Sensationelles Debüt

Dave Matthews Band zum ersten Mal in Österreich

Musik
20.02.2010 08:34
"Der is so einer, da denkst dir: Den gibt's ja gar nicht wirklich - nur auf CD, DVD und a paar Videos im Internet halt. So unpackbar gut is der", beschreibt ein Konzertgast nach zweidreiviertel Stunden Euphorie die Atmosphäre im Wiener Gasometer. Mehr als 25 Jahre, sieben Studioalben und Konzerte vor 100.000 Fans und mehr hat es gedauert, bis die US-amerikanische Dave Matthews Band am Freitagabend für eine Show nach Österreich kam. Wer eine Karte ergattern konnte, erlebte eine der besten Live-Bands des Planeten in Klubatmosphäre - und die wohl dankbarste Fangemeinde der Welt.
(Bild: kmm)

Sie ist die Band, von der man sagt, es existieren keine Beweise für ein verhunztes Konzert. In den USA kommen der 43-jährige Dave Matthews und seine drei Mitstreiter samt ihrer Live-Musiker bei den erfolgreichsten Bands gleich hinter Namen wie Rolling Stones und Bon Jovi. Regelmäßig führen sie die Rankings der besten Tourneen an, von "DMB" gibt es mehr als fünfmal so viele offizielle Live-Alben wie Studio-Platten. In Europa kratzt das niemanden. Nicht einmal Musikzeitschriften und Radiosender. Seit dem vergangenen Jahr hat die Band den alten Kontinent aber trotzdem als Spielwiese wiederentdeckt und gibt Konzerte in Klubatmosphäre, von denen die Fans in Übersee seit Jahren nur noch träumen können.

Nach dem Tourauftakt in Hamburg und Berlin war es für die Jam-Band mit der exotischen Besetzung Gitarre, Bass, Drums, Saxofon, Trompete und Violine am Freitag in Wien so weit. Man musste nur bei den Unterhaltungen an den Bars mithorchen, um zu verstehen, dass hier etwas besonderes stattfindet: Englisch, Französisch, Ungarisch, Tschechisch, Italienisch, Spanisch, hie und da ein amerikanischer Akzent; als Dave Matthews um 20 Uhr auf die Bühne kommt, um die Vorgruppe Alberta Cross anzukündigen, halten ihm fünf Mittdreißiger in der ersten Reihe ein Transparent entgegen: "Komm doch nach Polen!" DMB-Fans haben in den letzten Jahren aus der Not eine Tugend gemacht und sind zu Konzerttouristen geworden. Sie können dir Jugendherbergen und Campingplätze in aller Welt empfehlen, erzählen, wie sie für ein DMB-Konzert ihre Flugangst überwanden, sich statt dem neuen Auto eine Konzertreise leisteten und eine fristlose Kündigung riskierten, um einmal eine Show zu sehen.

Um kurz nach neun Uhr schultert Matthews dann die Gitarre. Der Opener "Bartender" - mit acht Minuten im Original live trotzdem nur ein mittellanger DMB-Song - sorgt für Begeisterungsstürme und Freudentänze. "Stay Or Leave", eine Live-Rarität, und die aktuelle Single "Funny The Way It Is". Es ist eine Welle der Sympathie, die Matthews entgegenschlägt, wenn er über Gott und die Welt und unseren Platz darin singt. Klar, er wird von seinen Fans vergöttert. Aber unter all den Frontmännern ist er der "Haberer", dem man gern zuhört und hin und wieder auch um Rat fragt. Zweidreiviertel Stunden spielt sich die Band mit unglaublicher Energie und Virtuosität durch eine bunte Setlist, die von Klassikern wie "Ants Marching" und "Tripping Billies" bis zu den neuen Songs von "Big Whiskey And The GrooGrux King" reicht. Was genau kommt, entscheidet sich erst in den minutenlangen Pausen zwischen den Songs, in denen Matthews mit seinen Bandkollegen Carter Beauford (dr), Boyd Tinsley (viol) und Stefan Lessard (ba) sowie den Live-Musikern Tim Reynolds (git), Jeff Coffin (sax) und Rashawn Ross (tr) berät und witzelt.

Die Fangemeinde ist textsicher und singt ab und an sogar ihre eigenen Zeilen ("Everyday"), wenn's nach einem mörderischen Solo kurz einmal ruhig wird. Das Beeindruckende an einem DMB-Konzert ist aber die Spielkultur der Band. Hier wird kein Programm abgespult, sondern mitten im Song entschieden, ob der für den verstorbenen LeRoi Moore in die Live-Band aufgenommene Jeff Coffin jetzt gleich sein Solo spielt oder Boyd Tinsley vorher noch die Rosshaare vom Bogen fliegen lässt. So kommt es schon einmal vor, dass "Jimi Thing" fünfzehn Minuten dauert oder am Ende bei "So Damn Lucky" Band und Publikum in eine Art Glücksgefühl-Trance verfallen und sich gegenseitig zu verstehen geben, dass Tim Reynolds diesen Riff noch ewig so weiterspielen könnte und dabei ganz sicher keinem von beiden langweilig würde.

Dass nach diesem furiosen Einstand das DMB-Fieber in Österreich ausbricht, ist zu bezweifeln. Die Songs der Band werden den Radio-DJs wohl weiterhin zu kompliziert sein, der Mix aus Rock, Country, Jazz, Funk, Reggae, Blues und Latin zu einzigartig, um sich in eine Schublade pressen zu lassen. Paradox, denn eigentlich würde man von so einer Band sagen, dass sie eher mehr zu Europa denn zu Amerika passt. Der Fangemeinde wird's egal sein, ihr ist DMB als Geheimtipp ohnehin lieber. Und der ist schließlich "unpackbar gut"...

von Christoph Andert

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