"Krone"-Interview

Ian Gillan: “Magst du Musik, bist du mein Freund”

Musik
04.02.2015 17:00
Ende März kommt die erfolgreiche "Rock Meets Classic"-Reihe für zwei Konzerte auch wieder nach Österreich. Dieses Mal an Bord: Deep-Purple-Legende Ian Gillan, Italiens Rockröhre Gianna Nannini, der wieder gesundete Status-Quo-Gitarrist Rick Parfitt und viele mehr. Wir haben uns im Vorfeld mit Ian Gillan über seinen Zugang zu klassischer Musik, die Besonderheit einer All-Star-Besetzung, seine sozialen Projekte und die Zukunft von Deep Purple unterhalten.
(Bild: kmm)

"Krone": Ian, im März bist du mit vielen anderen Topstars für die "Rock Meets Classic"-Tour in der Wiener Stadthalle. Du warst schon ein wichtiger Teil des Line-ups 2011 und 2012. Was war deine Hauptmotivation, wieder einzusteigen?
Ian Gillan: In erster Linie liegt das daran, dass ich unheimlich viel Spaß dabei habe und sich wirklich überhaupt nichts mit einer Deep-Purple-Tour vergleichen lässt. Ich hatte schon immer Interesse an solchen Geschichten, denn schon als Kind habe ich mir immer die großen amerikanischen Künstler angesehen, wenn sie nach England gekommen sind. Das waren die sogenannten "Package-Tours". Meine erste professionelle Tour hatte ich mit Roger Glover 1965 unter dem Namen Episode Six und da war auch Dusty Springfield mit an Bord. Wir waren in beiden Teilen der Show für ein paar Minuten aktiv daran beteiligt. In gewisser Weise ist "Rock Meets Classic" auch so etwas wie ein Indoor-Festival, weil du auch Fans verschiedenster Künstler begrüßen kannst. Musikalisch gibt es auch nichts Obskures oder Improvisiertes, sondern ausschließlich Material, mit dem jeder Fan bereits in Berührung kam. Es ist so, als ob man bei einer großen Party wäre.

"Krone": Hast du auch eine persönliche Verbindung zu deinen Mitmusikern?
Gillan: Orchester-Leiter Mat Sinner, der das seit Jahren in die Hand nimmt, kenne ich mittlerweile besser und auch mit Rick Parfitt von Status Quo habe ich schon viel Zeit verbracht. John Wetton von Asia kenne ich, aber Eric Martin von Mr. Big ist mir unbekannt.

"Krone": Warum hast du dieses Paket nach der 2012-Tour verlassen?
Gillan: Oh Mann, das kannst du nicht jedes Jahr machen. (lacht) 2013 haben wir auch das aktuellste Deep-Purple-Album gemacht und hatten immer wahnsinnig viel zu tun. Wenn es hart auf hart geht, sind Deep Purple natürlich immer noch mein Hauptjob. (lacht)

"Krone": Interessant ist, dass das "Rock Meets Classic"-Projekt hauptsächlich in Mitteleuropa unterwegs ist. Wäre das nicht prädestiniert für England, das Mutterschiff der europäischen Popkultur?
Gillan: Ich bin sogar ziemlich sicher, dass das gut funktionieren würde. Als ich das erste Mal mitmachte, waren auch die Hallen noch ziemlich klein – mittlerweile spielen wir in den ganz großen Arenen. Ich bin überzeugt davon, dass die Fans dieses Paket auch in England annehmen würden.

"Krone": Du warst selber schon mit Deep Purple unzählige Male in Österreich. Hast du besonders starke Verbindungen zu uns?
Gillan: Natürlich, sogar unzählige. Ich habe mich übrigens erst unlängst mit einem guten Freund über meine Vergangenheit unterhalten. Ich erinnere mich daran, wie ich das erste Mal die Welt bereiste und den Eiffelturm, das Opernhaus in Sydney, den Grand Canyon und den Berg Fuji gesehen habe. Beim zweiten Mal wollte ich mich nicht wiederholen und habe mir die Museen, historischen Plätze und die Architektur der Länder genauer angesehen. Über die Jahre habe ich im Musikgeschäft, bei den Journalisten und den Fans auch in Österreich ein paar wirklich gute Freunde gefunden. Wenn ich bei euch bin, dann treffe ich mich stets mit meinen engeren Freunden, um beim Dinner über Fußball, Politik, Familie und tagesaktuelle Themen zu sprechen. Darauf freue ich mich schon jetzt wieder.

