Lovely Days 2010

Die Gladiatoren sind vielleicht alt, aber sicher nicht müde

Musik
11.07.2010 12:10
Die Gladiatoren sind vielleicht alt geworden, aber noch lange nicht müde. Beim Lovely Days Festival im burgenländischen Wiesen stellten die "Generation Woodstock" und ihre unmittelbaren Nachfolger einmal mehr unter Beweis, dass man für Rock 'n' Roll nie zu alt sein kann - vom Opener Spencer Davis Group über die Hauptacts Manzarek-Krieger (a.k.a. "The Doors") und die für einen guten Zweck noch einmal ausgerückten TOTO. Dass das Wetter optimal und das bunt durchgemischte Publikum praktisch rundum zufrieden war, ist fast schon selbstverständlich.
(Bild: kmm)

Die gute Stimmung macht den guten Tag. Im Unterschied zu den großen Festivals à la Novarock und Frequency findet sich am Lovely Days schwer jemand, über den man sich das sprichwörtliche Maul zerreißen kann. Promille-Rekordjäger, pöbelnde Fans und Teenager-Störenfriede, die sich binnen eines Tages so zurichten, dass man glauben könnte, sie hätten die letzten zehn Jahre unter einer Brücke verbracht, sind hier nämlich absolute Mangelware.

So kitschig es klingen mag, getreu dem "Love and Peace"-Motto des eintägigen Konzertreigens regieren Höflichkeit und Nächstenliebe zwischen den jüngeren Besuchern, Mittvierziger Ehepaaren und graubärtigen Alt-Hippies, die sich auf der Konzertwiese selbstgedrehte Zigaretten teilen. Man lässt den wildfremden Nachbarn gerne auf dem unbenützten Zipfel seiner Decke die Füße ablegen, leiht ihm seinen Aschenbecher oder die Sonnencreme und verzichtet auch einmal eine Viertelstunde lang auf die Sicht zur Bühne, wenn der Vordernachbar am Höhepunkt eines Konzertes tatsächlich nicht mehr auf dem Teppich bleiben kann und sich mit hochgestreckten Armen zum Tanze erhebt. Love, Peace and Happiness. Eine gewichtige Rolle spielen dabei mit Sicherheit auch die zahlreichen Vorzüge des Wiesen-Areals, das zudem mit maximal 8.000 Personen nie wirklich überlaufen ist.

Line-Up: Sensationen im Detail
Musikalisch war das Line-Up auf den ersten Blick - im Vergleich zum allerersten Lovely Days, das noch zwei Tage dauerte und auf zwei Bühnen gleichzeitig stattfand - nicht unbedingt von großen Namen geprägt. Manfred Mann und Canned Heat waren vor ein paar Jahren schon einmal auf einem Lovely Days, Ray Manzarek und Robbie Krieger von den Doors sowie Uriah Heep ebenfalls.

Auf den zweiten Blick waren aber dennoch ein paar Highlights auszumachen: Die Spencer Davis Group mit Hadern wie "Keep on Running" als Opener - das hat schon was. Manzarek-Krieger hatten ihren Headliner-Auftritt beim letzten Lovely Days im St. Pöltener VAZ damals eher versemmelt, bei ihrer US-Tour im Frühling mitsamt dem neuen Sänger Miljenko Matijevic der US-Band "Steelheart" aber hervorragende Kritiken bekommen. Uriah Heep sind eine der wenigen alten Bands, die mit neuem Material aufwarten können. Noch dazu hat die Band seit ihrem letzten Festival-Gastspiel in Österreich den Schlagzeuger ausgetauscht und nunmehr mit Russell Gilbrook einen mehrfach prämierten Hardrock-Virtuosen an Bord.

TOTO in Jahrhundertbesetzung
Zu guter Letzt waren da noch TOTO, die in einer Jahrhundert-Besetzung auftraten. Die 1977 aus Studiomusikern entstandene Ausnahmeband, die sich eigentlich vor zwei Jahren endgültig auflösen wollte, spielt heuer zugunsten ihres an der Nervenkrankheit ALS leidenden Bassisten Mike Porcaro eine Mini-Tour. Dafür hat man einen Vertreter der Porcaro-Familie wiedergefunden: Steve Porcaro, der noch vor dem Tod seines Bruders Jeff (Gründungsschlagzeuger von TOTO) ausgestiegen war, stand mehr als 20 Jahre lang nicht mit Steve Lukather und Co. auf der Bühne. Zusammen mit David Paich veranstaltete er ein Tastenfeuerwerk, dass den TOTO-Sound zum Besten machte, was Wiesen seit langem zu hören bekommen hatte.

Als Ersatz-Bassist werkte Samstagabend zudem kein Geringerer als Nathan East, der Fans von Eric Clapton, Phil Collins und Stevie Wonder bestens bekannt sein wird. Zusammen mit Ausnahme-Schlagzeuger Simon Philips bildete East eine Rhythmus-Sektion, die bei vielen Musikfans bisher nur als feuchter Traum existieren konnte. Und als Draufgabe stand da noch Joseph Williams als Sänger auf der Bühne. Williams war zwar nur heiße drei Jahre bei TOTO, hat in dieser Zeit aber bei den nach "TOTO IV" erfolgreichsten Alben "Fahrenheit" und "Seventh One" die Lead Vocals geliefert.

