Zweiter Tag

Frequency: Die mit den Wölfen rannten

Musik
22.08.2015 01:35
Ein Transparent mit der Aufschrift "Way To Madness" war beim Eingang zum FM4 Frequency Festival in St. Pölten aufgespannt. Und der Weg zum Wahnsinn, am Freitag konnte damit durchaus der Headliner The Prodigy gemeint gewesen sein, führte über viele Genres - etwa von Indie über Folk und Punk zum Rock und Hip-Hop. Das Wetter war am Tag zwei etwas gnädiger, sogar ein bisschen Sonne ging sich aus.
(Bild: kmm)

Abgesagt haben Echosmith wegen einer Erkrankung, dafür durften die Wiener Kids N Cats einspringen und das Treiben auf der Space Stage eröffnen, bevor die Münchner Electropop-Truppe Exclusive dort recht souverän das Kommando übernahm und zu ersten Tanzeinlagen vor der Bühne animierte. Parallel waren auf der Green Stage Circa Waves die ideale Festival-Nachmittagsbesetzung: Die Liverpooler spielten von Gitarren getriebenen Britpop der alten Schule, da kann man vielleicht künftig noch mehr erwarten.

Ruhepol am Festival
Ungewöhnliche Festivaltöne, nämlich extrem ruhige, erschallten am späteren Nachmittag auf der Space Stage: William Fitzsimmons bot mit intensiven, nachdenklichen Liedern, wunderbar sparsam und satt zugleich instrumentiert und mit viel Gefühl gesungen, einen akustischen Kontrast zum Happy-Sound. Auch das wurde angenommen, wenn auch von einer überschaubaren Masse. Halestorm waren ein bisschen ein Fremdkörper, zumal klassischer Rock mit melodischen Gitarrensoli am Freitag sonst kaum geboten wurde.

Irie Révoltés sind zwar nicht als Headliner zum Frequency gekommen, waren aber so etwas wie der Nachmittagshauptakt. Dem Geheimtipp-Status ist das Heidelberger Soundkollektiv längst entwachsen, sensationell war die Darbietung und die Stimmung: Die Mischung aus zahlreichen Genres kam ebenso an wie die Antifa-Botschaften der Gruppe um die Brüder Carlos und Pablo Charlemoine. Genauso wichtig wie die Musik ist der Band die Botschaft. Gegen rechte Strömungen und Ausländerfeindlichkeit hat man Stellung bezogen. Nach dem Song "Antifaschist" nahmen die Heidelberger von der Bühne herab klar Stellung: "In den 90ern haben Asylheime gebrannt, jetzt brennen wieder Asylheime. Nur weil die Politik nicht menschlich handelt. Kein Platz für Rassismus!" Das Publikum reagierte mit tosendem Beifall.

Geheimer Top-Act
Wesentlich dunkler war es währenddessen in der Halle auf der Weekender Stage, wo sich am späten Nachmittag aber ein besonderes Sound-Schmankerl in Szene setzte: das New Yorker Rock-Kollektiv The Last Internationale, das aufgrund von Reiseproblemen ein Set mit geborgtem Equipment absolvierte. Die hochexplosive Mischung aus Blues, Folk und Rock wurde mit zahlreichen politischen Statements und einem spontanen Bühnenauftritt von mehr als ein Dutzend nackten Menschen der "Naked Heart"-Aktion verstärkt. Fazit: Da kommt Großes auf uns zu.

Vor dem Österreich-Debüt von Kwabs war bei Frittenbude vor der Green Stage ein Kommen und Gehen. Allerdings kamen mehr als gingen, und so spielte die Electropunk-Band aus Deutschland doch noch vor einer adäquaten Ansammlung an Menschen. "Ich zähle bis drei, und dann macht jeder Lärm für sein eigenes Leben": Während die ersten Reihen die Wahl-Berliner hochleben ließen, wurde es nach hinten immer ruhiger. Auch ein Remix von "Killing In The Name Of" (Rage Against The Machine) konnte daran nichts ändern, und so blieben die im Gras sitzenden Zuhörer weiter bewegungslos - die eingefleischten Fans ganz vorne feierten dafür umso mehr. Songtechnisch bekam das Publikum einiges vom 2012 erschienenen Album "Delfinarium" zu hören sowie eine Kostprobe vom brandneuen "Küken des Orion".