"Krone": Wie steht es um deine persönliche Verbindung zur klassischen Musik?
Gillan: Zu Klassik habe ich eher weniger Zugang, aber viel mehr zu orchestraler Musik. Mein Großvater war Sänger und ich bin mit der Oper aufgewachsen. Ich war als Kind schon als Sopranist im Kirchenchor, Musik war also schon damals ein großer Teil meines Lebens. Dann kam ich von diesem Weg etwas ab, aber Jon Lord brachte mich wieder zu den Konzepten orchestraler Kompositionen zurück. 1969 haben wir in der Royal Albert Hall mit dem Philharmonic Orchestra gespielt und das war eine unfassbare Erfahrung. Das hat mich und meinen Geist erweitert. Das hat mich sogar so weit gebracht darüber nachzudenken, wie wir die Musik von Deep Purple erweitern könnten, weil die Strukturen unseres Sounds schon gut mit Orchestern kombinierten. Um diese Welt der Musik zu verstehen, brauchst du mehr als ein Leben, weil es so unendlich viel zu entdecken gibt. Die Einstellung des Orchesters ist unendlich wichtig, weil die Leute nicht die Möglichkeit haben zu improvisieren. Sie müssen das spielen, was ihnen die Notenblätter vor ihnen verraten. Sie müssen also dem Takt des Leiters folgen und ihren Sound in den Kontext jedes anderen Instruments auf der Bühne setzen. Mat Sinner ist der musikalische Chef und muss alles kontrollieren – eine Wahnsinnsaufgabe, um die ich ihn gar nicht mal beneide. Für die Fans ist die Kombination aus Rock und Orchester-Musik natürlich eine Wucht. Es ist, als ob du einen Zirkus besuchen würdest. Rock- oder Pop-Fans haben mit Orchestern im Prinzip kaum etwas zu tun, deshalb ist dieser Abend auch für alle etwas Besonderes.

"Krone": Von den Rockern auf der Bühne muss aber auch jemand den Boss geben. Ist das deine Rolle?
Gillan: Ich mache doch einfach nur mein Ding. (lacht) Ich kann es nicht oft genug betonen und auch nicht beschreiben, wie unterschiedlich solche Abende zu einem Deep-Purple-Konzert verlaufen. Die einzige Gemeinsamkeit für mich ist, dass ich bei beiden singe. Hier gehe ich einfach auf die Bühne und singe meine Parts – alles ist extrem professionell organisiert und vorbereitet und wir müssen nirgendwo improvisieren. Bei einer Deep-Purple-Show weißt du niemals, was passieren wird – hier weißt du dafür exakt, was dich erwartet.

"Krone": Gibt es auch Ähnlichkeiten zwischen einem Rockstar wie dir und einem Orchester?
Gillan: Musiker sind Musiker – da gibt es von Grund auf schon Gemeinsamkeiten. Wenn du ein Instrument beherrscht oder Musik magst, dann bist du mein Freund.

"Krone": Wie viel Zeit bleibt euch vor der "Rock Meets Classic"-Tour zum Proben?
Gillan: Ich denke, es sind drei Tage für das gemeinsame Proben eingeplant, als Sänger stoße ich wahrscheinlich erst am letzten Tag dazu. Ich habe meinen Teil gut gelernt. (lacht) Ich muss mir dann nur sicher sein, dass die anderen mit meinem Teil zufrieden sind. Jeder von uns ist ein absoluter Vollprofi und weiß, was zu tun ist. Ich denke, es ist alles eine Frage des Ausdrucks und des Zusammenhalts, wie wir die Show von der Bühne herab projizieren werden. Wenn die Details im Vorfeld gut geplant sind, sind kaum Proben nötig.

"Krone": Kannst du schon verraten, welche Songs ihr spielen werdet?
Gillan: Um ganz ehrlich zu sein – ich kann mich nicht wirklich erinnern, aber wir haben eine Shortlist der Songs. Das Wichtigste, was alle wissen müssen – wir haben absolut eingängige, bekannte Songs. Nicht so wie bei Deep Purple, wo wir schon mal auf Seltenes oder Obskures zurückgreifen.

