"Krone"-Interview

Imany: Botschafterin der Lebensfreude

Musik
06.09.2016 13:52

Die franco-komorische Soulsängerin Imany ist bereits 37, war bereits Leichathletin und erfolgreiches Model und eroberte dank eines russischen DJ-Duos diesen Sommer auch die Charts in Europa. Der Tanzflächenfeger "Don't Be So Shy" definiert Nadia Mladjao, so ihr echter Name, aber nicht komplett - das und mehr erfuhren wir im Interview mit der Durchstarterin.

(Bild: kmm)

"Krone": Imany, die Remix-Version deines Songs "Don't Be So Shy" ist hierzulande der große Sommerhit und bei uns und war in Deutschland auf Platz eins. Wie fühlt sich dieser spontane und wohl doch unerwartete Erfolg an?
Imany: Ich habe keine Ahnung wie das passiert ist. (lacht) Von Anfang an hatte ich das nicht unter Kontrolle und sah quasi zu, wie er immer erfolgreicher und erfolgreicher wurde. Ich habe den Songs vor etwa drei Jahren geschrieben und eigentlich war es ein Teil des Soundtracks für einen französischen Film. Der Song kommt gar nicht im Film selbst vor, sondern nur auf dem Soundtrack. Also existierte er gar nicht so richtig, aber jetzt erobert er die Charts - das macht die Sache nur noch verrückter. Manchmal spielt das Leben eigenartige Dinge.

"Krone": Den Remix haben die beiden russischen DJs Filatov & Karas gefertigt. Kennst du die beiden eigentlich?
Imany: Ich war unlängst in Russland und habe sie trotzdem noch nicht getroffen. Das Lustige daran ist ja, dass sie schon davor zwei Songs von mir neu verarbeitet haben und damit in Russland auf Platz eins gingen. Ich hatte also in den letzten drei Jahren drei Nummer-eins-Hits in Russland. Danke Jungs, auch wenn ich euch noch nie getroffen habe. (lacht)

"Krone": Da wären doch ein gemeinsames Album oder ein paar Livegigs interessant.
Imany: Ich denke nicht, denn damit würden wir wohl endgültig den Zauber brechen. All das ist nur deshalb passiert, weil sie es einfach machten, ohne mich zu fragen. Wir sollten das jetzt nicht übertreiben. (lacht) Ich würde sie gerne treffen, ihnen danken und sie fragen, wie sich ihr Leben dadurch verändert hat. Aber ich glaube nicht, dass ich in näherer Zukunft ein Dance-Album einspielen werde.

"Krone": Ist der Songtitel "Don't Be So Shy" als Ratschlag an dich selbst gedacht?
Imany: Nein, es ist ein Ratschlag an jemand anderen. Der Song ist extrem feministisch, er dreht sich nicht darum, dass Menschen Sex haben, was irgendwie alle glauben. Die Frau sagt dem Mann in dem Song einfach, dass er nicht so schüchtern sein sollte und in der Gesellschaft ist das meist umgekehrt der Fall. Der Typ sagt meist einer Frau, was sie zu tun hat und hier wird die Situation verdreht. Es geht auch um die Schönheit des Beischlafs, um die Spiritualität. Man sollte einfach mehr Spaß und Freude im Leben haben.

"Krone": Deine Songs sind für gewöhnlich sehr melancholisch und tiefgehend. Was sind die wichtigsten Inspirationen für dich als Songwriterin? Brauchst du eine bestimmte Stimmung?
Imany: Nicht wirklich, aber ich muss mich in ein Thema vertiefen können. Ich brauche jedenfalls viel Ruhe und keinen Trubel. Wir haben viel von meinem neuen Album "The Wrong Kind Of War" in Afrika geschrieben, weil ich einfach nicht dem Stress einer Stadt wie Paris ausgesetzt sein wollte. In Afrika konnte ich mich vollends auf die Arbeit konzentrieren. Ich muss mich total auf das Projekt fokussieren können.

"Krone": Imany bedeutet übersetzt "Glaube". Gibt es einen bestimmten Grund, warum du dieses Wort für dich als Bühnenpersönlichkeit gewählt hast?
Imany: Mit 17 wurde ich entdeckt und war als Model tätig und da ich in Wirklichkeit Nadia heiße, haben sie mir gesagt, ich solle mir einen neuen Namen zulegen, da es einfach zu viele Nadias gäbe. Ich wollte ja selbst keine "Nadia Nummer vier" sein, die ganze Agentur war voll mit russischen Models mit diesem Namen. Ich habe den Namen dann aus dem Eddie-Murphy-Film "Coming To America" gewählt. Er hat mir einfach gefallen, ich fand ihn lustig. Imany ist auch sehr einfach zu merken und dass er eigentlich "Glaube" bedeutet, das wurde mir erst Jahre später klar.

