Österreichs 'Helden'

Herbstrock im Interview

Musik
11.02.2008 13:04
Mit der Handy-TV-Soap "Anna & Du" traten "Herbstrock" vor knapp einem Jahr zum ersten Mal österreichweit in Erscheinung. In 40 Folgen durchlebten die vier Bandmitglieder einen fiktiven Plot, der vom schwierigen Aufstieg der Wiener Combo im Musikbiz handelt. Die Realität war von der "Daily Comedy" gar nicht so weit entfernt: Fast anderthalb Jahre lag ihr Debütalbum "Ende:gut" beim österreichischen Musikgiganten Universal auf Eis, die "Versuchskaninchen-Band Österreichs" hielt sich derweil mit Gelegenheitsjobs über Wasser und spielte sich als Vorprogramm der Indie-Heroen "Heinz" die Finger wund - mit Erfolg! So nah an eine spruchreife "Österreich-Version" der germanischen Hitgaranten "Wir sind Helden" kam bis jetzt noch keiner heran.
(Bild: kmm)

"Man denkt sich zwar am Anfang, es wird ein schwerer Weg - aber wie schwer er wirklich ist, merkt man erst, wenn man ihn geht", sagt Anna Müller, Frontfrau von Herbstrock und Song-Texterin nach dem Vorbild der "Hamburger Schule" (in Richtung Tomte, Kettcar) oder auch "Element Of Crime". "Wir sind Helden", die Band, mit der man Sound und Wesen von Herbstrock am liebsten erklärt, zählen sie nicht zu ihren Vorbildern. Lobende Vergleiche sind aber jederzeit willkommen.

Herbstrock sind ein seltener Sonderfall in der heimischem Musiklandschaft: Ihre erste Single war dem Formatradio Ö3 zu kantig, dem gegenprogrammierten ORF-Sender fm4 war es "zu kommerziell". Doch am Ende halfen Sympathie und die eifrigen Fürsprecher, die der frische Sound von Herbstrock unter den mutigeren Radioleuten fand - seit Ende letzten Jahres klebt Ö3 auch mit Herbstrock als "Neue Österreicher" die Plakatwände zu.

Der lange Weg zum guten Ende
"Ende:gut", das Debütalbum von Anna (voc, git) und ihren Co-Musikern Sebastian (dr), Mathias (ba) und Thomas (git), hat einen langen Weg in die Charts hinter sich. Im Studio war man schon vor anderthalb Jahren, spielte ohne großes Budget 14 großartige Songs aus fünf Jahren Bandbestehen ein - und musste dann erst einmal fast 18 Monate auf den "Releasetermin" Feber 2008 warten. Die Plattenfirma Universal Music zögerte, testete den Markt mit der Debütsingle "1-2-3" und dem für den perkussiven, lässigen Sound der Platte weitaus repräsentativeren Song "Halt mich" den Markt ab.

Herbstrock übten sich inzwischen für die erste Mobile-TV-Soap "Anna & Du" als Schauspieler. "Am Anfang waren wir sehr skeptisch", erzählt Bassist Mathias. "Bei den ersten Drehbüchern haben wir überhaupt gleich gesagt, das mach' ma nicht. Da war's noch ganz arg auf Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten-Soap getrimmt." Anna fürchtete wiederum, auf dem falschen Weg bekannt zu werden: "Ich wollte, dass man uns als Band kennen lernt, nicht als Serien-Darsteller. Erst als dann Drehbücher der skurrilen Sorte kamen, wurde klar, dass wir's doch machen werden. Natürlich auch, weil's für eine junge Band eine Gelegenheit ist, mal 'Hallo' zu sagen."

Wie wichtig dieses "Hallo sagen" ist, wurde den Vieren ganz schnell klar bzw. klar gemacht: "Man muss gerade in Österreich als Band wissen, was man will und wo man hin will. Wenn wir nur dieses Indie-Ding hätten, dann würden wir's hier zu nix bringen. Du kannst nicht vor allem Angst haben, nur weil's ein bisserl größer is. Bei uns kann dich entweder Ö3 oder fm4 spielen - sonst sind ja eigentlich keine Möglichkeiten da. Das hat man uns relativ schnell beigebracht", sagt Anna. Und die Entscheidung war letztendlich klar. Dass man dafür auch die eigenen Positionen etwas verrücken muss, findet Bassist Mathias im Nachhinein okay: "Es war für uns nie das Ziel eine große 'Ö3-Band' zu werden, um auf dem super-komerziellen Weg groß zu werden. Wir spielen seit ein paar Jahren Konzerte und auf Indie-Festivals, bei 'Anna & Du' sind wir eben reingerutscht - und es is eh supa g'worden."