"Krone": Im August wirst du deinen 70. Geburtstag feiern. Gehst du diesem Datum mit etwas Angst entgegen?
Gillan: Ach, die Leute haben mir zu jedem runden Geburtstag seit dem 30er gesagt, dass ich mich fürchten solle. Von Jahr zu Jahr werde ich etwas unruhiger, wenn ich spät nachts draußen spaziere und sonderbare Geräusche am Gehsteig höre. Abgesehen davon bin ich in Topform und genieße das Leben. Mein Leben ist voller Arbeit und Pläne und ich fühle mich gut dabei. Ich denke nicht ans Alter oder bestimmte Zahlen. 70 ist mit Sicherheit ein Meilenstein und ich sollte wohl alt sein, aber darüber denke ich nicht mehr nach.

"Krone": Warum sind aber gerade so viele ältere Rockstars wie du in so bestechender Form? Mit dem durchschnittlichen Rocker-Lebensstil gleichgesetzt, widerlegt das im Prinzip jede Gesundheitstheorie.
Gillan: Das ist verrückt, oder? (lacht) Ich weiß es auchs Interesse an allen Dingen in ihrem Leben verlieren. Sie leben dann auch nicht mehr lange. Ich denke, es kommt stark auf deine psychische Haltung zu diesem Thema an. Du hörst es ja auch oft von Ärzten – wichtiger als Operationen oder Medikamentenbehandlungen ist der menschliche Wille, leben zu wollen. Zielstrebigkeit ist denke ich ein wichtiger Teil dieses Gesundseins im Alter.

"Krone": Vor einigen Jahren hast du mit Black-Sabbath-Gitarrist Tony Iommi das Projekt Who Cares gegründet. Die Einnahmen hast du armen Leuten in Armenien zukommen lassen, eine Herzensangelegenheit von dir. Wie läuft dieses Projekt gegenwärtig?
Gillan: Etwa Anfang Oktober 2014 konnten wir in Armenien eine Schule eröffnen und ich habe dem Direktor eine Nachricht geschrieben. Da wir von einer Purple-Tour aus den USA heimkehrten und ich Familienangelegenheiten zu regeln hatte, konnte ich leider nicht persönlich vor Ort sein. Alles funktioniert dort hervorragend und ich habe zumindest monatlichen Kontakt mit der Schule. Außerdem schicken wir immer wieder Instrumente hin, damit die Kinder spielen können. Alles läuft bestens.

"Krone": Wirst du musikalisch mit Tony auch wieder etwas unter dem Banner Who Cares machen?
Gillan: Ich hoffe schon, aber wir haben derzeit beide so gut wie überhaupt keine Zeit, weil unsere Hauptbands einfach irrsinnig viel Zeit fressen und nach wie vor gut laufen. Das Who-Cares-Projekt lief ohnehin nur an, weil wir zusammen mal was getrunken haben. Vielleicht gibt es das nächste Album einfach dann, wenn wieder etwas komplett Spontanes passiert. Wer weiß? (lacht)

"Krone": In einem Interview mit dem "Rolling Stone" hast du auch bezeugt, dass das Kriegsbeil mit deinem langjährigen Intimfeind und Ex-Deep-Purple-Gitarrist Ritchie Blackmore von deiner Seite aus begraben ist. Kann das als Anflug von Altersmilde gewertet werden?
Gillan: Das stimmt, ja. Ruhiger geworden bin ich mit ungefähr 30, seither hat sich nichts mehr daran geändert. Bei Ritchie hat das vielleicht etwas länger gedauert. Ich habe mich lange nicht zu diesem Thema geäußert und je ruhiger du bist, umso interessanter wird es für die Leute draußen. Umso obskurer werden die Gerüchte rundherum. Ich habe ihm ein paar Briefe und E-Mails geschickt, wir haben nicht direkt miteinander gesprochen, aber ich bin sehr glücklich damit, wie es derzeit läuft. Das Karma passt zwischen uns und ich wünsche ihm nur das Beste. Die Vergangenheit ist vorbei und wir schauen einfach nach vorne.

"Krone": Das klingt ja fast nach einer Zusammenarbeit in der Zukunft.
Gillan: Das glaube ich wieder weniger. Dafür müssten wir noch weiter über unsere Schatten springen. Der Friede, der zwischen uns zurzeit herrscht, ist ein wirklich großes Ding, das war auch nicht einfach. Zusammen zu arbeiten oder was aufzunehmen? Das sehe ich ehrlich gesagt nicht kommen.

Fix kommt dafür die "Rock Meets Classic"-Reihe nach Österreich. Am 22. März in die Linzerarena und am 23. März in die Wiener Stadthalle. Tickets für das einmalige Ereignis erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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