"Krone": Du hast nicht nur als Model gearbeitet, sondern warst in deinen sehr jungen Jahren auch als Athletin unterwegs. Konnten dir diese beiden Jobs auch etwas für deine musikalische Karriere mitgeben?
Imany: Der Sport auf jeden Fall. Er gibt dir Belastbarkeit, Widerstand und Ausdauer - all das brauchst du auch im Musikgeschäft. Keine gute, aber wichtige Sache, die du vom Modeln lernst: du musst ein "nein" akzeptieren. Für ein "ja" bekommst du im Prinzip 200 Mal ein "nein" und auch das ist in der Musik durchaus üblich. Du wirst resistent gegenüber Ablehnungen, weil du sie irgendwann nicht mehr zu persönlich nimmst. Für deine sportlichen Unzulänglichkeiten abgelehnt zu werden ist hart, aber für deine Kunst und deine musikalischen Fähigkeiten abgelehnt zu werden, ist noch schlimmer. Da ist ein dickes Fell von Vorteil.

"Krone": Als du 2008 zu singen begonnen hast, warst du bereits fast 30 Jahre alt. Warum startete deine Karriere so spät?
Imany:(lacht) Ein Freund von mir hat immer gesagt, ich solle nichts im Leben überstürzen. Ich musste wohl auch die vielen anderen Erfahrungen in meinem Leben machen, bevor ich mich zu diesem Schritt entschloss. Ich habe keinen musikalischen Background. Meine Eltern kommen von den Komoren und siedelten in ihren 20ern nach Frankreich. Mein Vater war bei der Army und meine Mutter Hausfrau. Eine Karriere in der Musik zu haben wirkte für mich als Kind so, wie wenn ich auf den Mond fliegen würde. Mir war schon bewusst, dass es viele Menschen schafften, aber jemandem wie mir hätte ich das niemals zugetraut. Ich musste viel reisen, im Ausland leben und meinen Horizont erweitern, um zu realisieren, dass das durchaus möglich ist. Es war einfach ein langer Prozess, bis ich soweit war.

"Krone": Du hast derzeit eine der souligsten und eindringlichsten Stimmen im Musikgeschäft. Gab es einen besonderen Menschen, einen Mentor, der deine Karriere in die richtige Richtung forcierte?
Imany: Nicht wirklich. Ich hatte schon als Kind diese Stimme und sie immer gehasst. Ich wollte nicht einmal einen Anrufbeantworter oder meine Mobilbox damit besprechen, weil ich mich einfach nicht hören konnte. Als Kind haben mich die anderen auch gemobbt, aber als Erwachsene veränderte sich das radikal. Plötzlich hatte ich eine atemberaubende, sexy Stimme - nur weil ich älter wurde. Irgendwann hat das zum Glück auch meine Sicht auf meine Stimme verändert. Das Singen selbst hat mich immer glücklich gemacht, unabhängig davon ob ich meine Stimme mochte oder nicht. Irgendwann nahm ich Gesangsstunden und keiner sagte mir, dass es so furchtbar wäre, dass ich damit aufhören müsste. (lacht) Die Leute sind oft darüber schockiert, aber ich mag mir heute noch nicht mein Debütalbum anhören. Ich halte mich selbst nicht aus. Solche Komplexe sind natürlich dumm, aber man kriegt sie nie ganz weg. Man lernt nur, damit zu leben. Meistens ist das ja auch wirklich ungerechtfertigt.

"Krone": Bald erscheint dein neues Album "The Wrong Kind Of War". Gibt es denn eine richtige Art des Krieges?
Imany: Ich denke schon. Der Krieg für Gerechtigkeit, für Gleichberechtigung, für das Ende des Welthungers und viele andere Themen. Es gibt genug Kriege, die man austragen könnte, um für ein besseres Leben zu sorgen.

"Krone": Krieg ist ein sehr schweres, gefährliches Wort. Gerade in Zeiten der vielen terroristischen Anschläge und der Gefahren, die von Einzeltätern ausgehen. Hattest du diese Themen im Hinterkopf, als du an dem Album schriebst?
Imany: Der Albumtitel ist auch der Name eines Songs darauf und darin geht es spezifisch um das Ende einer großen Liebesgeschichte. Das Paar, das auseinandergeht, sieht noch einmal die Asche seiner zerstörten Beziehung. Manchmal bekriegen sich Paare ja untereinander und der falsche Weg ist in diesem Fall, wenn sich zwei solcher Menschen wegen Nichtigkeiten bekriegen, anstand füreinander zu kämpfen und Emanzipation und Freude in ihrem Leben zu finden. In der Realitätosigkeiten. Du kannst dieses Problem aber auch auf die gesamte Welt umlegen. Der größte Krieg, den wir gewinnen müssen, ist der mit uns selbst. Gewalt herrscht leider überall.

