"Krone"-Interview

Marina Zettl: “Man kann die Hörer auch erziehen”

Musik
17.01.2014 17:00
Mit ihrem aktuellen Album "Watch Me Burn" ließ die ausgebildete Jazzmusikern Marina Zettl Ende letzten Jahres aufhorchen. Die gebürtige Steirerin changiert geschickt mit Jazz und Pop und trägt ihre Musik auch in die Internationalität. Am 6. Februar kehrt sie in die Heimat, ins Wiener Porgy & Bess, zurück. Die "Krone" unterhielt sich mit der sympathischen Sängerin über die harte Musiklandschaft Österreich, den Vorteil, englische Texte zu schreiben, und die Reserviertheit bei heimischen Konzerten.
(Bild: kmm)

"Krone": Du bist in Graz geboren und aufgewachsen und dann nach Wien übersiedelt. Welche Unterscheide gibt es da, wenn wir von deiner Musik sprechen?
Marina Zettl: Wien ist einfach so viel größer und es passiert dort so viel mehr. Ich wollte in Österreich bleiben und da war der nächste logische Schritt die Hauptstadt. Ich musste mir in Wien halt wieder einen Namen erarbeiten, ansonsten habe ich keine großen Unterschiede gesehen. Beide Städte haben sehr viele musikalische Talente in den unterschiedlichsten Genres.

"Krone": Viele Musiker – auch aus Österreich – wandern nach Berlin aus. War das nie ein Thema für dich?
Zettl: Ich war mal eine Zeit lang dort und habe es mir tatsächlich überlegt, aber fix dorthin zu gehen und zu leben kann ich mir nicht vorstellen.

"Krone": Du wurdest von deinen Eltern von klein auf auf deinem musikalischen Weg unterstützt – dieses Glück ist nicht jedem gegönnt. Bist du ihnen rückblickend dankbar dafür?
Zettl: Ich habe das in den letzten Jahren wirklich schätzen gelernt, denn anfangs war das für mich selbstverständlich. Ich habe jetzt etwas mehr Einblick und sehe auch junge Leute, die nicht immer die Unterstützung von daheim kriegen. Das ist oft schade, weil es viele Talente gibt, die sich dadurch viel mehr trauen würden.

"Krone": Dein letztes Album hieß "Thin Ice", das neue "Watch Me Burn". Du wechselst also von Eis zu Feuer. Bist du auch selbst eine Person extremer Veränderungen?
Zettl:(lacht) Das eigentlich nicht. Veränderung muss natürlich sein, weil Stillstand immer unangenehm ist. Es gehört schon dazu, aber ich fordere die krassen Veränderungen nicht heraus.

"Krone": Also eine konstante Person, die sich musikalisch weiterbewegt hat. Was bedeutet "Watch Me Burn" für dich?
Zettl: Ich finde den Übergang der beiden Albentitel in erster Linie sehr gelungen. Bei "Thin Ice" bin ich weit aus mir hinausgegangen und habe die Grenzen ausgetestet, habe geschaut, wie weit ich mich auf diesem glatten Eis bewegen kann. Bei "Watch Me Burn" habe ich in den Texten einen größeren Schritt Richtung Intimität gemacht. Ich gebe auf dem Album weit mehr von mir preis, als ich zuvor tat. Das ist natürlich schön in Geschichten verpackt, aber man kann sehr viel von mir erfahren, wenn man die Texte genau durchliest.

"Krone": Ist es schwierig, beim Songschreiben deine persönlichen Ereignisse zu verpacken?
Zettl: Nein, denn es bleibt für den Hörer viel Spielraum für Interpretationen. Ich würde auch niemals etwas schreiben, was ich ohnehin nicht preisgeben will. Aber man muss sich nicht verstecken, denn es gibt viele Möglichkeiten, das Image zu umspielen. Wenn etwas zu privat wird, kommt einem auch gar nicht die Idee, darüber zu schreiben. Mit meinem Gitarrist Thomas Mauerhofer habe ich schon immer Texte geschrieben, aber auf "Watch Me Burn" habe ich erstmals mit einem Songschreiber und Produzenten von außerhalb gearbeitet. Das war eine interessante Erfahrung, einer fremden Person zu erklären, um was es in deinem Text geht. Natürlich umschmückt man alles und der Produzent hat darauf beharrt, dass ich auch mal auf den Punkt kommen soll. Auf "Watch Me Burn" sind diverse Aussagen sicher klarer als auf meinen Vorgängerwerken, eben auch weil mich jemand dazu hingestoßen hat.

