Band-Hype

Hinds bringen Girl Power auf das Summerville

Musik
05.08.2016 17:00

Mit ihrem Debütalbum "Leave Me Alone" zählen die Spanierinnen von Hinds zu den Aufsteigern des Jahres. Ihr mit Punk-Zitaten verstärkter Garage-Rock in bester "All-Girl-Band"-Manier sorgte im Jänner für ein restlos ausverkauftes Wiener B72 - jetzt kehren Perrote, Cosials und Co. endlich wieder zurück, um neben Milky Chance, Zaz und Peter Doherty am Summerville in Wiesen zu spielen.

(Bild: kmm)

"Krone": Euren Bandnamen musstet ihr aus rechtlichen Gründen von Deer (Hirsch) auf Hinds (Hirschkuh) umändern - wirklich charmant ist er aber nicht.
Carlotta Cosials: Findest du nicht? Ich sehe das anders.
Ana García Perrote: Der Name ist sehr süß, feminin, stark und loyal - außerdem ist das Tier ziemlich groß. (lacht) Im Prinzip standen wir immer schon auf den Namen Deer - da dieser nicht mehr möglich war, wollten wir einfach einen anderen kurzen, prägnanten Namen haben. Wir haben uns sogar Namen wie "Fears" oder "Tears" überlegt, nur um den Klang der ursprünglichen Idee am Leben zu lassen. Außerdem schwingt dabei so etwas Maskulin-Feminines mit - und der Name ist charmant. (lacht)

"Krone": Als ihr die Band 2011 gegründet habt, wart ihr nur zu zweit. Wie verliefen die ersten Jahre?
Cosials: Wir waren nicht wirklich aktiv und sind erst vor drei Jahren zu einer Band geworden. Anfangs haben wir nur ein paar Coversongs gemacht, aber im Winter zwischen 2013 und 2014 haben wir uns dazu entschlossen, eigene Songs zu schreiben. Zuvor haben wir zwei Demos gemacht und wussten direkt nach den Aufnahmen, dass wir eine richtige Band werden müssten. Unsere Schlagzeugerin Amber haben wir via Internet gefunden und Ade war ohnehin unsere beste Freundin und wir haben sie von Gitarre zum Bass verschoben.

"Krone": Ihr seid schon relativ früh in London aufgetreten.
Cosials: Ja, das war unser viertes Konzert. Als wir unsere Songs ins Internet stellten, ging alles ganz schnell und wurde etwas verrückt. Wir hatten plötzlich E-Mails von Promotern, Plattenfirmen und Booking-Agencies, auch Manager haben sich angeboten. Wir haben einfach alle Möglichkeiten, die uns das Leben geboten hat, genutzt. Wir sollen unsere Songs in London präsentieren? Okay, machen wir. Dass wir dabei unendlich viel Geld verloren haben, war uns damals relativ egal. (lacht)
Perrote: Derzeit sind wir in der Position, dass wir zumindest mit Null aussteigen und keine Verluste mehr machen.
Cosials: Wir wollten eben tapfer sein und haben all diese Möglichkeiten so schnell wie möglich genutzt.

"Krone": Schon sehr früh wurde die renommierte Indie-Presse wie "Pitchfork" oder "Gorilla vs. Bear" auf euch aufmerksam. Wie wichtig war diese frühe Aufmerksamkeit, um Türen zu öffnen?
Perrote: Natürlich sehr wichtig, denn auch heute lernen dich die Menschen kaum ohne Medien kennen. Würde ich nicht selbst in der Band spielen, hätte ich auch niemals von Hinds gehört. (lacht) Es geht heute nur mehr um Internet-Rezensionen, Bandcamp- und Facebook-Seiten und Freunde, die dich online weiterempfehlen. Da es aber viele Leute gibt, die nicht den ganzen Tag nach neuer Musik suchen können, sind Meinungen von Magazinen und Webzines immer noch essenziell.

