"Krone"-Interview

Die Toten Hosen sind auf der richtigen Frequenz

Musik
07.08.2013 17:00
Nach dem großen Jubiläumsjahr (30-Jahre-Bandjubiläum und 50. Geburtstag von Campino) und dem unheimlichen Erfolg mit dem aktuellen Album "Ballast der Republik" sind die Toten Hosen mittlerweile wieder angekommen. Nach einer ausverkauften Innsbrucker Olympiahalle im Mai beehren uns Campino und Co. nun bereits zum dritten Mal am Frequency-Festival. Im "Krone"-Interview spricht der "ewige Punk" über Unsicherheiten im Songwriting-Prozess, den Preis des Ruhms und warum er sterile Veranstaltungshallen nicht ausstehen kann.
(Bild: kmm)

"Krone": Nach vier Echo-Awards und einem Swiss-Award habt ihr vor wenigen Monaten dank des Amadeus-Awards nun in allen deutschsprachigen Ländern Preise gewonnen. Welche Wertigkeit hat das für die Band?
Campino: Über allem steht natürlich schon, dass wir nicht Musik machen, um Preise zu verdienen. Das kann ich auch als Fan von anderen Gruppen beurteilen, denn mir war immer egal, ob meine Lieblingsband einen Preis gewonnen hat oder nicht. Für die Künstler ist es eine schöne Bestätigung, denn man schreibt Lieder aus bestem Wissen und Gewissen, berichtet vom Leben aus einer persönlichen Perspektive und wenn man damit die Gedanken und Gefühle anderer trifft, ist das eine feine Belohnung. Bei solchen Auszeichnungen ist jeder ein bisschen gebauchpinselt, aber letztendlich wird ein Lied durch einen Preis weder besser noch schlechter.

"Krone": Ihr habt unlängst den deutschen Musikautorenpreis gewonnen, der für Texte und Kompositionen vergeben wird – eben nicht für Erfolge oder Verkaufszahlen. Ist dieser Preis etwas Besonderes für dich?
Campino: Er hat insofern keine zusätzliche Bedeutung für uns, als dass wir ja nicht nur Interpreten sind. Der Sinn des Preises ist, die Macher der Lieder zu würdigen, die oft von reinen Interpreten gesungen werden. Das sind wir ja in Personalunion und daher war das für uns nichts, was uns noch einmal besonders bestätigt hat. Schön war aber, dass es an diesem Abend um Leidenschaft ging. All diese Schaffende sind absolute Nerds und Verrückte. Die stehen mit Musik im Kopf auf und schlafen mit Musik im Kopf ein. Das war spannender, als bei einer Mainstream-Veranstaltung dabei zu sein, wo es dann auch um Kategorien wie Volksmusik oder Schlager geht.

"Krone": 2012 war ein unglaubliches Jahr für euch – allein die 26 Konzerte eurer Wintertour waren mit mehr als 300.000 Besuchern total ausverkauft. Sind da Erinnerungen dabei, die wirklich bleiben?
Campino: Es war schon unglaublich. Wir hatten uns mit der Wohnzimmertour bei den Fans darauf vorbereitet, weil das unser 30-jähriger Band-Geburtstag war. Man macht sich schon Vorstellungen wie das laufen wird, aber was in der Realität geschehen ist, war zehnmal heftiger als alles, was wir uns in unseren kühnsten Träumen ausgemalt hätten. Aber es bleibt dabei – das ist ein Geschenk, das man würdigen soll, aber man muss solche Zeiten auch wieder loslassen können. Man darf sich nicht darin verkanten, dass man sich wünscht, dass das immer so bleiben soll. Ich bin froh, dass wir dieses Glück hatten, wenn es jetzt normal weitergeht – auch wunderbar. Man darf nie versuchen solche Momente der Euphorie festzuhalten. Das Leben hat Höhen und Tiefen und wir haben gerade eine wahnsinnige Gipfelfahrt. Aber wenn es im Oktober in die Pause geht und wir uns wieder für neue Abenteuer ausrichten, beginnen wir wieder am Punkt null.

"Krone": Ihr hattet eine kurze Pause zwischen den zwei großen Auftrittsblöcken der "Krach der Republik"-Tour. Wie wichtig war es, wieder Energien zu sammeln und die Batterien neu aufzuladen?
Campino: In erster Linie war die Pause nötig, um unser Umfeld ein bisschen zu beruhigen. Seit dem Album gab es kaum Zeit um durchzuatmen. Du bist mental extrem angestrengt und hast auch jede Menge Selbstzweifel. Du bist nicht immer gut gelaunt. Das muss dein Umfeld auch aushalten können. Da wir immer alles auf den letzten Drücker fertigmachen, sind wir über Nacht schon in die Promotion-Reisezeit gerutscht. Dann kamen die ersten Konzerte, die Tour begann und irgendwie ist dann keine Zeit mehr, irgendwo anzuhalten und sich um das zu kümmern, was zu Hause los ist. Diese Wochen und Monaten waren wichtig, um auch mal wieder Präsenz bei unseren Familien zu zeigen. Ich habe zum Beispiel viel Zeit mit meinem Sohn verbracht. Es war für jeden von uns wichtig, sich ein paar Wochen lang einfach mal hängen zu lassen.

"Krone": Bei unserem letzten Gespräch hast du gesagt, dass du mit deinem Sohn Silvester feierst, da du tourbedingt zu Weihnachten keine Zeit hattest und Silvester ohnehin cooler wäre.
Campino: Ich bin zu Heiligabend ganz spontan doch noch nach Berlin gefahren und habe Weihnachten und Silvester mit ihm verbracht. Weihnachten stand ich als große Überraschung in der Tür – mein Sohn wusste im Vorfeld nichts davon. Ich habe 24 Stunden vorher selbst nichts davon gewusst. Wir waren dann auch in Österreich Schifahren, was uns sehr großen Spaß gemacht hat. Es war alles schön, aber jetzt freuen wir uns auch darauf, wieder in unseren Rhythmus zu kommen. Zu viel Freizeit tut mir nicht gut. Wenn ich auf Tournee bin, habe ich eine klare Struktur und weiß, was ich zu tun habe.

"Krone": Ist es nicht schwierig, nach einer solchen Tour wieder runterzuschalten. Das Herkömmliche, Private zu schätzen?
Campino: Das geht eigentlich ruck, zuck. Mir wird auch durch meinen Sohn überhaupt nicht erlaubt, in irgendwelche Löcher zu fallen. Dem ist völlig egal, ob ich Taxi fahre, in einer Würstchenfabrik arbeite oder eben Sänger einer Band bin. Der will einfach nur, dass ich komme, und wenn ich da bin, dann habe ich mich auch mit ihm zu beschäftigen. Das ist eine ideale Form, um gewisse Tourneeflausen sofort wieder rauszuklopfen. Früher hatte ich größere Umschaltprobleme. Da drehte sich dann doch alles viel mehr um sich selbst. Jetzt hat man zwar nicht immer alles unter Kontrolle und hetzt von einer Sache zur anderen, aber dadurch beschäftigt man sich erst gar nicht groß mit irgendwelchen Dingen, die man ohnehin nicht ändern kann. Ich gebe sowohl zu Hause als auch unterwegs mein Bestes. Man kriegt dafür nicht immer die volle Punktzahl, aber es prasseln so viele Sachen auf einen ein, dass man sich dann gar keinen großen Kopf mehr machen kann.

"Krone": Ist es nicht gerade nach so einem Jahr voller großer Erfolge sehr schwierig, am Boden zu bleiben? Bei euch ist keine Spur von Überheblichkeit zu sehen.
Campino: Wir haben in 30 Jahren schon zu viel erlebt. Vor allem die 90er-Jahre waren für uns unglaublich erfolgreich. Das Ganze kam 1997, als wir unser 1000. Konzert gespielt haben, zu einem Bruch und danach sind wir lange nicht mehr richtig auf die Beine gekommen. Damals waren wir viel mehr der Gefahr ausgesetzt, Erfolg für selbstverständlich zu nehmen, und haben das auch viel weniger zu würdigen gewusst als heute. Jetzt sehe ich das nicht mehr so dramatisch. Ich weiß, dass man auch mit deutlich weniger Fallhöhe gut leben kann, und ob man jetzt vor 3.000 oder 20.000 Leuten spielt, macht nicht so viel aus, als dass es dich als Typ verändert. Wir haben auch schon alle erfahren müssen, dass diese Erfolge dir keine Festigkeit geben. Es ist immer alles sehr brüchig und fragil und Erfolge gehen immer irgendwann vorüber. Genau wie auch die schlechten Zeiten. Man kann es uns mittlerweile abnehmen, dass wir genug Lebenserfahrung haben, um nicht durchzudrehen.

"Krone": Ihr werdet sicher wieder eine Platte machen und es wird auch möglich sein, dass diese "Ballast der Republik" noch toppt. Aber entsteht da nicht ein unheimliches Druckgefühl dabei?
Campino: Der eigene Anspruch ist die heftigste Hürde dabei. Das war in diesem Jahr ganz besonders schlimm. Ich war bei "Ballast der Republik" häufiger dabei, alles hinzuschmeißen und weglaufen zu wollen. Das war schon hart und das wird wohl auch beim nächsten Album nicht einfacher werden. Gleichzeitig habe ich jetzt das Privileg, mir sagen zu können, dass sich das alles gelohnt hat und dass es vielleicht auch deshalb eine gute Scheibe geworden ist. Ich habe viele Freunde, die Leistungssportler sind und große Erfolge gefeiert haben und die mit mir älter geworden sind. Ich beobachte, wie die Höhepunkte erleben, die wirklich unglaublich sind, und dann über die Jahre mit einem normalen Leben klarkommen müssen. Da sieht man dann, dass das Leben auch nach solch sagenhaften Erfolgen sehr viel Lebenswertes zu bieten hat. In dem Momt den ganzen Erfolg dafür hergeben, dass der Finger wieder gesund wird. Ich meine, das Leben hat so viele intensivere und wichtigere Dinge für uns parat, dass die eben Erfolg relativieren. Man kann Rekordzahlen nur dann zu wichtig nehmen, wenn man ein dummer Mensch ist oder vom Leben noch nicht wirklich geprüft wurde.