"Krone": Wirst du dir mit deinem Stammpartner Thomas sehr schnell einig beim Arbeitsprozess oder wird sehr viel diskutiert?
Zettl: Natürlich wird diskutiert, der eine will das so, der andere wieder so (lacht). Manchmal muss man aber auch gar nichts sagen – das ist sehr unterschiedlich.

"Krone": Mit "Stehen, Bleiben" hast du nur einen deutschen Text auf der Platte. Hast du das Album bewusst Richtung Internationalität getrimmt?
Zettl: Daran liegt das nicht. Das Album ist dieses Mal in einer sehr kurzen Zeit entstanden, wir haben erst im Jänner 2013 gesagt, dass wir es jetzt angehen würden. Es war einfach nur ein deutscher Song da, aber es gab keinen Hintergedanken dabei. Wenn ich im Ausland auftrete, spiele ich genauso meine deutschen Titel – die würde ich niemals weglassen. Warum auch?

"Krone": Ist es einfacher, gewisse Inhalte auf Englisch zu transportieren?
Zettl: Das könnte stimmen. Deutsche Texte zu schreiben ist schwieriger, weil man viel stärker in die Wortwahl gehen muss. Es kommt immer darauf an. Einen deutschen Text zu schreiben ist aber auch schwierig – den schüttelt man nicht so einfach aus dem Ärmel (lacht).

"Krone": Viele Künstler finden die deutsche Sprache auch zu hölzern, um Songtexte zu schreiben.
Zettl: Ich glaube, das ist nur eine Gewohnheitssache. Würde man mehr Songs auf Deutsch hören, würde einem das sofort natürlich vorkommen. Man kann sich selbst und die Hörer schon auch ein bisschen erziehen (lacht).

"Krone": Obwohl du auf Streicher und Arrangements verzichtet hast, finde ich den Sound der Platte sehr intensiv. Hast du ihn trotzdem bewusst reduziert?
Zettl: Der Grund ist, dass wir so oft als Trio unterwegs sind, dass die Songs auch in einer kleinen Besetzung funktionieren müssen. Von dem Punkt an kann man ihn auch groß machen. Wenn man den Song nicht richtig rüberbringt, kann man ihn aufblasen wie man will – er wird nicht mehr besser.

"Krone": Deine Songs klingen teilweise sehr retro und haben einen gewissen 70er-Jahre-Touch. Fühlst du dich der musikalischen Vergangenheit stärker verbunden als der Gegenwart?
Zettl: Witzig, dass du das sagst, denn das habe ich schon mal gehört. Es ist jedenfalls nicht bewusst so. Müsste ich mich jetzt entscheiden, mir einen 70er-Jahre-Klassiker oder einen modernen Charts-Song anzuhören, würde ich eher zum Klassiker greifen. Ich muss aber auch dazusagen, dass ich nicht wirklich weiß, was im österreichischen Radio derzeit gehypt ist. Ich bewege mich derzeit nicht in dem Segment. Da muss ich mich selber von meinen Freunden belehren lassen, weil wenn ich Songs nicht gerade zufällig in einem Geschäft höre, wüsste ich nicht, was gerade so angesagt ist.

"Krone": Warum hast du dich auf "Watch Me Burn" mehr vom Jazz Richtung Pop bewegt?
Zettl: Das hat sich ergeben, aber es war jedenfalls nicht wirklich gewollt. Man wird immer etwas Jazz hören, weil wir alle drei eine Jazz-Ausbildung haben. Mir persönlich ist es völlig egal, wie man es betitelt, aber es freut mich, wenn jemand was damit anfangen kann. Ich will auch keinen bekehren, dem es nicht gefällt (lacht). Ich kann den Sound selbst sehr schwer beschreiben, weil er sich einfach so ergeben hat. Journalisten und Leute im Publikum möchten oft genau wissen, was sie da jetzt hören, und darauf sage ich, es sei Pop, der vom Jazz kommt.

