Rap-Rückfall

Eminem: “Relapse”

Musik
02.06.2009 16:36
Bis zu 20 Tabletten Schmerzmittel, Schlafmittel und Beruhigungsmittel pro Tag hätten Eminem fast ins Grab gebracht. Seit einem Jahr ist der einst so gefeierte Rap-Superstar nun wieder clean und meldet sich nach fünfjähriger Showbiz-Abstinenz bitterbös wie eh und je zurück.
(Bild: kmm)

"Relapse", so der Name des neuen Albums, gleicht dabei über weite Strecken einer Lehrstunde in Sachen Pharmazeutika. Immer wieder tischt Eminem auf, welche Pillchen und Tabletten er in den vergangenen Jahren eingeworfen hat, und spart dabei auch nicht die unangenehmen Nebenwirkungen aus. Im Fall von Eminems bösem Alter Ego Slim Shady sind dies Gewalt- und Vergewaltigungsphantasien der expliziteren Sorte, die im prüden Amerika bereits für reichlich Kontroverse sorgen. Alles beim Alten also.

Das gilt auch für Ems Hassliebe zu seiner Mutter, die auf "My Mom" neuerlich thematisiert wird. Die Gute sei schließlich Schuld an seiner Drogensucht, schimpft der 36-Jährige, und klärt den aufmerksam lauschenden Hörer darüber auf, dass sie ihm schon als kleinem Burschen Valium verabreicht habe. Sogar in den von ihr aufgetischten Steaks habe Eminem den Tranquilizer gefunden. Allerdings endet der Song nicht, ohne dass Eminem ein "Sorry Mom, I still love you" hinzufügt.

Weniger versöhnlich zeigt sich der Rapper mit Promis wie Britney Spears, Lindsay Lohan, Madonna und Co, die allesamt zum verbalen Watschentanz aufgefordert werden. Selbst vor den Toten macht das "Celebrity Bashing" des Rüpel-Rappers diesmal nicht Halt; auch "Superman"-Darsteller Christopher Reeves und Heath "Joker" Ledger bekommen ihr Fett weg.

"Sowas kann er doch nicht sagen!", nimmt Eminem mit verstellter Stimme auf "Underground" die Kritik empörter Hörer vorweg, um im Satz darauf mit "und ob er kann, ich habe es gerade getan, du Schwuchtel" zu antworten – womit sich einmal mehr jene Schwulenverbände und –organisationen bestätigt fühlen dürften, die dem Rapper seit Jahren Homophobie zum Vorwurf machen.

Vielleicht ist Marshall Bruce Mathers im Innersten seiner Seele aber auch nur ein missverstandenes Hascherl. Diesen Schluss legt zumindest "Beautiful", der wohl persönlichste und nicht zuletzt wegen eines Samples aus der Feder von Queen und Paul Rodgers auch eingängigste Song des Albums nahe. "I just wanna be just like you", rappt Eminem da, und bietet jedem an, an seiner statt ein paar Schritte in seinem ihm inzwischen womöglich zu groß gewordenen Paar Schuhe zu machen.

Egal wie, ob überraschend ehrlich oder bitterböse austeilend: Nach fünf Jahren Abstinenz ist Eminems Lust aufs Rappen allen Zwiespältigkeiten zum Trotz jedenfalls deutlich hörbar. Mit viel Liebe für Wortspielereien und Sprachrhythmus fließt der Zeremonienmeister wortgewandt von Track zu Track. Dabei immer mit im Gepäck die subfrequent pumpenden Beats von Dr. Dre, die zwar sicher nicht zu den innovativsten am Markt zählen, aber nach wie vor verlässlich den Kopf zum Nicken bringen.

Fazit: 8 von 10 medikamentös behandelten Punkten

von Sebastian Räuchle

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