Mr Dire Straits

Mark Knopfler live in Wien

Musik
14.05.2008 11:26
"Wir werden gaaaaanz langsam spielen - und irgendwann bleiben wir dann stehen", meinte Mark Knopfler im krone.at-Interview zu seinem aktuellen Album "Kill To Get Crimson" vor wenigen Monaten. Und der "Sultan Of Swing" bzw. nunmehrige "Sultan of Folk" versprach nicht zu wenig. Beim Konzert am Dienstagabend in der Stadthalle hielten Knopfler und seine Band nicht nur einmal inne und trieben die Kunst des Aufwiegens im Zusammenspiel bis zur Perfektion. Nur im Durchhalten war der ehemalige Dire-Straits-Frontmann an diesem Abend kein Großer - schon nach einer Stunde fünfundvierzig Minuten war die Show in der mit sitzenden Fans prall gefüllten Stadthalle zu Ende. Dazwischen gab's große und kleine Emotionen.
(Bild: kmm)

Mit dem munteren Song "Cannibals" von seinem ersten Soloalbum "Golden Heart" eröffnet Knopfler mit seiner ausschließlich aus britischen Ausnahmemusikern bestehenden Band das Konzert. An des Meisters Seite werken etwa sein langjähriger Drummer Danny Cummings und Ex-Dire-Straits-Keyboarder Guy Fletcher. Berufskleidung hat Knopfler sich und seinen Musikern nicht verordnet - in ausgebeulten Jeans, Holzfällerhemd und mit einem "faden Aug'", seinem Standardgesichtsausdruck, betritt er umjubelt die Bühne. So, als wäre er gerade von der Wohnzimmercouch aufgestanden.

"Why Aye Man" vom 2002er-Album "The Ragpickers Dream" wird nachgereicht. Bei "What It Is" bleibt die Band zum ersten Mal, wie Knopfler es schon ankündigte, stehen. Man konnte sich selbst Luft holen hören, ein Herr in den vorderen Reihen hustete. So still war es, bevor Danny Cummings seinen Bandchef wieder antrieb. "Sailing To Philadelphia" bekommt der 58-Jährige danach auch ohne Original-Duettpartner James Taylor gut hin

So unspektakulär es ist, Knopfler bei der Arbeit zuzusehen, so faszinierend ist es, ihm zuzuhören und dabei zu erahnen, was er jetzt bei diesem und jenem Ton mit seinen Fingern anstellt. Seit Knopfler die Licks von "Sultans Of Swing", "Money For Nothing", "Calling Elvis" oder "Heavy Fuel" auf diversen Dire-Straits-Alben mit bloßem Fingerpicking für die Ewigkeit auf Tonträger gebannt hat, traut sich kaum ein E-Gitarrist mehr ohne Plektrum zu spielen, um damit den eigenen Stil zu definieren. Diese Latte hat Knopfler schier unerreichbar hoch gelegt.

Mit "True Love Will Never Fade" vom aktuellen Album fadisiert er dann sein Publikum - zunächst. Als danach die legendäre Dobrogitarre ausgepackt wird, galt es nur noch das moderate "The Fish And The Bird" zu übertauchen, bis der erste Höhepunkt des Abends kam. Nach einem zarten Klaviersolo zupft Knopfler kaum hörbar das Intro von "Romeo und Juliet" an. Fluchen möchte man in diesem erhabenen Moment auf die zwei Dodeln nebenan, die den Meister mit gellenden Pfiffen anspornen wollen, während er sich Mühe gibt, den Verschmelzungsprozess von Mensch und Gitarre nicht durch in der Stirnband-Ära steckengebliebene Fans ins Stocken geraten zu lassen. Knopfler hat nach seinem schweren Motorradunfall 2003 die Ruhe lieben gelernt, was sich nicht zuletzt in der genialen Unaufgeregtheit seiner seitherigen Alben "Shangri-La" und "Kill To Get Crimson" zeigt. Parallel dazu hat er nach seiner Country-Phase die Liebe zum Folk wiederentdeckt. In seiner Band sorgt daher der schottische Multiinstrumentalist John McCusker für betörende Thinwhistle- und Fiddleklänge. Auf der irischen Bouzouki streut er dazwischen die perkussiven Elemente in den Gitarrensound der Knopfler-Band ein.

