Live in der Arena

Lamb Of God kehrten aus der Hölle zurück

Musik
07.01.2014 01:35
Mit einem gewaltigen Metal-Paket startete am Dreikönigstag die Konzertsaison 2014. Die amerikanischen Groove-Metaller von Lamb Of God zeigten sich dabei in hervorragender Spiellaune und begeisterten eine fast ausverkaufte Wiener Arena. Von den Problemen der Vergangenheit war nichts mehr zu spüren.
(Bild: kmm)

Noch bevor die Christbäume am letzten der vielen Feiertage endgültig aus den Häusern und Wohnungen aussortiert werden und der Arbeitsalltag bei den meisten Menschen wieder Einzug hält, wartet die Wiener Arena ganz früh im noch blutjungen Jahr 2014 mit einem Metal-Musikpaket der Extraklasse auf. Die drei auftretenden Bands – Lamb Of God, Decapitated und Huntress – haben bei frühlingshaften Abendtemperaturen allesamt ihre ganz eigene besondere Geschichte zu erzählen und vor allem eines gemeinsam – sie heben sich aus verschiedensten Gründen vom Durchschnitt ab.

Die "Oben ohne"-Hexe
Die als Opener des Abends fungierenden Huntress aus Kalifornien müssen vom Start weg gegen eine doppelte Themenverfehlung ankämpfen. Einerseits ist der sehr traditionell vorgetragene Heavy Metal im Prinzip viel zu soft für das brachiale Abend-Package, andererseits müsste man schon mit Leib und Seele Fan sein, um das textlich okkulte Hexentreiben in Verbindung mit ihrer fröhlich-sonnigen Heimat ernst zu nehmen. Ernst meint es aber vor allem die laszive Frontblondine Jill Janus – vor ihrer endgültigen Heavy-Metal-Bekehrung bereits als Playboy-Model und "Oben-ohne-DJ" in Erscheinung getreten –, die mit einer wundervollen ausgebildeten Singstimme, einer fast schon theatralischen Performance und der ständigen Nähe zum Publikum zu punkten weiß.

Immer wieder motiviert sie die noch recht spärlich gefüllte Arena zum Mitsingen, -klatschen und –tanzen und trägt im Laufe des nur halbstündigen Auftritts zumindest einen Punktesieg davon. Ob das doch eher an ihrer entzückenden Optik als an der musikalischen Darbietung liegt, sei ohne jeglichen Anflug von Alltags-Chauvinismus erlaubt anzudenken. Die Mischung aus Iron Maiden, Mercyful Fate und Manowar mag streckenweise ganz gut durch die Gehörgänge fließen, nutzt sich mangels zwingender Songideen aber recht schnell ab. Dass die grazile Sängerin auch noch ein Lied namens "I Want To Fuck You To Death" anstimmt, riecht dann schon gefährlich nach Bauernfängerei – auch wenn Mr. Metal selbst, Motörhead-Legende Lemmy Kilmister, für den Text zuständig ist. Ein Wiedersehen mit der Hexenlady und ihren bärtigen Jungs gibt es bei Nova Rock.

Schwerer Schicksalsschlag
Die polnische Death-Metal-Band Decapitated fährt schon ganz andere Geschütze auf. Instrumentale Versiertheit gepaart mit aggressiven Songstrukturen und einer offensiven Bühnenpräsenz ergeben zusammengerechnet eine tobende Arena. Decapitated mussten 2007 einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen. Auf einer Konzertreise nach Weißrussland kollidierten sie im Tourbus mit einem Truck – der Drummer verstarb, der ehemalige Sänger sitzt querschnittgelähmt im Rollstuhl und kann nicht mehr sprechen. Nach mehrjähriger Nachdenkpause entschlossen sich die verbliebenen Mitglieder, mit der Band fortzufahren – das Ergebnis war das 2011er Album "Carnival Is Forever", dessen Inhalt den Hauptteil des Abends ausmacht und das durch seine dissonante, fordernde Ausrichtung höchste Konzentration im Publikum erfordert.

Die brutalen Death-Metal-Songs werden immer wieder von atmosphärischen Interludien unterbrochen und wissen trotz großartiger Stimmung nicht vollends zu zünden. Sänger Rafal Piotrowski überzeugt indessen nicht nur mit seiner eindrucksvollen Rasta-Haarpracht, sondern auch mit einem Privat-Scharmützel mit einem unzufriedenen Fan. Das prollige Gehabe samt Mittelfingerstrecken seitens des Frontmanns kann jedenfalls als unprofessionell verbucht werden. Mit dem hervorragenden "Spheres Of Madness" finden die Polen am Ende doch noch in die verloren geglaubte Spur und hinterlassen jubelnde Massen.

Aus dem Dunkel in das Licht
Am Ende wartet aber doch fast jeder auf die Amerikaner von Lamb Of God. Das kompromisslose Kollektiv aus Richmond, Virginia, hatte es in den letzten Jahren nicht leicht. Sänger Randy Blythe wurde bei der Europatournee 2012 wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Blythe soll bei einem Konzert in Prag 2010 einen Fan geschlagen haben. Dieser ist auf den Hinterkopf gefallen und erlag später seinen Verletzungen. Nach zähen Gerichtsverhandlungen erfolgte Blythes Freispruch erst im März 2013. Der Sänger setzte sich stets für die Familie des Verstorbenen ein, verarbeitete seine Qualen in der Untersuchungshaft in selbst gedrehten Videos und schrieb seine Memoiren, die noch in diesem Jahr erscheinen sollen.

Musikalisch haben die US-Amerikaner eine weltweit große Fanbase – das tragische Ereignis hat die Beteuerung der Fans zum Sänger nur noch verstärkt. Mit Songs wie "Desolation", "Ghost Walking" oder "Now You've Got Something To Die For" fahren die Groove-lastigen Metaller schon seit Jahren gut. Die Besonderheit der Band liegt unter anderem an der herausragenden Bühnenpräsenz (Blythe spult während des Gigs mehrere Kilometer auf der Bühne ab) und den hervorstechenden Fähigkeiten an den Instrumenten. So findet sich Schlagzeuger Chris Adler seit Jahren in den oberen Rängen diverser Drummer-Bestenlisten. Auf Gitarrist Mark Morton müssen die Fans aufgrund familiärer Probleme an diesem Abend verzichten, mit Between-The-Buried-And-Me-Saitenhexer Paul Waggoner liefern Lamb Of God aber großartigen Ersatz.

Soundschwächen im Riff-Massaker
Die exaltierte Stimmung der Band geht vom ersten Ton an auf das Publikum über, die sympathische Interaktion des Frontmanns mit seinen Fans trägt neben der nahezu makellosen musikalischen Darbietung zu dieser besonders stimmigen Atmosphäre bei. Da stört es auch weniger, dass der an sich sehr punktgenaue Sound der Amerikaner leider etwas verwässert aus den Boxen dröhnt – vor allem die schneidenden Gitarren, die im Metal-Bereich vielleicht aggressivsten seit den legendären Pantera, gehen allzu oft im Soundbrei unter. An der Magie von Songs wie "Laid To Rest", "Redneck" oder dem kongenialen "Black Label" ändert das aber nichts. "Walk With Me In Hell", eines der bekanntesten Stücke von Lamb Of God, wirkt angesichts der Vorfälle in der Vergangenheit fast programmatisch. Aus der Hölle sind sie jedenfalls endlich wieder draußen – und das ist gut so.

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