"Waren jung & dumm"

Bullet For My Valentine im “Krone”-Gespräch

Musik
04.03.2013 09:14
Die walisische Metal-Formation Bullet For My Valentine ist mit dem neuen Studioalbum "Temper, Temper" auf Platz drei in den österreichischen Album-Charts eingestiegen. Mit den neuen Songs im Gepäck werden die Briten auch am diesjährigen Nova Rock aufgeigen. Im "Krone"-Interview sprach Sänger Matthew Tuck bereitwillig über unnötige Rockstar-Allüren der letzten Jahre, den Vorteil, in Thailand Alben aufzunehmen, und seine Frustration gegenüber illegalen Downloads.
(Bild: kmm)

"Krone": Matt, euer neues Album hört auf den Namen "Temper, Temper". Was verbirgt sich hinter dieser Wortkombination?
Matthew Tuck: Da steckt keine richtige Botschaft dahinter, an so etwas denken wir vor einem Album eigentlich nicht. Wir haben es nach dem gleichnamigen Song darauf benannt, und er spiegelt wider, wer wir sind und wie wir klingen. Der Song summiert das Album – auch vom Text her – ziemlich gut. Es ist ein sehr wütendes, aggressives Album geworden. Der Titel ist mehr ein Leitfaden als eine Botschaft. Er gibt einfach die Stimmung auf dem Album gut wieder.

"Krone": Müsst ihr euch manchmal selbst zügeln oder zurücknehmen?
Tuck: Ja, eigentlich täglich. Es gibt so viele Menschen, die uns für unsere Arbeit kritisieren. Ich habe über die Jahre gelernt, besser damit umzugehen und solche Sachen einfach durch meinen Kopf durchrutschen zu lassen.

"Krone": Vor nicht allzu langer Zeit hattet ihr innerhalb der Band mit Alkohol- und Drogenproblemen zu kämpfen und befandet euch auch untereinander in stressigen Situationen. Wie konnte es so weit kommen?
Tuck: Ja, das war eine schwierige Zeit. Ich hatte durch das viele Touren irrsinniges Heimweh, das waren negativ gesehen sehr intensive Zeiten. Einige von uns hatten plötzlich ganz schlechte Angewohnheiten, und das ist dann wie bei einem Schneeballsystem völlig außer Kontrolle geraten. Wir sind da unglücklicherweise auch in so ein typisches Rockstar-Leben verfallen. Das war nicht in Ordnung. Aber wir haben uns am Riemen gerissen, ein tolles neues Album veröffentlicht und jetzt ist wieder alles okay.

"Krone": Wie habt ihr die Probleme gelöst?
Tuck: Wir haben einfach miteinander gesprochen – als Freunde. Ein paar von uns haben auch Therapien gegen ihre Alkohol- und Drogenabhängigkeit gemacht, es war wirklich keine leichte Situation für uns. Es war uns auch allen ziemlich peinlich, aber es war essenziell für uns, um wieder den richtigen Weg einzuschlagen.

"Krone": Die ganze Geschichte hat ja unheimliche Parallelen zu Metallicas Dokumentation "Some Kind Of Monster".
Tuck: Ja das stimmt wohl, aber nicht alle machen eine Videodokumentation daraus. So was passiert wirklich vielen Bands. Es ist so einfach, in diesen Kreislauf zu verfallen, wenn du viel Zeit und viel Geld hast.

"Krone": Seit eurem letzten Album "Fever" (2010) seid ihr wesentlich Hard-Rock-lastiger geworden. Seid ihr da einfach natürlich reingewachsen?
Tuck: Wir sind in jedem Aspekt gewachsen – wir sind von Jungs zu erwachsenen Männern gereift und haben uns auch musikalisch stetig verbessert. Alles, was uns repräsentiert, wer wir sind, was wir tun, hat sich in allen Bereichen verbessert und professionalisiert. Wir sind weiser geworden.

"Krone": Vor allem der Song "Dead To The World" ist ja fast astreiner Hard Rock geworden. Seid ihr so große Fans dieser Ära?
Tuck: Wir sind alle Riesenfans von 80er-Jahre-Hair-Metal und Rock 'n' Roll. Ich bin in dieser Zeit aufgewachsen und habe einen großen Hang zum epischen, balladesken Rock. