Wiedergeburt

Fischer und Egli sei Dank: Schlager ist sexy!

Musik
28.06.2014 17:00
Generationswechsel im Schlager-Geschäft: Helene Fischer und Beatrice Egli, die schönsten Gesichter der neuen deutschen Schlagerwelt, erobern demnächst Österreich. Sie haben es geschafft, dass eine verstaubte Musikrichtung wieder sexy klingt und aussieht.
(Bild: kmm)

"Schlagersänger sind Leute, die immer schon Gesangsunterricht nehmen wollten, aber niemals dazu gekommen sind, und die es jetzt bleiben lassen, weil sie inzwischen berühmt geworden sind." So schonungslos verdammte einst der französische Schauspieler Jacques Tati eine ganze Branche.

Ins Zelt verbannt
Und lange Zeit flossen auch tatsächlich billige Schlagersongs in Massen vom Fließband, dargeboten von dressierten Marionetten, die einflussreiche Produzenten zu Heile-Welt-Vertretern stylten und mit Musik aus der Dose auf die Bühne schickten. Die Lieder handelten zwar von viel Herz und Sonnenschein, doch von echten Gefühlen war in Wahrheit nichts zu spüren – positive Beispiele natürlich ausgenommen. Deshalb ging es mit dem Ruf des deutschen Schlagers auch immer mehr bergab. Auf Feuerwehr- und Zeltfesten blieb er zwar en vogue, aber ansonsten versteckte man die Schlagersammlung lieber in der zweiten Reihe des CD-Regals.

Dort setzten sie und viele Interpreten langsam Staub an. Bis ein wahrer Wirbelwind die Schlager-Welt aufmischte: Der Tornado kam in Person von Helene Fischer. Zuerst war es allerdings nur ein leichtes Briserl, als die damals unbekannte Sängerin an der Seite von Florian Silbereisen (damals noch blondgelockt und im glänzenden weißen Frack) ihren ersten Fernsehauftritt beim "Hochzeitsfest der Volksmusik" hatte, da wirkte sie noch wie ein weiterer hübscher Volksmusik-Klon. Brav und herzig trällerte sie den Operetten-Klassiker  "Komm mit nach Varasdin", während im Hintergrund Tänzerinnen in goldener Spitze ihre Röcke fliegen ließen. Kitsch sondergleichen.

Von klein auf Entertainerin
Doch Helene Fischer, die in einem Monat 30 wird, wollte mehr – und sie konnte mehr. Die in Sibirien geborene und mit ihren Eltern als Dreijährige nach Deutschland ausgewanderte Schönheit träumte in dem kleinen Örtchen Wöllstein in Rheinland-Pfalz von der Bühne. "Ich  bin immer schon in Rollen geschlüpft, habe mich verkleidet und bei Familienfeiern alle unterhalten", erinnert sie sich im "Krone"-Interview. Im Musical sah sie ihre Bestimmung. "Dort konnte ich singen, tanzen und schauspielern, das hat mich fasziniert."

Das Musical ist es dann doch nicht geworden. Aber sie hat aus ihren Lehrjahren eine wichtige Lektion mitgenommen: "Ich will, dass die Menschen bei meinen Konzerten für zwei bis drei Stunden den Alltag vergessen. Es macht mir Spaß, eine gute Show zu kreieren – echtes Entertainment zu bieten. Ich wollte von Anfang an etwas Eigenes machen, alles bunt gestalten und nicht steif vorgegebenen Genres folgen."

Der richtige Zeitpunkt
Als die süße 26-jährige Schweizerin Beatrice Egli letztes Jahr die zehnte Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" verzauberte und sogar gewann, war dies der endgültige Generationswechsel: Schlager war plötzlich auch offiziell richtig hip. Und sogar Dieter Bohlen, der schon Andrea Berg an die Spitze führte, hatte seine neue Bestimmung gefunden. Er komponierte Beatrices Single "Mein Herz". Das Lied stieg in der ersten Verkaufswoche auf Platz eins der offiziellen deutschen, österreichischen und Schweizer Singlecharts ein.

Eines der Geheimnisse des neuen Schlagers ist es, die Grenzen zum Pop verschwimmen zu lassen. "Das, was früher ABBA & Co. bedient haben, erfüllt mittlerweile der Schlager", weiß auch Andy Zahradnik, österreichischer Musikexperte, Buchautor und seit Jahrzehnten als "Mr. Hitparade" zuständig für die Ermittlung der heimischen Charts.  "Helene Fischer ist irre cool, die macht genau das, was sie will", streut er der Schlager-Prinzessin Rosen. Sogar ihrem Freund Florian  Silbereisen hat sie eine gewisse Coolness verpasst, doch eigentlich ist sie ihm längst entwachsen.

Unerreichbarer Rekord
Die Trendwende für den modernen Schlager startete für Zahradnik  schon vor der Meisterin des Genres. "Begonnen hat alles in den 90ern mit Guildo Horn und Dieter Thomas Kuhn, die brachten den Spaß-Faktor in den Schlager. Ihnen folgte die damals blutjunge Michelle, die nicht mehr alles durch die rosarote Brille besang. Ähnlich wie dann auch Andrea Berg." Letztere ist mittlerweile zum Mount Everest der deutschen Stars angewachsen – mit sensationellen 600 Wochen ist ihr "Best of"-Album mittlerweile Dauergast in unseren Charts und hält damit einen schier uneinholbaren Rekord, bei dem nicht einmal Legenden wie Elvis Presley oder die Beatles eine Chance hätten.

Vor allem die Texte haben sich in den vergangenen Jahren geändert. "Es geht nicht mehr darum, vom Strand in Mykonos zu träumen, sondern um reale Lebenssituationen. 'Du hast mich tausendmal belogen' – das handelt von Betrug, wie es schon viele von uns erlebt haben, nicht mehr nur von der heilen Welt", so Zahradnik. "Schlager ist leicht verständlich, man kann mitsingen, und er passt in jede Lebenssituation – ob man nun traurig ist oder Spaß haben will."

Auf die Tränendrüse drücken
Diese Bandbreite beherrscht auch unser unglaublich populärer Volks-Rock-'n'-Roller Andreas Gabalier zwischen "I sing a Liad für di" und dem berührenden "Amoi seg' ma uns wieder". Das Lied, das er seinem verstorbenen Vater widmete, rührte sogar den Meister der Gefühle Xavier Naidoo zu Tränen. Schlager ist eben nicht nur Unterhaltung –  er ist ein Stück Leben.

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