Lispelt den Blues

Dani Wilde im krone.at-Interview

Musik
04.04.2008 08:10
Ein frischer Wind wirbelt durch die Blueslandschaft: Zwischen dem x-ten "neuen" Gary-Moore-Album mit steinalten Songs, der fünfzehnten Farewell-Tour von BB King und der nächsten Bluessängerin, die auf Country umstellt, kommt die 21-Jährige Britin Dani Wilde und verpasst dem Genre eine Frischzellenkur. Auf ihrem Debütalbum "Heal My Blues" überrascht die Sängerin, Songwriterin und Gitarristin mit straighten Songs und einer kraftvollen Stimme, an der man sich auch nach Stunden noch nicht sattgehört hat. Am 21. April tritt Dani Wilde beim "Vienna Blues Spring"-Festival auf. Mit krone.at sprach sie über Karriere, Träume und die Musikwelt, der sie gerade beweist, dass man keinen Blanko-Totenschein braucht, um den Blues zu haben.
(Bild: kmm)

„Mein Vater war ein großer Blues-Fan und ich musste mir schon als kleines Kind Musik aus Chicago anhören. Aber ich mochte es. Als ich 15 war, nahm er mich dann zu einem Blues-Festival in England mit. Dort sah ich zum ersten Mal, dass es auch weibliche Bluessängerinnen gibt, die sogar noch ziemlich jung waren. Das überraschte mich gewaltig - und als ich Susan Tedeschi und Deborah Coleman hörte, wusste ich, was ich für den Rest meines Lebens machen wollte“, erzählt Dani Wilde ihre Liebe auf den ersten Blick zum Blues.

Mit Deborah Coleman, der großartigen 51-jährigen Sängerin und Gitarristin aus South Carolina und der schrillen Blues-Diva Candye Kane tritt sie als „Blues Caravan“ im Rahmen des „Vienna Blues Spring“-Festivals (siehe Infobox) am 21. April 2008 im Wiener Reigen auf. Zwischen Coleman und Kane fällt die junge 21-Jährige natürlich auf. Was aber nicht heißt, dass sie das nicht gewohnt wäre: „Ich war schon früher in der Schule ein kleiner ‚Sonderling‘. Zu Weihnachten spielten wir oft traditionelle Christmas-Songs - aber ich war die einzige, die nur Blues singe wollte. Aber es gefiel ihnen mit der Zeit und meine Klassenkameraden fanden es eigentlich ziemlich cool, dass ich mich mit Blues so gut auskannte. Ich war in dieser Hinsicht ihr kleiner Musikexperte.“

Es frustriert sie nicht, dass sie fast ausschließlich von älteren Damen und noch älteren Herren in ihrer Kollegenschaft umgeben ist (obgleich ihr beim Blues-Spring-Festival die „Young Austrian Blues Night“ am 11. April sicher gefallen würde). Dennoch läuft aus Sicht Dani Wildes im Blues etwas schief, das nicht an den Musikern hängt. „Blues hat leider eine generell etwas ältere Zuhörerschicht, aber ich glaube nur deswegen, weil die Musik so vermarktet wird. Junge Leute sind sich bewusst, dass es so etwas wie Blues gibt, aber der Zugang fällt ihnen durch dieses Branding schwer.“

Dani Wilde hatte schon in jungen Jahren Klavierunterricht, spielte mit 14 ihre ersten Solo-Gigs in Pubs und hat schon eine dreijährige Jazz-Ausbildung hinter sich gebracht. Das Gitarrespiel brachte sie sich selbst bei: „Ich halte es aber eher einfach und achte mehr auf das Feeling, als auf technische Details“, sagt sie. „Ich sehe mich in erster Linie als Sängerin, dann als Songwriterin und erst ganz zum Schluss als Gitarristin. Aber es wird von Tag zu Tag besser, immerhin spiele ich erst halb so lang Gitarre, wie ich singe. Aber wenn du von einem Tag auf den anderen auf einmal eine Platte machen kannst und plötzlich mit jemandem wie Deborah Coleman tourst, bringst du dich ganz schnell auf Vordermann. Seit dem ersten Konzert übe ich wie eine Verrückte!“

Blues mit dem „Lispel-Faktor“
Dani Wildes Songs - auf „Heal My Blues“ finden sich nur drei Coverversionen, darunter „I‘m In The Mood“ von ihrem Idol John Lee Hooker - haben etwas Fesselndes. Obwohl sie fast durch die Bank klassische Patterns vom grantigen Shuffle bis zur tieftraurigen Ballade, die knapp am Stillstand vorbeischrammt, bemüht - irgendetwas macht ihre Vocals „very special“. Wenn man dem geifernden „Testify“ oder dem bleischweren Norman-Whitfield-Cover „I‘m Going Down“ ganz genau zuhört, merkt man, dass es eigentlich etwas ganz Banales ist. Sie lispelt. „Ja“, lacht sie, „und man hört es auch, wenn ich spreche. Aber beim Singen ist es prägnanter. In der Schule haben sie mich oft damit aufgezogen und als ich zu singen begann, hatte ich sogar überlegt es mir von einem Sprachtrainer ausbügeln zu lassen. Aber da fanden es alle auf einmal süß, es gebe mir Charakter, sagten sie. Das machte es mir natürlich leichter, meinen ‚Sprachfehler‘ zu akzeptieren. Wer weiß, vielleicht wird es ja einmal mein Markenzeichen...?“