"Krone": Du hast einige ruhigere Songs auf dem Album und dazwischen wieder Ausreißer wie das flotte "For God's Sake". War das bei dir stimmungsabhängig?
Zettl: Ich habe immer sehr viele ruhige Songs und bemerke dann, dass ein paar schnellere nicht schaden würden. Da schaue ich halt darauf, eine flottere Stimmung einzufangen. "For God's Sake" ist auch einer der letzten Songs, der entstanden ist. Wir hatten schon Text und Melodie und haben das Ganze am Ende noch mal umgeändert.

"Krone": Du selbst bist aber eine fröhliche Person.
Zettl: Würde ich schon sagen. Das merkt man auch, wenn man einmal zu einem Konzert von mir kommt. Würde ich nur langsame, ernste und traurige Balladen schreiben, wäre das wohl schön, würde aber nicht zu mir passen.

"Krone": Du hast einen Song namens "Stronger Than Love" am Album. Was ist für dich stärker als die Liebe? Es heißt ja, es gibt nichts stärkeres als Limmt auch, das braucht jeder. Es gibt auch immer Sachen, die einen beschäftigen oder im Weg stehen können. Wenn du dich in einem Freundeskreis umhörst, denkst du dir sicher oft: "Das gibt's ja nicht. Die finden sich toll, aber nicht zusammen." So etwas ist halt oft "Stronger Than Love", und das war auch die Idee dahinter, diese Thematik einzufangen.

"Krone": Du warst live schon in England, Schottland, Irland, Kanada und vielen anderen Ländern unterwegs. Zählt in Österreich der Prophet im eigenen Land nichts?
Zettl: Definitiv. Seitdem ich so oft im Ausland unterwegs bin, bin ich für österreichische Medien auch interessanter geworden. Ich bin mir dabei ziemlich sicher, dass ich nicht besser und schlechter spiele als vorher. Ich weiß aber nicht genau, woran das liegt. Es gibt in Österreich viele Künstler, die toll sind, aber wenn man echt Interesse hat, kann man noch viele mehr kennenlernen und deren Konzerte besuchen.

Da muss ich auch die Radiolandschaft in die Pflicht nehmen, denn – wie ich schon erwähnt habe – man kann die Zuhörer schon auch zu etwas erziehen. Man könnte einfach viel mehr österreichische Musiker spielen, weil die Produktionen einfach gut sind. Es gibt außerdem extrem gute Sachen aus jedem Genre, nur wird wenig präsentiert. Die großen Radios haben zudem gewisse Quoten zu erfüllen und dürfen auch nicht alles spielen. Es ist halt sehr schade, aber es freut mich natürlich, dass die Medien jetzt auf mich aufmerksam werden. Es gibt da trotzdem den kleinen Wermutstropfen, dass es nur so geht. Du musst anscheinend wirklich viel im Ausland spielen, damit es auch daheim läuft.

"Krone": Springt im Ausland eher jemand auf dich und deine Musik an?
Zettl: Die Mentalität ist einfach anders. Ich war unlängst in England und die Leute sind einfach direkter und lauter. Sie kommen gleich nach dem Konzert zu dir und quatschen dich an. Sie sind auch während des Konzerts, was den Applaus betrifft, viel hemmungsloser. Den Österreichern gefällts wahrscheinlich auch, aber sie sind da viel höflicher. Ich glaube auch, dass Fans in anderen Ländern eher zu einem Konzert gehen, wo sie die Künstler nicht so gut kennen. Bei uns muss man schon etwas vorgekaut bekommen. Ich will auch nicht schimpfen, aber ein Unterschied im Publikum ist schon zu bemerken.

"Krone": Bist du nervös, wenn du im Ausland auf der Bühne stehst?
Zettl: Ja, das ist schon noch so. Vor allem das Moderieren auf Englisch ist jetzt nichts, das ich jeden Tag mache (lacht). Es geht aber ganz gut und ich habe mir mittlerweile den eigenen Druck genommen. Wenn ich Fehler mache, ist mir das komplett egal. Englisch ist ja auch nicht meine Muttersprache und das ist auch den Leuten egal. Sie verstehen dich trotzdem und wenn du ihnen sympathisch bist, sehen sie auch über Fehler hinweg. Es kommt eher darauf an, dass man charmant rüberkommt, weil man dann nahbarer ist.

Nun kann sich das österreichische Publikum live von den Qualitäten Marina Zettls überzeugen. Am 6. Februar spielt sie mit Band im Porgy & Bess. Karten erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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