"Krone": Es gibt unendlich viele Bands und Künstler, die ihre Musik im Internet feilbieten - warum sind die Menschen gerade auf euch so abgefahren?
Cosials: Das muss wirklich an der Musik liegen, gerade weil es so viele gute Bands gibt, haben wir anscheinend einen Nerv getroffen. Zudem arbeiten wir wirklich hart und sind extrem organisiert. Wir haben nicht diese Künstler-Attitüde wie andere, die Soundcheck machen und sich dann bis zum Gig verkriechen. Wir sind immer im Einsatz, überall involviert und bemüht, alles komplett zu erledigen. Es gibt einfach nichts, an dem wir nicht selbst beteiligt sind. Wir schleppen auch die Instrumente und das Merch durch die Gegend.
Perrote: Wir lassen uns nicht dreinreden und vertrauen unseren eigenen Meinungen. Das ist auch ein Grund, warum unser Debütalbum "Leave Me Alone" heißt - wir wissen genau, wie wir etwas haben wollen und dafür kämpfen wir. Unser Team respektiert das mal mehr und mal weniger, aber sie haben schnell gesehen, dass das unsere Art ist zu arbeiten. Die Leute von Plattenfirmen sind meistens etwas älter und auch festgefahrener, was ihre Visionen betrifft. Wenn wir also eine verrückte Idee haben, dann werden wir sie über kurz oder lang durchboxen. Das ist natürlich schwierig, weil wir insgesamt drei Labels haben.
Cosials: Du musst aufpassen, wie du dich verhältst. Viele Künstler ertappen sich nach Jahren, dass sie eigentlich nur für die Musikindustrie gearbeitet haben und selbst zu kurz gekommen sind. Wir sind Fans von Musik und haben so viele Stunden und Geld für Konzerte verbraucht, dass wir so eine Band sein wollen, wie diejenigen, die wir bewundern.
Perrote: Ein gutes Beispiel war zum Beispiel die Release-Show, die wir in London machten. Das sollte unsere Party werden, also haben wir beschlossen, wer schlussendlich auf die Gästeliste kommt. Ein paar Tage zuvor haben wir eine normale Show in London gespielt und zu einem Limbo-Dance-Contest aufgerufen. Die Gewinner bekamen Tickets für die ausverkaufte Release-Show. Das war einfach eine coole Aktion, die uns und auch den Fans gefallen hat. Natürlich kam das Label und meinte, wir müssten diese und jene Journalisten und Fotografen von wichtigen Magazinen einladen, aber auch wenn es uns am Ende schwerfiel, wir haben es nicht gemacht. Wir wollten dafür keine Fans opfern, die gerne zu unserer Show kommen, das kam für uns nicht in Frage. Es klingt dämlich, aber dafür mussten wir wirklich kämpfen und haben dabei bewiesen, dass wir uns durchsetzen können.

"Krone": Weder eure Heimatstadt Madrid, noch Spanien selbst sind als musikalische Hotspots bekannt. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus diesem Standortnachteil, den man gegenüber London oder Berlin hat?
Cosials: Wir haben die Vorteile schon immer aus den gegebenen Nachteilen gezogen. Als Band aus Madrid ist es für gewöhnlich unmöglich, außerhalb der Landesgrenzen eine Rezension für ein Album oder ein Demo zu bekommen. Ohne Album bist du sowieso nichts wert und niemand riskiert es, dich ins Radio zu geben. Die restliche Welt ist in vielen Bereichen einfach fortgeschrittener als Spanien, schließlich gibt es international viele kleine Radiostationen, die sich nicht darum scheren, ob du eine Million oder nur drei Klicks auf YouTube hast - das wäre bei uns unmöglich.
Perrote: Der größte Nachteil sind zweifellos die Kosten. Wir müssen von hier aus überall hinfliegen und wenn wir ein paar Tage in London sind, sind wir abgebrannt. Die Preise kannst du dort ja niemals mit Madrid vergleichen. Für einen Spanier sind europäische Großstädte kaum leistbar. (lacht) Würden wir in London leben, könnten wir an einem Tag eine Fotosession machen, am nächsten zwei Radiointerviews, am dritten die Promo-Show. So mussten wir natürlich extra rüberfliegen und alles, ohne eine ruhige Minute zu finden, in wenigen Tagen runterbiegen. Wir freuen uns dennoch schon auf das nächste Mal.

