Panik und so

Kultrocker Udo Lindenberg im krone.at-Interview

Musik
09.04.2008 18:24
"Weißte, wenn ich in Wien bin, bestell' ich gern mal 'ne Widersachertorte!" Es hat einen Grund, warum Udo Lindenberg im deutschsprachigen Raum im Laufe seiner Karriere zur Kultfigur geworden ist. Mit seinem neuen Album "Stark wie zwei", dem ersten Studiowerk seit acht Jahren, hat der Mann mit dem scheinbar angeschweißten Hut und der festgewachsenen Sonnenbrille die Musikjournalisten in Deutschland wieder an sein Recht auf entsprechende Behandlung als DER Rocker des Landes erinnert. Die ständigen Lobpreisungen in den Kulturteilen und Feuilletons der Zeitungen sind nun "ein süßer Triumph für mich", sagt Lindenberg, den man in den letzten Jahren vielleicht etwas voreilig mit Preisen für sein Lebenswerk ehrte, im krone.at-Interview.
(Bild: kmm)

Wie lange Udo Lindenberg schon so aussieht, wie er aussieht, lässt sich kaum mehr nachrechnen. Fakt ist, er nimmt auch beim Check-in am Flughafen Hut und Sonnenbrille nicht ab und geht auch so durch die Gepäckskontrolle. Sein Reisepassfoto will er nicht herzeigen, aber nur, weil er ihn innerhalb Europas ja nicht mehr braucht und daher nicht dabei hat. "Mein Outfit ist mir Pass genug", feixt er.

Lindenberg hat in den letzten 20 Jahren kein einziges Mal selbst gekocht, er wohnt noch immer in seiner Suite im Hamburger Hotel Atlantic an der Alster, wo er für alle Welt per Fax erreichbar ist. Auf die Frage, ob er sich nicht schon ein Schloss mit Butler kaufen könnte, antwortet er: "Das Atlantic sieht doch aus wie'n Schloss, Butler gibt's dort auch jede Menge - aber ich würde so allein und verlassen nie wohnen wollen, verstehste!? Ich geh gern in die Lobby oder die Bar, häng 'n bisschen ab, unterhalte mich mit den Leuten, ein paar Drinks und so, ne!?"

Zum Kochen fällt ihm dann doch etwas ein: "Das letzte Mal, als ich es versucht habe, warf ich ein Steak einfach direkt auf die Platte. Konnte ja nich ahnen, dass man bei diesen neuen Dingern immer noch 'ne Pfanne braucht!" Er habe auch früher, als er noch in einer WG wohnte, nie gekocht. "Ich brachte nur immer die Wundertüten zum Nachtisch mit", lacht Lindenberg.

Fetter Sound, fette Kollaborationen und so
Auf "Stark wie zwei", dem ersten Album, mit dem er auf Platz eins der deutschen Longplayer-Charts einstieg, finden sich neben Musikerkollaborationen mit Juli, dem Jazz-Flügelhornisten Till Brönner und der Songschreiberin Annette Humpe ("Meine Soulsister") auch je ein Duett mit der deutschen Rockband Silbermond, Funk/Reggae-Rapper Jan Delay und einem deutschen Musik-Urgestein, das selber immer wieder gern den Udo markiert. "Ich lach mich kaputt, wenn Helge Schneider mich imitiert. Aber einmal sollte es sein, dass sich die beiden Stimmen wirklich treffen."

Udo Lindenberg ist für einen 62-Jährigen recht modern, hat ein iPhone und in seiner selbst eingerichtete Suite im Atlantic, die er seine "Panikzentrale" nennt, hängt ein Riesen-Flatscreen. Bei der Arbeit mit Jan Delay, mit dem er nächtelang über den Hamburger Kiez fuhr, um im Auto Musik zu hören, kam er sich zwischendurch alt vor und musste auch Kritik einstecken. "Als ich Jan das Demo vorspielte, sagte er: 'Das kannst du nich machen Udo, das ist Sound aus den Achtzigern, Alter! Das ist total old school - und diese Pornoorgel da, die kannste gleich in'n Müll werfen'."

Reichtum, Groupies und so
Auf die Frage, wie bei Udo Lindenberg in der Regel denn solche Duette entstehen, sagt er: "Nun ja, das sind ja alles meine jungen Freunde. Und die kommen da oft an und fragen, wie das so ist, mit Reichtum, Groupies und so, ne!? Da gebe ich ihnen dann gerne Auskunft und lass sie auch mitmachen, weil ich live bei ihnen ja auch oft auf die Bühne komm'. Das ist Ausdruck meines Lebensstils, auch einmal etwas mit dem Clan zu machen."

Lindenberg zum Duett mit Silbermond: "Ich kannte die Band schon, als sie noch im Keller spielte und später dann auf Festivals. Ich fand das ja immer so rührend, als sie - auch Stefanie (die Sängerin, Anmk.) - ihre eigenen Verstärker schleppten. Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie einen Verstärker getragen!"

Melancholie und so
Es verschafft ihm Genugtuung, wenn er die jetzt die Kulturteile deutscher Zeitungen durchblättert und sieht, dass durch die Bank nur Positives geschrieben wird. "Wenn ich das so lese, fühlt es sich schon wie ein süßer Triumph an. Für mich als Vorsänger dieses großartigen Projekts ist das natürlich etwas Schönes."

Sein größtes Geheimnis als Musiker? "Bei mir hat alles einen Hauch von Melancholie und so. Die Songs, meine Stimme, der Sound, der diesmal echt fett ist, und so - das ist das Lindenberg-Geheimnis. Ich bin ja nicht Dr. Happy oder so, der da durch die Welt grinst."

Apropos Welt und so: Ans Aufhören denkt Udo Lindenberg "niemals". Und wenn es ihm einmal zu viel wird, "fahre ich zur See oder verreise. Ich steh dann einfach am Flughafen, guck auf die Anzeigetafel, ratter, ratter, ratter - und wenn mir ein Ort ins Auge fällt, sag ich: 'Da will ich jetz hin'. Und weg bin ich!" Als nächster Ort auf der Anzeigetafel könnte dann auch schön langsam wieder ein österreichischer stehen. Sein letzter Auftritt auf dem Wiener Donauinselfest im Jahre 2003 liegt ja schon wieder etwas zurück. "Wir werden sicher bald nach Wien kommen und ein bisschen Panik machen", gibt sich Udo Lindenberg zuversichtlich.

Bis dahin gibt's 8,5 von 10 Panik-Punkten... und so


Interview: Christoph Andert

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