Festival-Auftakt

Frequency: Bilderbuch und Deichkind triumphieren

Musik
19.08.2016 02:10

Bei Kaiserwetter ging das renommierte Frequency Festival am Donnerstag in seine 16. Runde. Bands wie Deichkind, Bilderbuch, Damian Marley oder M83 sorgten für die ersten Jubelstürme der doch spärlich vorhandenen Besucher. Ein musikalisch buntes Programm konnte nicht jeden restlos begeistern.

(Bild: kmm)

Die erwartete Partylaune zum Abschluss war am ersten Tag des Frequency Festivals in St. Pölten Deichkind zu verdanken. Mit der über Jahre bewährten Mischung aus Rap mit Technoanleihen und Humor waren die Hamburger eine sichere, aber fast zu souverän agierende Bank. Der "Tagessieger" auf der Hauptbühne, der Space Stage, sollte am Donnerstag dank der druckvollen Darbietung jedoch Bilderbuch heißen.

Obwohl Deichkind - wie schon bei ihrer letzten Show in der Wiener Stadthalle - auf tonnenweise Showeffekte wie herumfahrende Würfel, Fässer oder Schlauchboote setzte. Von den großen Hits fehlte natürlich nichts, MC Ferris und Co. zeigten sich in bester Partylaune und als willkommene, stets wiederkehrende Gäste auf österreichischem Boden. Die gut eineinhalbstündige Show ließ jedenfalls keine Wünsche offen und brachte das Publikum zeitweise zur Exstase.

Endlich ganz oben
Ein Grund dafür war sicher die Motivation der Österreicher, die ihr Sänger Maurice Ernst recht kantig definierte: "Uns gibt es seit elf verschissenen Jahren, und jetzt stehen wir hier auf dieser Bühne", lautete sein Kommentar zum verdienten Triumph der Oberösterreicher. Denn die derzeit am erfolgreichsten groovende Band heimischen Ursprungs zeigte mit ihrem bis zum Ende durchwegs gelungenen Gig, dass man sie ohne Bedenken zur Festival-Prime-Time auf die Zuschauer loslassen kann.

Insgesamt bot der Auftakt den Besuchern des VAZ-Geländes einen ausgewogenen musikalischen Mix: etwa Folk-Rock von den Lumineers aus den USA am frühen Abend auf der Hauptbühne, ebenso Härteeinlagen der australischen Metal-Corer Parkway Drive, oder verträumten, aber äußerst hymnischen Pop-Eskapismus der Franzosen M83 auf der kleineren Green Stage.

Konkurrenzloser Sieg
Parkway Drive verdienten sich zum Auftakt der zweiten Tageshälfte zumindest einmal den Titel "Berserker des Tages" - aber auch nur deshalb, weil sich ihnen im Bandreigen des ersten Tages keine Konkurrenz in der härteren Rocknische bot. Bei ihnen trafen melodische Gitarrenriffs auf den Schreigesang von Herrn Winston McCall - eine Kombi, die zumindest in den vorderen Reihen für gut befunden wurde. Von der Brachial-Magie der Australier ließ sich unlängst auch Formel-1-Fahrer Daniel Ricciardo mitreißen, der andernorts für einen Gastauftritt die Bühne enterte.

Der Besucherstrom zum Festivalgelände war gegen 20 Uhr inzwischen auf dem Höhepunkt angelangt. Ein Blick in den Himmel ließ zu diesem Zeitpunkt Sorge über die Wetterlage aufkommen, doch die Wolkenfront brachte nur ein paar Regentropfen und dazu leichte Abkühlung. Der erste musikalische Höhepunkt des Abends hieß dann auf der Green Stage M83. Die französischen Vintage-Elektroniker brillierten bei ihrem Festival-Debüt in Österreich.

Bunte Spielwiese
Die Formation mit dem Hang zu 70er-Synthie-Sounds ließ diese in St. Pölten anfangs erst einmal beiseite. In Bandformation war man angetreten, und zu Beginn ließ man der E-Gitarre den Vortritt, um dann die zugleich meist tanzbaren, wie auch hymnisch bis sphärischen Songs unter Mithilfe einer farbenfrohen Lichtshow zu präsentieren. Die eskapistische Spielart des Pop der Marke M83 wurde vom zunehmend euphorischen Publikum dankbar aufgenommen. Mit einem perfekten Finale verabschiedeten sich die Franzosen und verdienten sich so - zumindest unter den Connaisseuren - das Prädikat "superfantastisch".

Mit einem funkigen Beginn ließen dann Bilderbuch auf der Hauptbühne mit dem Song "Schick Schock" aufhorchen. Es gab auch Sambarhythmen bei "Karibische Träume", und die Band bewies mit ihrem Werk, dass sie die Pop- und Rockgeschichte gut kennt und es versteht, dieses Wissen auf dezente Weise zu ihren Gunsten zu verwenden. Eine Setlist ohne Hänger komplementierte den Auftritts-Triumph der 2005 gegründeten Band, die sich auch auf den ganz großen Bühnen sichtlich wohlfühlt und gut zurechtfindet.