Nach der extra langen Version von "Romeo and Juliet" legt Knopfler mit seinem wohl berühmtesten Song nach: "Sultans Of Swing" rittert mit sattem Backbeat durch die Stadthalle. Als wäre es ihm zuwider, einfach nur die Licks von der Platte nachzuspielen, bringt Knopfler bei den kurzen Interludes Country- und Folk-Elemente ein. Die Strophen kürzt er wie schon zu Dire-Straits-Zeiten auf ein paar gestammelte Worte zusammen. Mehr Zeit und Atem stehen nicht zur Verfügung, wenn man gleichzeitig die feuerrote Stratocaster bedienen muss. Die letzten Instrumentaltakte zögert er dann weit hinaus und spannt die Zuhörer gewaltig auf die Folter. Genau acht Takte sind es nämlich am Ende von "Sultans Of Swing", kurz bevor auf der Platte das Fade Out einsetzt. An dieser neuralgischen Stelle des Songs arbeitet sich Knopfler stets aufbrausend hoch um dann je vier Takte fingerpickend und -tappend auf dem 10. Bund und vier Takte mit der selben atemberaubenden Technik auf dem 12. Bund zuzubringen. Und auf genau diesen Punkt, an dem die Gänsehaut in Schwällen über den Rücken läuft, musste man in der Stadthalle doppelt so lang warten. Lässt er es etwa aus? Wehe! Nein, da kommt es. Und als die acht Takte anbrechen, rauscht eine Welle der Erleichterung gepaart mit einem Gefühlsrausch durchs Publikum. Dem Fan treibt's an dieser Stelle die Freudentränen in die Augen...

Um von diesem Hoch erst einmal herunterzukommen, bedurfte es dann einer schwermütigen Bluegrass-Version von "Marbletown" inklusive Rastpause mit anschließender Südamerika-Exkursion in Gestalt von "Postcards From Paraguay". Der nächste Ritt durch die dynamischen Berge und Täler der knopflerschen Kompositorik ließ aber nicht lange auf sich warten: Bei "Speedway At Nazareth" schaukelt sich die Band so lange hoch, bis das Grande Finale des "Sailing To Philadelphia"-Songs wie ein Wolkenbruch über das Publikum hereinkippt. Mit dem Dire-Straits-Klassiker "Telegraph Road" und einer seiner legendären, alten Pensa-Suhr-Gitarren beendet Knopfler dann nach nicht einmal eineinhalb Stunden schlagartig die Show. Das heißt mehr oder weniger, denn obwohl er es in Wien nicht auf die Viertelstunde brachte, die der Song zu Dire-Straits-Zeiten dauerte, sind gute zehn Minuten für einen "Rausschmeißer" auch nicht ganz ohne.

Aber zu vieles war an diesem Abend noch nicht gesagt worden. Angesichts des tosenden Applauses und der stampfenden Beine hielt es Knopfler und Band nicht lange hinter der Bühne. Mit "Brothers In Arms" lässt er in den Köpfen der Zuhörer noch einmal den Wunsch nach einer Reunion herumgeistern. Es wär ja gar nicht der restlichen Bandmitglieder wegen - einen Abend lang nur alte Hadern vorgespielt zu bekommen, das wär was! Das mit Inbrunst vorgetragene, aber für eine jubelnde Menge viel zu uninteressante "Shangri-La" ließ die Tagträumereien kurz verebben. Mit dem Anti-Telefonsex-Song "So Far Away" und dem Instrumentalstück "Local Hero" feierte Mark Knopfler dann einen fulminanten Abschluss der Show. Alles betteln half danach nichts, Knopfler hatte wahrscheinlich schon die Lederschuhe gegen die Hausschlapfen eingetauscht und es sich wieder auf seiner Couch gemütlich gemacht. Zufrieden aber nicht ganz befriedigt zog man von Dannen. Zuhause warteten die alten Dire-Straits-Platten - bis tief in die Nacht hinein...

Von Christoph Andert

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