"Krone": Werdet ihr früher oder später nicht einmal in eine solche Musikmetropole ziehen müssen, wenn ihr größer und bekannter werdet?
Perrote: Nein, denn jetzt können wir uns wenigstens die Flüge leisten. (lacht)

"Krone": Ihr seid schon früh im Vorprogramm von Bands wie den Vaccines oder den Libertines aufgetreten. Wie wichtig war das für eure eigene Karriere?
Cosials: Völlig unwichtig. (lacht) Natürlich ist es cool, wenn du mit solchen Bands auftrittst, aber es bringt dir nichts. In Radiointerviews machst du gute Miene zum Spiel, aber was bringt es uns nachhaltig? Wir haben mit den Libertines oder den Black Lips vor 6.000 Leuten gespielt und hatten am nächsten Tag zwei Facebook-Likes dazugewonnen. Mit den Glass Animals hat es funktioniert, aber die waren nicht so groß und da fielen wir nicht so ab. (lacht)

"Krone": Eine ehrliche und unerwartete Antwort! Konntet ihr euch andere Sachen von diesen Größen abschauen? Wie zum Beispiel Bühnenverhaltensweisen und dergleichen?
Perrote: Das auf jeden Fall. Wir nennen uns selbst eigentlich "Little Hinds", weil wir uns auf Tour wie kleine Kinder aufführen. Wir sind neugierig, interessieren uns für die Mechanismen und hinterfragen alles. Wie arbeitest du mit dem Verstärker? Welche Art von Van ist für eine lange Tour geeignet? Wie viel hat das gekostet? Wir sind eben Fans und wollen einfach alles wissen.
Cosials: Du lernst wirklich interessante Dinge. Die Black Lips etwa haben mich schon am ersten Tag davor gewarnt, persönliche Kleidung mitzunehmen, weil du auf Tour einfach so viel verlierst. Also haben wir gleich 20 weiße Shirts eingepackt und vielleicht nur je ein oder zwei persönliche Sachen und wenn du dann unterwegs bist merkst du erst, wie wichtig solche Tipps tatsächlich sind. (lacht) Du lernst einfach jeden Tag dazu.

"Krone": Für euer Debütalbum "Leave Me Alone" gab es Pressestimmen wie etwa "das Pop-Phänomen des Jahres". Wie viel Druck bringen diese frühen Vorschusslorbeeren mit sich?
Perrote: Gar keinen, für uns ist das alles eher überraschend. Der Druck war auch nicht vor dem Album da, schließlich müssen wir selber wissen, was wir wie machen. Die Leute sind von dem Album durchwegs begeistert und das ist schon viel mehr als wir uns selbst jemals davon erwartet hätten. Das Album ist ziemlich verrückt, persönlich und chaotisch - das die Leute das mögen und offensichtlich auch so verstehen macht uns wahnsinnig glücklich.
Cosials: Unser Auftrag ist es jetzt, diese Energie allabendlich auf die Bühne zu übertragen. Wenn die Leute Hinds mögen und im Wiener B72 erstmals die Band sahen, ist das sicher auch in gewisser Weise speziell. Für uns und die Fans natürlich. Wir wollten natürlich zeigen, was wir können und für das nächste Mal positiv in Erinnerung bleiben.

"Krone": Ihr habt vorher davon gesprochen, dass ihr gerne euren Kopf durchsetzt. Lebt Hinds von einer kompromisslosen "Fuck You"-Attitüde?
Perrote:(lacht) Auf eine nette, sexy Art und Weise, ja. Wir sind offen für alles, aber ich denke schon, dass wir sehr gut einschätzen können, was für uns richtig ist und was nicht. Wir haben auch eigene Social-Media-Regeln. Bevor wir auf Facebook etwas rausposaunen überlegen wir uns, ob wir das auch einem Freund von Angesicht zu Angesicht zeigen oder erzählen würden. Stimmen wir zu, dann geht das raus, wenn nicht, dann überlegen wir lieber noch mal.

"Krone": Was ich an eurem Album sehr schätze ist die rohe, unmittelbare Produktion, die so ganz gegen die gängigen Trends gebürstet ist.
Cosials:(lacht) Wir haben unserem Produzenten damals für je drei Sekunden Songs von Bands vorgespielt, mit denen wir auf Tour waren und er hat sofort gesagt, dass die ganzen Produktionen zu opulent und automatisiert wären und mit uns nichts zu tun hätten.
Perrote: Er hat herumgeschimpft und gewütet, das war verdammt witzig. (lacht) Er hatte so eine extreme Einstellung und wir wollten unbedingt, dass das Album nach unserem Song "Bamboo" klingt, mit dem wir sehr zufrieden waren. Er verneinte aber. Wir wollten bewusst roh und unverbraucht klingen, aber wir haben dann wohl den undergroundigsten, DIY-Garage-Produzent und den verrücktesten Sound-Engineer engagiert. Der hat uns im Studio so angetrieben, dass wir noch heute darüber lachen müssen. (lacht) Er hat uns so roh produziert, dass es sogar uns zu viel war und wir nach Dienstschluss ins Studio sind, um Nuancen zu verändern - obwohl das Album natürlich immer noch roh klingt, war es einfach notwendig. Wir lieben Garage Rock auch deshalb so, weil es echte und handgemachte Musik ist. Das ist nicht so wie im Pop, wo du über Dinge singst, die gar nicht passiert sind.
Cosials: Warum singen Leute über Dinge, über die sie nicht einmal nachdenken? Wo ist da die Logik dahinter? Für mich ist Musik einfach etwas sehr Persönliches und natürlich Künstlerisches.