Sohn huldigt Vater
Auf der Green Stage sorgten zwei stilistisch völlig konträr zueinander befindliche Künstler für den Tagesabschluss. Einerseits Deutschland Electro-Papst Paul Kalkbrenner, der als perfekter Nachfolger für die grellbunten M83 fungierte, andererseits Bob Marleys mit Abstand erfolgreichster Sohn Damian "Jr. Gong" Marley, der die bislang leer ausgegangene Reggae-Fraktion mit einer spannenden Mischung aus Reggae, Dub und Hip-Hop beglückte. Mit "Could You Be Loved" ließ der Mann mit den bodenlangen Dreadlocks in der Schlussphase das Vermächtnis seines Vaters aufblühen. Für Amüsement sorgte zudem ein eigens für die Show installierter Fahnenschwenker, der dem Jamaica-patriotischen Treiben noch die zusätzliche Würze gab.

Doch schon vor den großen Acts, gab es Action. Die Vorarlberger Indie-Hoffnung Mimo hatte bereits am Donnerstagnachmittag die undankbare Aufgabe, den Opener auf der Hauptbühne, der Space Stage, zu geben. Bei strahlendem Sonnenschein wurde dem Quartett während Anreisetätigkeiten der Frequency-Besucher noch wenig Aufmerksamkeit zuteil.

Aufgeweckt
Auch in heimischer Hand war die Green Stage, die beim diesjährigen Frequency von Tagträumer eröffnet wurde. Die im Vorjahr beim Amadeus zur Band des Jahres ernannten Steirer durften schon mehr Zuspruch genießen. Hier wogten bereits die Arme im Takt, und die Truppe bedankte sich für die Anwesenheit ihrer Zuschauer "zu dieser Uhrzeit, wo man eigentlich noch schlafen sollte. Chilliger Deutsch-Pop wurde als erster Stimmungsaufheller auf der kleineren Bühne zum Besten gegeben.

Keine Spur chillig hingegen der zweite Act auf der Hauptbühne. Mit SSIO stand harter Rap aus Deutschland auf dem Programm, und damit stieg die Stimmung auch hier gleich einmal beträchtlich an. "Heute ist Vatertag" ließ der gut gelaunte afghanischstämmige Hip-Hopper sein Publikum wissen. SSIO alias Ssiawash Sadat konnte sich heuer zum Jahresanfang mit seinem zweiten Album "0,9" erstmals an der Spitze der deutschen Charts platzieren. Entsprechend selbstbewusst gestaltete sich der Gig des durchaus mit Entertainerqualitäten ausgestatteten Herrn, der sich so als erstes Highlight auszeichnen durfte.

Beat-Stakkato
Miike Snow konnte die Stimmung auf der Space Stage nicht gleichermaßen am Kochen halten, doch die britischen Hitparadenstürmer Bastille vermochten einen Großteil des Publikums zu begeistern. Gut die Hälfte des Sets bestand aus neuen, vornehmlich unbekannten Nummern, die sich wohltuend vom kompositorischen Einheitsberei der Band abheben. Etwas mehr Ecken und Kanten könnte die Band dennoch vertragen. Die Green Stage wurde derweil in ein Bett aus Beats getaucht. Zuerst sorgte das neuseeländische Dub/Reggae/Soul-Kollektiv Fat Freddy's Drop für sonnige Top-Laune, bevor der derzeit stark gehypte US-Rapper G-Eazy ein weiteres Mal eindrucksvoll bewies, dass der Hip-Hop an diesem Tag federführend war.

Wesentlich abstrakter war dann schon der Auftritt von Klangkünstler Jack Garratt, dessen Debütalbum "Phase" heuer vor allem in England durch die Decke ging. Der Multiinstrumentalist bediente dabei geschickt Schlagzeug, Gitarre, Keyboard und alles andere, was nicht niet- und nagelfest am Boden verschraubt war. Bis zum Top-Hit "Worry" waren dann auch die Fans gut aufgewärmt. Ein Erfolgserlebnis war auch die österreichische Freiluft-Premiere für die britischen Folker The Lumineers, die mit bescheidenem Auftreten, zurückgezogenen Songs und tonnenweise Atmosphäre bewiesen, dass sie die legitimsten Nachfolger von Mumford & Sons sind. Dass sich Frontmann Wesley Schultz dann auch noch ins Publikum stürzte, potenzierte die Feierstimmung der immer noch karg vorhandenen Anwesenden.

Sicherheit geht vor
Über der 16. Ausgabe des Frequency schwebte neben der Musik samt kulinarischer Rundumversorgung diesmal auch das Thema "erhöhte Sicherheit", was sich durch mehr Personal und mehr Kontrollen bemerkbar machte. Für Harry Jenner, Veranstalter des FM4 Frequency, hat dies aber zu keinen Einschränkungen geführt: "Der Zustrom war flüssig", war die erste Bilanz von Jenner, der als musikalische Empfehlung für den noch nicht erwähnten Weekender Stage Seafret und OK Kid nannte. Nicht so flüssig war der Publikumsbesuch, der sich merkbar in Grenzen hielt, zudem mussten Jennifer Rostock für Freitag krankheitsbedingt absagen. Mit Parov Stelar, den Sportfreunden Stiller und Rudimental geht das Frequency aber frohgemut weiter.

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