"Krone"-Interview

Lena und ihre Suche nach dem Ich

Musik
16.05.2015 12:14
Mit 18 gewann sie den Song Contest und war die Heldin einer ganzen Nation, fünf Jahre später hat sich ihre Karriere auf ein Normalmaß eingependelt - den Nimbus des kometenhaft aufgestiegenen Pop-Sterns wird Lena aber auch auf ihrem vierten Studioalbum "Crystal Sky" nicht wegbekommen. Wir haben uns mit der 23-jährigen Sängerin getroffen und dabei ihre einzigartige Karriere Revue passieren lassen.
(Bild: kmm)

Ein Zufall kann es kaum sein, auch wenn es als solcher verkauft wird. "Crystal Sky" nennt sich das vierte Studioalbum des immer noch aktuellsten deutschen Popstars Lena, und es erscheint exakt acht Tage vor dem großen Song-Contest-Finale in der Wiener Stadthalle. Jener Bewerb, der die einst 18-jährige Abiturentin 2010 über Nacht zum Star machte. Weltberühmt im deutschsprachigen Raum quasi. Mit ihrem Siegerlied "Satellite", der rehäugigen Erscheinung und ihrer sympathisch-ehrlichen Tollpatschigkeit verzauberte die Hannoveranerin via Oslo die ganze Welt. "Wow! Verdammte Axt, ist das geil!", notierte sie damals im Goldenen Buch des Hannoveraner Rathauses. Hinter ihr grinsend der damalige Bundespräsident Christian Wulff, auch ein berühmtes Kind des Bundeslandes Niedersachsen.

Ein ewiger Teil von ihr
Nicht nur das Album erscheint kurz vor dem ESC-Finale, direkt am Finaltag feiert Lena auch ihren 24. Geburtstag. "Ich habe es bisher noch nicht geschafft, meinen Geburtstag einmal nicht in Verbindung mit dem ESC zu bringen", merkt sie etwas genervt im Interview mit der "Krone" an. "Ohne den ESC würde ich natürlich nicht hier sitzen, er ist Teil meiner Geschichte und meines Seins. Ich habe schon noch gute Erinnerungen daran."

Wie lange bei keiner Musikerin zuvor entfachte der Song-Contest-Triumph bei Lena einen medialen Flächenbrand, der sich später auch in negativer Berichterstattung äußerte. Wo Erfolg, da bekanntlich auch Neid und Missgunst. Die harte Schule des Erwachsenwerdens im Rampenlicht, die schon globale Kapazunder wie Britney Spears oder Justin Bieber zu Fehltritten animierte. Lena aber blieb zurückhaltend. Zumindest ließ sie die harsche boulevardeske Kritik nicht zu stark an sich ran, sondern arbeitete weiter an sich und ihrer Karriere.

Endgültig abgehakt?
Dementsprechend gab es auch keinen Grund, diese Erlebnisse auf "Crystal Sky" zu verarbeiten. "Es berührt mich einfach nicht genug, um darüber singen zu müssen." Mit dem Song Contest selbst will sie heute nichts mehr zu tun haben – auch wenn der zehnte Platz bei ihrem zweiten Abschneiden in Düsseldorf 2011 als respektabler Erfolg gewertet werden kann. "Ich habe meinem Management gesagt, ich möchte nicht aktiv an der Veranstaltung teilnehmen, und von da an ist auch nichts mehr zu mir durchgedrungen." Dass sie an ihrem Geburtstag neben den Feierlichkeiten mit ihren Freunden bei einer ESC-Party auf der Hamburger Reeperbahn auftreten wird, bestätigt sie zumindest teilweise. Den Terminus "ESC" lässt sie in der Antwort weg.

Im Umgang mit den Medien ist Lena vorsichtig geworden. Perfekt gestylt sitzt sie in einem frühlingshaften Wiener Hotelgarten auf der gepolsterten Bank, wirkt aber nicht so entspannt, wie es die Atmosphäre vermuten lässt. Ihre Antworten sind meist kurz und bündig, immer wiederkehrende Anflüge von Unsicherheit verbirgt sie hinter hastig gesprochenen Sätzen oder nervösem Lachen. Warum hast du dich jetzt verstärkt einem elektronischen Sound zugewandt? "Ich hatte einfach Bock darauf." Hattest du Angst, die Fans könnten mit deinem neuen Stil Probleme haben? "Locker war ich nicht. Die Erleichterung war groß, als die ersten positiven Rückmeldungen kamen." Wie fühlt es sich an, erstmals bei einem Album nicht mehr von einem Castingshow-Vertrag geknebelt gewesen zu sein? "Man ist immer in einem Vertrag. Ohne Vertrag macht man auch keine Musik."

So international wie nie zuvor
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Dabei hätte Lena das gar nicht nötig. Mit der elektronischen und vor allem tanzbaren Ausrichtung ihres neuen Albums scheint der Erfolg vorprogrammiert, rauscht sie klanglich mitten in den Zeitgeist. "Auf 'Stardust' habe ich noch stärker auf geerdete Musik gesetzt, hier habe ich einmal etwas anderes probiert. Es kann aber durchaus sein, dass das nächste Album wieder ganz anders wird oder vielleicht einen Schritt zurück geht." Unsicherheit verspürte sie auch beim Songwriting, obwohl Lena sich mit internationalen Produzenten-Größen umgab: das Biffco-Team (Kyle Minogue, Atomic Kitten), Jonny Coffer (Sam Smith) oder Matty Benbrook (Faithless) – Aufnahmen in Deutschland, London und L.A.

"Manchmal bin ich einfach etwas zu bescheiden. In deren Studios hängen unzählige Gold- und Platin-Schallplatten, aber man merkt zum Glück schnell, dass das Gegenüber gar nicht schlimm ist." Aus der anfänglichen Ehrfurcht erwuchsen fruchtbare Arbeitsbeziehungen, die dem internationalen Album zu seiner Kompaktheit verhalf. "Es ist wohl eine Krankheit von mir, dass ich mir selbst zu wenig zutraue", erzählt Lena, in deren Vita neben einem ESC-Sieg u.a. auch zwei Nummer-eins-Alben und drei ECHOS gelistet sind, "meine Erwartungen waren damit auch weiter unten angesiedelt. Mittlerweile weiß ich aber, dass ich Songs schreiben kann und das recht gut. Ich muss mich nicht dafür schämen, ganz im Gegenteil. Andere Leute wollen mit mir zusammenarbeiten."

Dämonen der Vergangenheit
Mit ihren großen ESC-Nummern "Satellite" und "Taken By A Stranger" hat Lena nach eigenem Bekunden kein Problem. "Natürlich hat man die neuen Songs am liebsten, aber nerven werden mich diese Lieder nie. Für mich ist die Song-Contest-Sache einfach erledigt. In meinem Privatleben denke ich gar nicht mehr daran." Im Berufsleben hingegen werden die Dämonen der Vergangenheit immer wieder heraufbeschworen. Doch aus Lena Meyer-Landrut wurde Lena. Die verträumten Rehaugen sind fokussierter und die Wortwahl in Gesprächen ist bedachter und überlegter. Das harte Musikgeschäft hat noch jedem die Unschuld genommen.

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