Starkes Alterswerk

Iggy Pop: Rückkehr in die musikalische Bedeutung

Musik
18.03.2016 15:54

Der "Godfather Of Punk" hat es uns in den letzten Jahren nicht leicht gemacht, doch mit Stoner-Rock-Topstar Josh Homme an seiner Seite gelang Iggy Pop mit "Post Pop Depression" sein vielleicht bestes Album seit fast 40 Jahren. Nur schade, dass die Frischzellenkur nicht in kompletter Besetzung nach Wien kommt.

(Bild: kmm)

Selbst gestandene Musiker kriegen schlottrige Knie, wenn einer der letzten überlebenden Dinosaurier des Rock-Business zur Zusammenarbeit ruft. Iggy Pop, mittlerweile stolze 68 Jahre alt und optisch mehr Leder als Fleisch und Gewebe, schrieb Queens Of The Stone Age-Mastermind Josh Homme im Jänner 2015 eine SMS, ob dieser nicht an einer Kooperation interessiert wäre - dass dieser nach anfänglicher Skepsis ob der Echtheit der Nachricht in sofortige Erregung geriet, ist die logische Schlussfolgerung daraus. Keine Spur von Müdigkeit beim Altmeister, der mit seinen am Chanson angelehnten Alben "Préliminaires" (2009) und "Après" (2012) mehr verstörte als verzückte und wie viele seine Altersgenossen auf der Bühne nur mehr von seiner eigenen Legende lebte.

Später Glücksfall
Vielleicht war es die Bewunderung für die frechen Stoner-Riffs von Homme, die trotz allen Bemühens am Mainstream vorbeizuschrammen, doch immer den Massengeschmack treffen. Vielleicht war es aber auch eine Panikattacke, die eigene Legende kurz vor dem 70er nicht noch weiter anzupatzen, und das kompositorische Steuer lieber an die jüngere, frischere Generation abzugeben. Was auch immer James Osterberg dazu trieb sich aus seinem beschaulichen Domizil in Florida in die staubigen kalifornischen Wüsten zu begeben, um sich mit Homme, Gitarrist Dean Fertita und Arctic Monkeys-Schlagzeuger Matt Helders zwei Wochen im Studio in Joshua Tree einzuschließen - es ist ein unheimlicher Glücksfall für Fans des Amerikaners und guter Rockmusik im Allgemeinen.

"Post Pop Depression" ist nicht nur eine vertonte Liebesbeziehung von zwei leidenschaftlichen Musikern, die sich zum platonischen Koitus verabredet haben, sondern auch eine Bestandsaufnahme der aktuellen Stimmungslagen der beiden Hauptprotagonisten. "Wir sind keine Reinkarnation von Cream oder Emerson, Lake & Palmer", stellte Josh Homme in einem Interview mit der "Welt" unlängst klar, "wir sind einfach Iggys kleine Band für sein neues Album. Er ist der Boss, er hat die Ideen. Alles Inhaltliche stammt von ihm". Wer die Karrieren der beiden beobachtet hat weiß natürlich, dass die Fronten nicht so klar aufgeteilt sind. Es braucht Hommes Kreativität und seine Ehrerbietung dem großen Iggy gegenüber, um das gemeinsame Produkt zu einem der spannendsten Alben des bisherigen Jahres gedeihen zu lassen.

Reise nach Berlin
Von der einstigen "Raw Power" der kultigen Stooges ist auf "Post Pop Depression" nicht viel übrig - wie es der Titel bereits andeutet ist Iggy heute demütiger und nachdenklicher geworden. Stimmfärbung und musikalische Umsetzung sind bewusst dunkel gehalten und schon von den ersten Klängen des Openers "Break Into Your Heart" an ist ganz deutlich zu erkennen, dass Iggy einen Teufel tut, seinen ungewollten Superhit "The Passenger" ausreizen zu wollen. In vielen Passagen klingt er nach seinen Top-Zeiten in den späten 70er-Jahren und die in punkto Kreativität unerreichte Berlin-Zeit beschwört er nicht nur beim entrückend-wechselhaften "German Days" herauf. Stimmlich erinnert er mitunter an die intensiv-zerbrechliche Leistung von David Bowie auf dessen Abschiedsmonumentalwerk "Blackstar", was im Nachhinein betrachtet wie eine magisch-spirituelle Verbindung wirkt.

"Post Pop Depression" ist kein wütender Punk-Bastard, kein ausgestreckter Mittelfinger, der sich ins Gesicht des Establishments drückt, sondern eine fein nuancierte, fast durchgehend im balladesken Mid-Tempo gehaltene Altersrockplatte, die gerade durch die junge Instrumentalfraktion trotz aller Anklänge an die Nostalgie nie den Bezug zur Gegenwart verliert. Die Wut der alten Tage lässt Pop übrigens ganz am Ende bei "Paraguay" noch einmal kurz anklingen, was die Hoffnung nährt, dass dieses ungemein vitale All-Star-Gebräu zumindest kein Schlusspunkt sein wird. Songperlen wie "American Valhalla" oder das ungewohnt eingängige "Gardenia" gehören schließlich auch zum Eindrucksvollsten, was das Musikjahr bislang so zu bieten hatte.

Live in Wien
Am 4. Juni wird Iggy Pop auf der Donauinsel beim Rock In Vienna für Stimmung und Nostalgie sorgen - nur leider ohne Homme und Co. Tickets für die Show gibt es im "Krone"-Ticketshop und unter 01/588 85-100.

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