"Krone": Die meisten Songs auf dem Album drehen sich um die Liebe, Beziehungen und auch Trennungen. Hast du das alles am eigenen Leib erfahren?
Imany: In bestimmter Art und Weise ja. Ich habe viel davon erlebt, aber es kann sich wahrscheinlich jeder mit den Inhalten identifizieren. Manchmal habe ich mich auch von anderen Leuten inspirieren lassen.

"Krone": Songs wie "Save Our Soul" oder "The Rising Tide" enthalten direkte Kritik an die Welt, in der wir leben und die wir nicht gut behandeln. Ist es dir wichtig, als Künstler den Finger in die gesellschaftskritische Wunden zu stecken?
Imany: Es gibt dazu ein tolles Zitat von der legendären Nina Simone: "Es ist die Pflicht eines Künstlers die Zeit zu reflektieren, in der er gerade lebt." Sie hat damit absolut recht. Es ist nicht unser einziger Job, aber ein guter Weg, unsere Stimmen nach außen zu tragen. Wir leben in einer gewalttätigen, verrückten Welt zurzeit und es wäre für mich schwierig, nur über das Wetter zu singen.

"Krone": Du lebst derzeit in Paris und hast natürlich auch die vielen Anschläge innerhalb der letzten Monate mitbekommen. Flossen diese Erlebnisse auf deinem Album ein?
Imany: Um ehrlich zu sein, war das Album schon fertig, bevor die Terroranschläge passierten. Ich musste aber nicht auf diese Anschläge warten, um auf die Dummheit der gegenwärtigen Welt aufmerksam zu werden und das in meinem Album zu kanalisieren.

"Krone": Steckt hinter "The Wrong Kind Of War" ein bestimmtes Konzept?
Imany: Die Themen sind miteinander verwoben. Sogar wenn ich über Beziehungsenden oder den Frieden singe, geht es immer darum, für sich und andere ein besserer Mensch zu werden. Es geht bei mir stark um die Konflikte, die wir jeden Tag mit uns selbst austragen. In diesem Kontext kann man auch Themen wie die Liebe oder das Klima zusammenfassen.

"Krone": Du bist mittlerweile auch Mutter geworden. Wie hat dieses Ereignis dich und deine Sicht auf die Welt verändert?
Imany: Manchmal überlegte ich mir schon, ob es nicht ein Verbrechen war, ein Kind in diese verrückte Welt zu gebären. Manchmal fühle ich mich einfach schuldig. Mein Sohn ist noch ein Baby, aber er fragt mich immer wieder etwas und ich habe oft keine Antworten darauf. Seit der Geburt meines Sohnes bin ich selbstsicherer und schere mich weniger darum, was die Menschen über mich denken. Und vertrau mir - für ein ehemaliges Model ist das gar nicht so einfach. (lacht)

"Krone": Bist du prinzipiell eine Person, die viele Veränderungen in ihrem Leben braucht? Nachdem du schon in mehreren Ländern wohntest und verschiedene Jobs in allen möglichen Bereichen ausgeübt hast.
Imany: Ich brauche sie nicht unbedingt, aber ich denke, dass mir das einfach so passiert ist. Ich habe nichts davon geplant und ich bin jemand, der lieber ja als nein sagt. Dadurch öffneten sich viele Türen, aber es wurde nicht immer ein Erfolg daraus. Von meinen Fehlern und dem Scheitern zwischendurch hörst du aber nach außen nichts, das ist das Gute daran. Ich bin jemand, der fest daran glaubt, dass man in einem Leben viele verschiedene "Unterleben" leben kann.

"Krone": Gibt es noch andere "Unterleben", die dich für die Zukunft interessieren würden? Gebiete, die du noch nicht beackert hast?
Imany: Ich würde sehr gerne ein Buch oder ein Drehbuch für einen Film schreiben. Ich könnte mich auch als Schauspielerin oder Regisseurin vorstellen, würde gerne etwas designen. Ich habe keine Angst vor anderen Bereichen.

"Krone": Was sollen die Leute denken und fühlen, wenn sie "The Wrong Kind Of War" hören?
Imany: Ich hoffe einfach, dass ihnen das Album gefällt. Sie sollen sich von mir inspiriert fühlen und glücklich sein. Es ist auch okay, wenn sie ein bisschen deprimiert davon sind, das gehört zu den menschlichen Emotionen dazu. Es gibt da einen schönen Satz dazu, ich habe nur vergessen, wo ich ihn gelesen habe: "Es ist schön zu leiden, wenn man in einer guten Verfassung ist, denn das bedeutet, dass man lebt".

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