"Krone": Worüber singt ihr auf dem Album? Welche Themen haben euch beschäftigt?
Cosials: Wir haben teilweise auch Zusammenhänge, etwa das Intro zu "Chilli Town" mit dem Song "I'll Be Your Man". "Chilli Town" dreht sich um die Menschen in der ersten Reihe und "I'll Be Your Man" um die Leute, die ganz hinten stehen und viel Pech haben. Ich finde es schön, dass man solche Details nicht gleich realisiert, obwohl es dieselben Chords sind, die sich anders entwickeln. Wir haben damit eben einen Gewinner- und einen Verlierer-Song verbunden. (lacht)

"Krone": Könnt ihr nachvollziehen, dass man euch gerne direkt mit der Riot-Grrrl-Bewegung der 90er-Jahre gleichsetzt, wo Bands wie L7 oder Bikini Kill für Aufsehen sorgten?
Perrote: Ich kann das schon verstehen, immerhin sind wir eine Band, die rein aus Frauen besteht und in gewisser Weise auch Punk sind. In dem Sinne, dass wir ganz klar machen, was wir wollen und allen anderen ein herzhaftes "Fuck You" entgegenschleudern.

"Krone": Waren diese Bands Idole und Vorbilder für euch?
Cosials: Nicht direkt. Wir bewundern sie natürlich, aber wir wollten ihnen niemals nacheifern. Wir haben eigentlich erst nach der Bandgründung realisiert, was die Riot-Grrrl-Bewegung für Intentionen hatte und gegen welche Verfehlungen des Musikgeschäfts sie ankämpfte.
Perrote: Sie haben damals ihre Bands gegründet, um die Welt zu verändern, wir, um Musik zu machen. Als die Riot-Grrrl-Bewegung startete, war das Musikgeschäft im Sexismus versumpft und die Bewegung war notwendig - heute ist das glücklicherweise nicht mehr so schlimm und deshalb haben wir auch nicht diese Wut, die wir kanalisieren können. Wir können uns aber trotzdem in sie reinversetzen, weil du es damals als Girl-Band sicher unheimlich schwer hattest.
Cosials: Kathleen Hanna von Bikini Kill benötigte die Band und ihre Performance, damit ihr jemand zuhört und sie ihre Botschaften verbreiten kann. Natürlich wollen wir auch, dass uns alle zuhören, aber uns geht es rein um die Musik und nicht um die Message.
Perrote: Wir können den Sexismus heute glücklicherweise schon damit abwehren, dass wir uns einfach normal verhalten und nicht zwingend radikal sein müssen. Uns geht es einfach um die Freiheit, dass jeder tun und lassen kann, was er will. Wir müssen deshalb nicht laut schreien, die Musik spricht eigentlich für sich selbst. Es reicht schon, dass wir auf der Bühne abgehen und Crowdsurfen. (lacht)

"Krone": In näherer Zukunft werdet ihr eure Kräfte wohl für das Touren bündeln?
Perrote: Reisen, schwitzen, spielen, fliegen, schlafen. (lacht) Das sind auf jeden Fall die wichtigsten Pläne. Irgendwann einmal müssen wir das nächste Album schreiben. Ich weiß nicht, ob es bereits 2017 so weit sein wird, da spielen schließlich viele Faktoren mit. "Leave Me Alone" wollten wir auch schon im September 2015 veröffentlichen, aber die Plattenfirmen sagten nein. Also warten wir ab, wie es weitergeht. Jetzt ist einmal das Summerville dran.

Die große Premiere des Summerville Festivals findet am 12. und 13. August im burgenländischen Wiesen statt. Neben den Hinds sind auch Künstler und Bands wie Zaz, Peter Doherty, Damien Rice und Thees Uhlmann mit Band am Start. Alle Infos und Tickets unter www.summerville.at.

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