Versuchskaninchen waren Herbstrock übrigens nicht nur mit der Soap sondern auch mit ihrem neuen Video zu "Halt mich" (siehe oben). Bei den Dreharbeiten waren sie Testobjekte für eine Produktionsfirma, die mit einer sündhaft teuren High-Tech-Kamera ("Red Digital Cinema Cam") den Markt revolutionieren will. "Auf diese Kamera sind jetzt alle spitz. Die Produktion allein hätte 100.000 Euro gekostet", sagt Anna, die den anstrengenden Dreh noch in den Gliedern spürt. "Beim ersten Video hatten wir zwei Kameras, einen Regisseur und das Motto 'Geht scho' - spü' ma'. Dieses Mal waren's 40 Leute und überall Kameras. Allein am ersten Tag waren wir von sechs Uhr in der Früh bis zehn am Abend im U-Bahn-Schacht - bei null Grad und mit kurzen Leiberln!" 

Zwischen Callcenter und Bühne
Von der Musik leben können die Vier noch nicht. "Jetzt ist irgendwie gerade die Zeit der Schwebe, wo man nur wenig Zeit hat, andere Ding als Musik zu tun - trotzdem muss man noch Jobs machen, um sich über Wasser zu halten", erzählt Drummer Sebastian, der selbst als Tontechniker in einem Wiener Neustädter Studio jobbt. Anna, die zwischendurch ein Jahr an der Uni verbrachte, geht ins Callcenter: "Aber nur Markt- und Meinungsforschung, nicht dass da jetzt jemand auf andere Gedanken kommt…"

Bei Bassist Mathias geht’s gemütlicher zu. "I hab noch nie so viel g’arbeitet", lacht er, "aber was ich aufgeben hab müssen, war den Plan einen Plan zu finden." Wegen der schwer bis eben gar nicht zu verdienenden Brötchen stieg vor "Ende:gut" ihr erster Gitarrist aus. Der ehemalige Herbstrocker spielt jetzt in einer Austropop-Coverband – und verdient Geld. Wohl aber ohne das mit Sicherheit gute Gefühl, seine eigenen Songs unters Volk zu bringen. Als Ersatz kam Thomas, der "besser zu uns passt" und mit jazzigen Akkorden und eingängigen Hooks die Songs der Combo gehörig aufpeppte.

Brückenbauer zwischen Indie und "Kommerz"
Die strikte Trennung zwischen Ö3, fm4 und den jeweiligen Hörern ist in Österreich mindestens so eigen, wie die Tatsache, dass man bei uns den musikalischen Sprung vom Mundart-Austropop à la STS zu dialektfreien Klängen (noch) nicht geschafft hat. Beweis dafür ist, dass allzu konservative Kritiker Hochdeutsch singende Bands stets als "deutsch-deutsch" schubladieren. Beide Hürden haben Herbstrock überwunden. Obwohl sie schon "Neue Österreicher" waren, und damit quasi den Stempel von Ö3 trugen, wurden sie von den Wiener Indie-Heroen "Heinz" mit auf Tour genommen.

"Ich hatte am Anfang schon Bauchweh auf den Heinz-Konzerten, aber wir sind sofort akzeptiert worden", erzählt die Band, die 2007 über 40 Konzerte österreichweit spielte. Aber wovor hatte man Angst? Anna: "Na, dass sich die Heinz-Fans denken: Warum nehmen DIE 'Neue Österreicher' mit auf Tour? Die Heinz-Indie-Alternative-Urgesteine Österreichs, nehmen UNS mit! Aber das rechne ich auch Heinz sehr an, die scheißen sich da einfach nix. Und denen geht die Ö3-fm4-Trennung genauso auf den Geist." Und die bornierten Sprachpatrioten tun sich derweil schwer, "Ende:gut" mangelnde Identität anzukreiden. "Schau hin, schau her" – nicht "Sieh hin, sieh her" - ist nur ein Song von vielen, der in seinen linguistischen Spurenelementen verrät, wo er herkommt.

"Wir waren nie in einer Männerband"
Die obligatorische letzte Frage, die man einer Frontfrau im Beisein ihrer drei männlichen Kollegen stellen muss, ist natürlich: "Wie hältst du’s mit den Dreien aus?" Anna sagt dann das, "was ich immer sage": "Es is komplett wurscht. Wir kennen uns seit fünf Jahren - es war nie irgendwie komisch, dass ich jetzt ein Mädchen bin." Gitarrist Mathias kennt gar nichts anderes: "Wir haben vorher nie in einer Männerband gespielt, als wissen wir gar nicht, wie das sonst sein könnte", lacht er. "Das Niveau ist vielleicht etwas gehobener, wenn man eine Frau in der Band hat", meint Drummer Sebastian und hat doppelt Recht. Das Niveau, auf dem die junge Combo operiert, ist beachtlich hoch. Und sie haben erst angefangen…


Christoph Andert

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