Ist es nicht schwierig, sich als „kleines Mädchen“ in der Welt des Blues, wo Musikerstolz und -Ehre hochgehalten werden und hinter den Kulissen nicht alles so rosig ist, wie's scheint, akzeptiert zu werden? „Ich bekomme schon gemischte Reaktionen. Gerade von eingesessenen Konzertveranstaltern und Blues-Clubs fühle ich mich mit meiner Band, die auch aus sehr jungen Musikern besteht, oftmals nicht mit demselben Respekt behandelt, wie sie es bei älteren Bluessängern an den Tag legen. Sie sprechen einem kleinen, weißen Mädchen aus England einfach nicht dieselbe Credibility zu. Damit musst du aber umgehen können. Ich bin eben kein 60 Jahre alter Bluesman aus dem Mississippi Delta, der mit einem krummen Buckel geht.“

Sie mag ein weiches Herz haben, aber wenn es um die Karriere im Blues geht, wo es schon lange keinen Millionenbudgets für Plattenproduktionen gibt, eigentlich nie gegeben hat und wo die PR-Trommel noch Mundpropaganda oder Fachzeitschrift heißt, demonstriert Dani Wilde eisernen Willen. „Es ist wichtig, dass es junge Menschen gibt, die den Blues einer jüngeren Generation näher bringen und der Musik ein bisschen Modernisierung verpassen - anders wird das Genre nicht überleben. Seien wir realistisch, die Zielgruppe stirbt mehr oder weniger aus. Und bei den Musikern - Gott bewahre, dass sie uns noch lange erhalten bleiben! - ist es ehrlich gesagt auch nicht anders.“

„Es ist wie eine Therapie für mich“
Ihren Texten merkt man ihr junges Alter nicht an. Auf „Bring Your Loving Home To Me“ (siehe Video oben) singt sie von starken Männern und einer Beziehung mit gemeinsamen Wohnsitz - wo andere Mädchen in ihrem Alter sich noch darüber Gedanken machen, wo die nächste Party stattfindet. „Jeder hat seine Art, Gefühle auszudrücken. Und bei diesem Song sehnte ich mich gerade nach Schutz und Geborgenheit, obwohl ich mich sonst als selbstbewusste, junge Frau sehe. Aber ich singe Blues - und darin verarbeitete ich die Tage, an denen das Leben schwieriger ist. Im Blues ist es egal ob ein Song von einem armen Arbeiter in den Fünfzigerjahren in den Südstaaten geschrieben wurde, oder an einem nebeligen Tag von einem weißen Mädchen in England. Die ‚harten Zeiten‘ beider lassen sich vielleicht nicht vergleichen - aber der Drang sie zu verarbeiten, sie zu kommunizieren ist im Grunde derselbe.“

Wird man durch den Blues erwachsener? „Ich glaube nicht, dass mich Blues schneller erwachsener gemacht hat. Es ist wie eine Therapie für mich. Wenn es mir mies geht, schreibe ich einen Song - und während ich spiele, sprudelt alles, was mich bedrückt, aus mir heraus. Es kommt mir oft sonderbar vor, aber meine besten Songs schreibe ich genau dann, wenn ich in so einem Gefühlswirrwarr fest stecke.“

Eine Therapie erfordert natürlich auch Symptome. Was bedeutet für Dani Wilde das „Having the blues“-Feeling? „Den Blues hast du, wenn du das Gefühl hast, als ob das Leben gegen dich arbeiten würde. Nichts klappt, alles geht schief. Wenn ich mich so fühle, nehme ich meine Gitarre in die Hand und spiele einfach drauf los. Du singst so lange über alles, was bei dir nicht richtig läuft, bis du es überwunden hast - und wenn es Tage dauert.“

„Ich möchte den Blues wieder jung machen“
Der große Traum des kleinen Blueswunders aus Brighton handelt nicht von Reichtum oder einem Charthit - und schon gar nicht von einem „starken Mann“. Sie hat heere Motive: „Ich möchte den Blues transformieren, ihn wieder jung machen. Joss Stone hat es geschafft, dass kleine Mädchen plötzlich auf Soul und Aretha Franklin abfahren. Jamie Cullum hat Jazz mainstream-tauglich gemacht. Mein Traum ist, dass dem Blues dasselbe passiert, ohne dass wir als Musiker zu viele Kompromisse machen müssen. Ich will dafür keinen Blues-Pop-Song schreiben müssen! Es bräuchte bloß jemanden, der Blues wieder ordentlich vermarktet, anstatt ihn nur auf älteres Publikum zuzuschneiden.“

10 von 10 heilenden Blues-Songs


Von Christoph Andert

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