Power und Chill-Out
Ausgelassene Stimmung herrschte vor der Space Stage bei Wombats und Simple Plan, nachdem das Folk-Duo Dawa aus Wien aufhorchen hat lassen. The Wombats brachten hymnenhaften, aber auch aalglatten Britpop, Simple Plan ebenso hymnenhaften und kantenlosen Poprock. Dass die Kanadier durchwegs auch auf altes Songmaterial setzen, kam beim wohl auch langsam in die Jahre kommenden Frequency-Publikum gut an. Ebenso gut wie bereits erwähnter Soul-Sänger Kwabs, der mit einer Mischung aus chilliger Atmosphäre und voller Power gleichermaßen zum Taschentuchzücken und Abtanzen animierte. Angetrieben von coolen Drums, konnte man zu jeder Nummer - der Hit "Walk" fehlte nicht - tanzen. Nun war es endlich dicht gedrängt vor der zweiten großen Bühne. Dort fühlte sich Kwabs sichtlich wohl.

Die gute Stimmung potenzierte sich nach kurzer Umbauphase, denn die kalifornischen Punk-Rock-Legenden The Offspring schickten sich an, das bunte Treiben auf der "Nebenbühne" mit einem explosiven Set zu beenden. Im Gegensatz zur Show beim Nova Rock 2014 lag der Fokus von Dexter Holland und Co. dieses Mal nicht auf einem einzelnen Album, sondern auf der opulenten Hitparade aus mehr als zweieinhalb Dekaden Bandgeschichte. "All I Want", "The Kids Aren't Alright" oder die legendäre Post-Grunge-Hymne "Self Esteem" - vor begeistertem Publikum reihte sich Kultsong an Kultsong. Auch der anfangs schlechte Sound besserte sich zusehends. Nach einer knappen Stunde war zwar etwas früh Schluss, zumindest kamen die stilistisch offenen Besucher damit aber in den Genuss, einem vollen Set der Headliner The Prodigy beiwohnen zu können.

So stark wie früher
Der Nebel wabert, die Bühne ist in rotes Licht getaucht, Keith Flint steht wie ein Hardcore-Punk-Sänger mit einem Bein auf einem Monitor und brüllt ins Mikro: "Run With The Wolves". Das sind The Prodigy, wie sie Fans seit den 90er-Jahren lieben: bissig. In der Nacht auf Samstag türmten die Briten wieder einmal ihre Breakbeats, Drums, Gitarren und Animationsgesänge auf.

Mastermind Liam Howlett hatte anlässlich der Veröffentlichung des neuen Albums "The Day Is My Enemy" seinen Unmut über Star-DJs laut geäußert, die Datenträger in die Anlage stecken und sich dann auf das Armeschwänken als "Show" beschränken. Bei The Prodigy gilt live tatsächlich als live: Howlett sampelte, zerstückelte, baute auf, riss nieder, begleitet von Schlagzeug und einer Gitarre, angetrieben von den beiden Animateuren, Tänzern, Sängern und Schreihälsen Flint und Maxim Reality. Ersterer durfte natürlich zündeln ("Firestarter"), letzterer die Hits "Breath", "Voodoo People" und natürlich "Smack My Bitch Up" einpeitschen.

Subversiv und wild
Dass die Breakbeat-, Acidhouse-, Techno- und Electronica-Pioniere aus Essex anno 2015 weiter Relevanz haben, bewiesen die neueren ("Omen", "Invaders Must Die") und ganz neuen Songs im Set. "Nasty", die musikalische Kriegserklärung an alle Befürworter der Fuchsjagd kam zornig, "Wild Frontier" rau und eben wild, "Roadblox" mit einem mächtigen Rhythmus. Im Vergleich zu den zuvor gehörten Beats am Festivalgelände klangen The Prodigy wie ein Gegenentwurf zur aktuellen Danceszene: böse, subversiv, altmodisch wie zeitlos, dreckig und vor allem fordernd und nicht nur berieselnd. Großartig das Finale: Die "Wall Of Death" ging in "Take Me To The Hospital" über - wie passend.

Die von Maxim immer wieder angesprochenen "Prodigy-People" hielten zwar bei gesunkenen Temperaturen wacker durch, voller schien das Gelände vor der Space Stage allerdings zuvor bei Nero (live). Zwei DJs und Sängerin Alana Watson fusionierten Dubstep, Drum and Bass, Electro House und Rave publikumswirksam, untermalt von viel Licht. Die Stimmung unter dem Partyvolk war am Brodeln. Zum Abschluss gibt es heute noch Linkin Park, Kendrick Lamar und Co. zu bestaunen.

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