show erweist sich "Comfortably Numb". Einerseits ist der hochmelodiöse und eingängige Song die wohl stärkste Nummer des Doppelalbums, andererseits ist der Effekt als Waters seine Fäuste gegen die Wand schlägt und eine Explosion visualisiert wird, das positive i-Tüpfelchen des Abends. Ebenfalls hervorragend und gleichzeitig erschreckend: Das hart rockende "Run Like Hell", bei dem Waters beängstigend realistisch aus seinem Maschinengewehr schießt und irakischen Opfern des amerikanischen Apache-Luftanschlags von 2007 gedenkt.

In einer fulminanten Schlusssequenz wird die Mauer bei "The Trial" schließlich zu Fall gebracht und von der gesamten Band "Outside The Wall" in einer akustischen Version im Trümmerhaufen vorgetragen. Zurück bleibt blankes Erstaunen, denn "The Wall Live" ist nicht nur das wuchtigste Rock-Spektakel des Jahres, sondern wird aufgrund seiner technischen Perfektion und dem ungeheuren Aufwand wohl noch auf Jahre hinweg das Vorzeigemodell für sämtliche Bombast-Bühnenshows sein.

Die Mauern fallen endgültig
Für die meisten war der Wien-Auftritt wohl die letzte Möglichkeit, das Pink-Floyd-Mastermind mit seinem Monsterprogramm live zu sehen – Waters wird die Mauern nach der vollendeten Tour endgültig fallen lassen. Ein unersetzbarer Verlust für die Musikwelt.

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