Manfred Mann im Headliner-Exil
Der Nutznießer, im Nachhinein betrachtet aber auch Leidtragender, dieser Line-Up-Konstellation war die "Hitfabrik" Manfred Mann. Weil die Altherren von den Doors und TOTO nicht bis nach Mitternacht spielen wollten und Erstere sowieso am liebsten bei Tageslicht werken, wurden der seit 50 Jahren aktive Keyboarder und seine Earth Band ans Ende des Line-Ups verfrachtet. Bereits vor 22.45 Uhr setzten schon die ersten Besucher Richtung Ausgang an. Als Mann seine Show dann nicht etwa mit "Fox On The Run" oder "Mighty Quinn" sondern mit eher schwer verdaulichem Blues begann, war der Platz vor der Bühne bis zum vierten Song halb leer.

Die restlichen Auftritte kurz zusammengefasst:

Spencer Davis Group: Kerniger Stratocaster-Blues mit vielen Original-Hits ("Keep On Running", "I'm A Man", "Gimme Some Lovin") und Cover-Versionen, der auf Anhieb für gute Stimmung sorgte. Die Stimme von Steve Winwood, der seinerzeit auf den erfolgreichsten Alben die Lead Vocals gesungen hatte, fehlte zwar im Sound, wurde aber von den Instrumentalisten weitestgehend kompensiert. Highlight der Show: Robert Johnsons "Walking Blues", perfekt dargebracht vom ehemaligen Chris-Rea-Bassisten Colin Hodgkinson.

Canned Heat: Sie hatten vor drei Jahren in St. Pölten mit einem All-Star-Line-Up noch für Woodstock-Flair gesorgt. Der Tod von Slide-Gitarrist und Sänger Robert Lucas vor zwei Jahren hat die Band aber sehr getroffen. Mit dabei im nunmehrigen Quartett war zwar wieder Original-Gitarrist Harvey Mandel, der rückte aber mit einem Werkzeug und einem Sound an, der bei Fusion-Bands oder im Electro-Jazz besser aufgehoben gewesen wäre. Dass Sänger Dale Spalding dauernd von Blues-Harp und Gitarre auf den Bass wechseln musste, damit Gründungsmitglied Larry Taylor mittelmäßig Slidegitarre spielen kann, war auch nicht gerade optimal. Der authentisch dargebrachte Opener "On The Road Again" war auch schon der Höhepunkt.

Uriah Heep: Auch wer sie nicht kennt, kann an einem ihrer Auftritte einen Mordsspaß haben. Perfekt hingenagelter Hardrock mit viel Melodie und Gesangsharmonien, die die Gehörgänge schon auf TOTO vorbereiteten. Der neue Schlagzeuger Russell Gilbrook erwies sich als Schweizer Uhrwerk mit integrierten Stahlhämmern. Das Publikum belohnte die im 40. Jubiläumsjahr spielende Band mit Dauerapplaus.

Manzarek-Krieger: Der Auftritt der Doors-Nachfahren war 1:100 im Vergleich mit ihrem letzten Lovely-Days-Gastspiel. Perfekter und diesmal auch authentischer Sound von Manzareks "Koffer-Orgel" bis zu Kriegers psychedelischem Feedback-Blues und zwei extrem gut aufgelegte Gründungsmitglieder. Bis auf "Riders On The Storm" und "The End" waren alle Hits in der Setlist vertreten. Der neue Sänger Miljenko Matijevic passt zwar optisch eher in eine Großraumdisco als zu Jim Morrison, jedoch kommt er mit seiner Stimme stellenweise so nah ans Original, dass es einem die Gänsehaut aufstellte. Original-Schlagzeuger John Densmore hat Manzarek und Krieger in den letzten Jahren per Gericht verbieten lassen, als "The Doors" aufzutreten, solange er nicht mitspielt. Und das wolle er nur tun, wenn Eddie Vedder von Pearl Jam den Frontmann macht. Angesichts der samstäglichen Performance sollte sich Densmore vielleicht doch wieder einmal seine Kollegen ansehen und überlegen, ob er angesichts Miljenko Matijevics Herrn Vedder wirklich noch braucht.

TOTO: Manfred Mann in allen Ehren. Aber die Ohren des eingefleischten Musikfans hatten eigentlich mit dem Auftritt von TOTO schon die krönenden Gaumenfreude des Festival-Menüs serviert bekommen, die man sich nicht mit einem weiteren Dessert verderben wollen würde: Vom Opener "Child's Anthem" bis zur Zugabe mit "Hold The Line" spulte die Band einen perfekten und energiegeladenen Auftritt ab. Dazwischen kam viel vom Erfolgsalbum "TOTO IV" ("Rosanna", "Africa", "Afraid Of Love", "Lovers In The Night") aber auch aus der Zeit mit Joseph Williams. Der brillierte selbst bei Songs, die nicht "seine" waren, mit Gesangslinien, die die Erinnerung an Bobby Kimball stellenweise verblassen ließen. Dazu noch die Power-Soli von Steve Lukather, das Zusammenspiel von Nathan East und Simon Philips - und die besagten feuchten Träume gerieten im Zuge der Erfüllung zu Sturzbäc

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