Grandios verpatzt

Cyndi Lauper live in Wien

Musik
01.11.2008 20:27
Es gibt Konzerte, bei denen muss man dabei gewesen sein. Cyndi Laupers erstmaliges Gastspiel am Donnerstagabend in Wien war streng genommen keines von diesen - die skurrile, turbulente und in vieler Hinsicht grenzwertige Show wird den rund 2.500 Besuchern im Gasometer aber mit Sicherheit länger in Erinnerung bleiben: Man wird sich von einer top aussehenden 55-jährigen, gesundheitlich durch eine Grippe angeschlagenen und doch in keinster Weise weniger durchgeknallten Sängerin erzählen. Ein bisserl high auf Hustensaft wirkend, mit einer Begleitband, die einfach nicht in Topform gewesen sein konnte, mit zwischenzeitlich grottenschlechtem Sound und einem trotz allem tapfer zu seiner Heldin haltenden Publikum.
(Bild: kmm)

Cyndi Lauper ist keine, die man verreißen kann. Bei ihr ist speziell showtechnisch jederzeit mit mittleren Katastrophen zu rechnen. Anekdoten darüber reichen weit zurück, bis zur Aufnahme des legendären Charity-Songs "We Are the World". Weil ihre zig Armreifen so laut klimperten, mussten damals die gut drei Dutzend Stars von Michael Jackson bis Bob Dylan Teile der Aufnahmen wiederholen. Schon allein für diese g'sunde Einstellung bekommt sie von ihren Fans (zu Recht) bedingungslosen Zuspruch. "Girls just wanna have fun" eben!

Begonnen hat die Show im Wiener Gasometer zunächst mit einer fabelhaften und zum anspruchsvollen bis seichten Pop Cyndi Laupers recht gut passenden Vorgruppe. Die 55-jährige Grammy-Gewinnerin, die auch eine nicht zu unterschätzende Schauspielerin ist, nimmt oft japanische Formationen mit auf Tour. Im Land der aufgehenden Sonne ist sie nämlich heiliger als Lady Diana und der Erfinder der Digitalkamera zusammen. Doch heuer suchte sie sich mit "Rosie and the Goldbug" eine britisches Piano-Bass-Drums-Trio aus, das laut Eigendefinition so klingt, wie "Kate Bush auf Crack". Nicht dass man Drogen(-Assoziationen) befürworten sollte, aber: Es hat gerockt!

Dann: Auftritt Lauper. Eine gute halbe Stunde zu spät wurde die in schwarzem Top und enger Lederhose gewandete New Yorkerin mit frenetischem Jubel vom geduldigen Publikum empfangen. Doch die ersten vier Nummern geraten gleich einmal zum Faustschlag ins Ohr, den das charismatische Auftreten der Grande Dame des Abends nicht ganz abdämpfen kann: Rückkoppelungen auf der Bühne, eine genervt an ihrem Ohrenstöpsel-Empfänger herumfummelnde Cyndi Lauper und ein Sound wie aus einer Blechbüchse, an deren Innenseite noch ein paar traurige Fasern vom Dosenfleisch kleben. Ehrlich! Nach den ersten, mehr schlurfend als stampfend rübergebrachten Songs von ihrem aktuellen Dancefloor-Experiment "Bring Ya To the Brink", läuft Lauper plötzlich von der mit bewundernswerter Hartnäckigkeit in nicht zusammenpassenden Farbkombinationen beleuchteten Bühne, wäscht dem Mann am Monitormischpult den Kopf und wechselt das Mikro. Jetzt klingt zumindest sie gut - eine entscheidende Verbesserung am nicht vorhandenen Soundkonzept.

Bei "She Bop" erreicht Lauper dann den Punkt, an dem Frust in Lust umschlägt. "Ich halte diese Schuhe nicht mehr aus", ruft sie und entledigt sich der Stiefelchen. Jetzt sind Hits angesagt: Der Bühnensklave bringt ihren Dulcimer (eine Mischung aus Slidegitarre und Zither), und schon geht mit "All Through the Night" die Post ab. Galant sieht Lauper darüber hinweg, dass ihr Gitarrist - ein Axt schwingender Howard Carpendale mit der Frisur von Rod Stewart - beim Sound etwas zu harsch wird. "I Drove All Night" - von Lauper 1989 aufgenommen, von Roy Orbison drei Jahre später zum Radiohit gemacht - kommt hingegen 1A. Schließlich schreitet das Enfant terrible der Achtziger zum politischen Teil der Setlist. "Je mehr Jahre vergehen, desto mehr Bedeutung hat dieser Song", sagt sie vor "Money Changes Everything". Während die Band das Pamphlet an diese Pfeffersäcke von Managern völlig unphrasiert hinplatscht, wirbelt Lauper mit ihrer Backgroundsängerin kräftig singend über die Bühne, was damit endet, dass die beiden einander abwechselnd zu Boden stoßen, bis Lauper - die nackten Zehen keck nach oben reckend - mit einem letzten "Moneeeeeey!!!" dem turbulenten Durcheinander ein Ende bereitet. Es folgt die live viel leichter verdauliche Single "Same Ol' Fuckin' Story" aus dem neuen Album - nach gerade 50 Minuten ist's plötzlich aus.

"Howie" und der Rest der Band kommen jedoch schnell wieder und auch Cyndi Lauper samt ihrem elektrifizierten Dulcimer, den sie spielt wie keine andere - siehe krone.at-Interview zum vorletzten Album "The Body Acoustic" in der Infobox. "Time After Time" bringt das Publikum zum Jubeln, bevor Lauper mit einer astrein rockenden Version ihres Über-Hits "Girls Just Wanna Have Fun" in Erinnerung ruft: Hey, ich hab die Grippe und eigentlich keine Lust - doch weil's eh scho wurscht is, machen wir schnell noch einen drauf. Die Solo-Version von "True Colors" ganz zum Schluss hat dann aber wieder nur sentimentalen Wert. Das Publikum drückt noch einmal alle Hühneraugen zu, als sich der platinblonde Wirbelwind im Soloteil ein paar Mal gehörig am Dulcimer verzupft und nicht ganz entscheiden kann, mit welchem Akkord und welcher Zeile jetzt aufgehört werden soll. Irgendwie ging's dann doch. Bühnenlicht aus, Hallenbeleuchtung an - nach ziemlich genau sechzig Minuten war jetzt also wirklich Schluss mit der späten Wien-Premiere der 80ies-Ikone. Und während Cyndi Lauper sich wohl noch ein paar Schluckerl Hustensaft einflößte und die Essigpatscherl auf die nackerten Fußerl schnallte, zogen 2.500 Konzertbesucher ab "through the night"; nicht ganz sicher, was man vom Gesehenen und vor allem Gehörten halten soll, aber gerade noch so fest im Sattel, um sagen zu können, dass auch im Scheitern manchmal etwas Grandioses liegt.

Von Christoph Andert
Fotos: Andreas Graf

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