"Krone": Es ist also für Leute, die keine bodenständigen, engen Freunde haben schwieriger, nicht abzuheben?
Campino: Da bin ich mir sicher. Letztendlich ist man ein Ergebnis seines Umfeldes und das hat viel mit der Erziehung, der Familie und den Freunden zu tun. Wenn man in falsche Kreise gerät, wird es schwierig, am Boden zu bleiben. Man sieht ja oft, dass gerade junge Künstler die falschen Berater oder ein Umfeld haben, das einen aussaugt. Irgendwann ist die Zitrone ausgepresst und wird in der Ecke liegen gelassen. Die Leute kommen dann nie wieder auf ihre Füße. Ruhm und Erfolg strahlen vor allem auf jüngere Menschen die Gefahr aus, dass sie das für selbstverständlich nehmen und die Vorstellung haben, dass sie dieses Glück nie verlässt. Wenn dem dann doch so ist, geraten die Leute in ein ziemliches Loch. Dann müssen sie einen ordentlichen Preis für diese kurze Zeit des Ruhms zahlen.

"Krone": In Kürze seid ihr nach 2005 und 2010 zum dritten Mal beim Frequency-Festival zu Gast. Bleibt euch so eine Location nach den vielen Konzerten überhaupt noch in Erinnerung?
Campino: Auf jeden Fall bleiben Auffälligkeiten in Erinnerung. Beim Frequency haben wir einmal vor den Red Hot Chili Peppers gespielt. Wenn so eine hochkalibrige Band hinter dir spielt, gehst du mit Respekt an die Sache. Wenn dann solche Abende trotzdem sehr gut laufen, vergisst du das nicht. Das war wie damals bei Rock am Ring, wo wir nach Rage Against The Machine spielten. Da war ich mir auch unsicher, ob das gutgeht, da die immer ein Erdbeben auslösen. Wir haben die Sache dann gut hingekriegt. In diesen Momenten ist es wie beim Sportturnier. Dann bist du in der Bringschuld und willst auf keinen Fall schlechter aussehen als die anderen. Die Stadthalle Wien gehört zu unseren favorisierten Plätzen. In dieser Größenordnung hast du auch viele Mehrzweckhallen, die sich nicht mehr voneinander abheben. Immer dieselben Hallen nach demselben Prinzip bauen, wirkt etwas steril. Die alte Stadthalle in Wien hat ein eigenes Flair, so wie das Hallenstadion in Zürich oder die Westfalenhalle in Dortmund. Die alten, schönen und traditionellen Locations merkst du dir. Es geht ganz klar auf Kosten der Stimmung, wenn alles steril ist und die Ordner nervös werden, nur weil du eine Chipstüte öffnest oder jemand mal eine Zigarette in der Hand hat. Für eine Rockband muss es im besten Fall schon eine abgehangene Halle sein, wo der Rock-'n'-Roll schon von den Wänden runtertropft. Das ist die ideale Voraussetzung. Und alles andere geht in Richtung Musical und damit wollen wir wirklich nichts zu tun haben.

"Krone": Nach dem Tourende am 12. Oktober in Düsseldorf werdet ihr eine längere Pause einlegen. Weitere Pläne werdet ihr aber trotzdem schon geschmiedet haben.
Campino: Normalerweise kommen die Dinge immer dann auf einen zu, wenn man etwas losgelassen hat. Ich kann wirklich nicht konkret sagen, was passieren wird. Es gibt das eine oder andere Angebot und den einen oder anderen Traum. Da besteht dann die Möglichkeit, sich für solche Aktionen Raum zu geben. Vielleicht eine längere Reise machen oder mal intensiv in Berlin sein oder es ergibt sich etwas in puncto Film. Das kann ich aber nicht bestätigen und solange nichts unterschrieben ist, rede ich auch nicht gerne darüber. Das sind aber alles Themen, die ich in den letzten Jahren ganz bewusst ausgespart habe, weil es ganz konkret darum ging, noch einmal alles für die Band in den Ring zu werfen. Die "Ballast der Republik"-Scheibe war eine große Kraftanstrengung, die es erfordert hat, sich durch nichts ablenken zu lassen.

Bevor sich die Toten Hosen in eine wohlverdiente Pause verabschieden, rocken sie als Headliner noch das Frequency-Festival im St. Pöltner Green Park. Tickets erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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