Kurz und freudlos

Joss Stone enttäuscht Fans bei Wien-Konzert

Musik
22.02.2010 01:14
Nicht nur als "Soulwunder" hat sich Joss Stone in den letzten Jahren einen Namen gemacht. Die 23-jährige Britin mit der starken Stimme gilt als launischer Sturkopf und impulsive Kämpfernatur, die - wenn es um die Musik geht - nicht einmal vor einem Platten-Imperium klein beigibt. Bei ihrem Wien-Konzert am Sonntagabend zeigte sich allerdings, dass auch das Publikum der Leidtragende sein kann, wenn's bei Frau Stone einmal nicht so rund läuft...
(Bild: kmm)

Joss Stone trägt seit ihrem dritten Album "Introducing... Joss Stone" einen offenen Kampf mit sämtlichen Instanzen der Musikindustrie aus. Künstlermanager, Labelbosse, Plattenfirmen-CEOs, Promotion-Betreuer - von keinem will sich die im Teenageralter bei einem Vorsing-Termin in New York entdeckte Britin in ihrer künstlerischen Freiheit einschränken lassen. Ihrer Musik tut das gut, sie klingt ehrlicher, erdiger, weniger gekünstelt. Für die Karriere hat es mitunter katastrophale Folgen.

Am Höhepunkt des Streits mit der finanzmaroden Plattenfirma EMI hatte Joss Stone fast zwei Jahre lang keine betreute Website und musste ein Album, von dem sie selbst nicht wusste, wann und ob es erscheinen würde, auf Tournee promoten, indem sie dem Publikum die noch unbekannten Songs vorspielte. Ihrer Plattenfirma, die 2007 vom Investment-Hai Guy Hands übernommen worden war, bot sie indes öffentlich an, die zwei Millionen Pfund für einen Vertragsbruch abzustottern. Das Ende Oktober erschienene "Colour Me Free" hat die 23-Jährige letztlich im zum Studio umfunktionierten Musik-Club ihrer Mutter in völliger Eigenregie aufgenommen. Die Rechnung ging gerade noch auf: Die Platte ist so gut, dass die Geschäftemacher bei EMI die sprichwörtliche "Krot'" schluckten und die Zusammenarbeit mit Stone wiederaufnahmen. Auf der wirtschaftlichen Seite bezahlte die junge Sängerin aber einen hohen Preis: Nach zwei Nummer-1-Alben schaffte es "Colour Me Free" in ihrer Heimat Großbritannien gerade einmal auf den 75. Platz der Charts. Nur in der Schweiz und in den USA gingen sich die Top Ten aus.

Ob wieder eine dieser Geschichten mit dem alles andere als optimal gelaufenen Konzert in Wien zu tun haben könnte, weiß man nicht. Auf ihrem Blog bekommt man den Eindruck, dass Joss Stone die Tour im Bus nicht recht behagt und die Stimme Probleme macht. Auch der Nachmittag vorm Konzert im Wiener Gasometer dürfte kein Highlight gewesen sein: Eine erhoffte Massage scheiterte zunächst an der Sprachbarriere, beim anschließenden Sauna-Besuch verschlug es Stone ins gemischte Dampfbad - zwischen lauter ältere Herren, bei denen die Schönheit nicht wirklich im Auge des Betrachters liege, schreibt die Künstlerin auf ihrer Website.

Gleich am Beginn des Konzerts stand dann für die Fangemeinde die Offenbarung, dass Joss Stone in Wien mit der B-Mannschaft ihrer Begleitband aufgetaucht ist. Ausgerechnet jene Musiker, die nach Stones Auftritt beim Nuke-Festival im vergangenen Juli das meiste Lob erhalten hatten (Bass, Gitarre, Bläser, Harmonies), waren nicht mehr da. Holprig ging es dann um zehn nach neun mit Klassikern wie  "Super Duper Love" los, mit "Free Me" war kurz nach Beginn der erste von insgesamt nur zwei Songs aus dem neuen Album an der Reihe.

Vom männlichen Publikum erntete Stone schmachtende Blicke für ihr ultraknappes zuckerlrosafarbenes Kleid, das mitunter "schlüpferige" Details preisgab. Ganz wohl schien sie sich darin aber nicht zu fühlen. Stimmlich passte dafür alles, nur Sound und Groove der Band wollten eben nicht so recht in die Gänge kommen. Man spielte wie auf rohen Eiern, auch Stones lautstarke Mitsing-Animierungsversuche konnten darüber nicht hinwegtäuschen.

Mit ein paar Hits ("Tell Me 'Bout it", "Put Your Hands On Me", "Fell In Love With A Boy") hob sich die Stimmung langsam. Dann plötzlich das Ende: Nach nur 75 Minuten inklusive Umziehpause (Kleid weg, Jeans her) und der Zugabe "Big Ol' Game" ging die Sängerin ohne eine Verabschiedung von der Bühne und ließ ein verdutztes bzw. enttäuschtes Publikum zurück. Die künstlerische Freiheit und den Sturkopf in allen Ehren, aber die eigene Fangemeinde sollte nicht büßen müssen, wenn den Hauptakteur mal irgendwo der Schuh drückt. Gerade wer für seine Musik allein geschätzt werden will, macht hier trotzdem gute Mine - und gutes Spiel.

Von Christoph Andert
Fotos: Andreas Graf

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