Babyshambles live

Doherty und Co. in Wien

Musik
28.01.2008 11:57
Wer am Sonntagabend in die Wiener Arena mit der fixen Erwartung kam, einen von den Klatschspalten zum Nichtsnutz hinunterstilisierten Typen ein kleines Stück weit auf seinem kurzen Weg zur tödlichen Überdosis begleiten zu können, hat sich selbst gewaltig gepflanzt. Nicht dass Pete Doherty kein unzuverlässiger Querkopf wäre, den man seinen Hang zu verbotenen Substanzen an der Nasenspitze ansieht; aber es wird eben noch lange nicht alles so heiß gegessen, wie gekocht. Soll heißen: Das Konzert war super.
(Bild: kmm)

Der Frontmann von Babyshambles (Wortkombi aus Baby und Schlachtbank) präsentierte sich vor exakt 995 Zuhörern als das, was er abseits der Paparazzibilder und Buchstaben in Klatschkolumen eigentlich ist: ein Musiker. Und ein a) gar nicht mal so schlechter und b) wider Erwarten ziemlich leistungsfähiger. Anderthalb Stunden spielten sich der Songpoet, der mit seinem Talent im Popgeschäft (nüchtern) mühelos einen Smashhit nach dem anderen schreiben könnte, und seine drei Mitstreiter durch ihr neues Album "Shotter's Nation", streiften gebührend ihr erfolgreiches Debüt "Down In Albion" und boten etliche Überraschungen.

Die größte davon war der Sound: Doherty und Gitarrist Mik Whitnall erwiesen sich als grundsätzliche Verneiner von moderner Gitarrenelektronik und Verstärkerpuristen. Was der Zuhörer über die Lautsprecher bekam, war also der plärrende Sound zweier Rickenbackers, die nur durch die rohe Gewalt einer rechten Hand und Fingerspitzengefühl einer linken zu närrischen Twängs und glasigen Schrumms angetrieben wurden. Doherty spielt besser, als Kritiker ihm gerne andichten würden. Zumal er in punkto Songwriting auch recht einfallsreich ist und kleine Hooks in seine sich stetig aufwiegenden Stop-and-Go-Songs einbaut, mit denen ein vom heutigen Rock-Einheitsbrei verstopftes Ohr nicht rechnet. Anders als auf den Alben bevorzugt Drummer Adam Ficek live einen druckvollen, donnernden Sound, mit dem der die Dramatik beim Einzug der Band zu Wagners Walküre (Coppola lässt grüßen...) später weit übertraf und somit der ganzen Band ein kraftvolles Auftreten verpasste.

Relativ groß waren also die Augen der Konzertgeher, als man nach den ersten paar Songs den famosen Sound verdaut hatte. Ein Blick auf Frontmann Doherty, der sich nach der zweiten Nummer endlich seines Kapuzenpullovers entledigt hatte, bot die nächste Überraschung: Nicht nur, dass er mit Jogginghose und einfarbiger Shirt-Hemd-Kombi (der Rest der Band trug Bluejeans und saubere Hemden) die "Ich möchte so abgefuckt aussehen wie ein Teenie aus East London"-Kids entzauberte; er stand aufrecht, ohne Schnapsflasche in der Hand, brachte jede Anmoderation verständlich rüber und wirkte so spielfreudig, dass man kurzzeitig an ein Double glaubte.

Es ist nicht unbekannt, dass das Bandmanagement den Sänger schon seit Monaten auf nüchtern zu trimmen versucht - dass davon tatsächlich was zu merken ist, schon. Der 28-Jährige, der als Sohn eines Militäroffiziers auch in Deutschland, Nordirland und auf Zypern wohnte, trank auf der Bühne während der ganzen Show nur ein Glas Bier (was er sonst intus hatte sei der Spekulation überlassen). Bei seinem letzten Solo-Auftritt in Wien (mit Babyshambles war es am Sonntag der allererste), als er mit Adam Green noch eine Session im Flex anriss, war das ganz anders... Dohertys einziger "Auszucker" ám Sonntag war ein softer Arschtritt für einen sturzbetrunkenen Fan, der wahrscheinlich einem Mädchen imponieren wollte, als er auf die Bühne kletterte und ein paar Sekunden zwischen Doherty und Bassist Drew McConnell herumhopste.

Mit unterm Strich überstarken Performances von Krachern wie "Pipedown", "The Blinding", "Fuck Forever" (ganz zum Schluss), dem reggae-esken Gute-Laune-Hadern "I Wish" und "Shotter's Nations"-Songs wie der neuen Single "You Talk", dem Katersong "Carry On Up The Morning" oder dem großartig zerhackten "Delivery", trotzte der ausdrucksstarke Doherty schließlich sämtlichen Erinnerungen an YouTube-Videos, in denen er lallend, falsch singend und kaum fähig, die Gitarre in Spielposition zu behalten, zu sehen ist.

Die nächste Schlagzeile à la "Pete Dohertys Katze hat eine eigene Crackpfeife" wird sicher kommen - gegen den Eindruck, den die derzeit verkorsteste und zugleich genialste Figur der britischen Musikszene (nach Amy Winehouse, aber das ist ein anders Kapitel...) am Sonntag hinterlassen hat, wird sie aber nicht bestehen.


Christoph Andert
Fotos: Andreas Graf

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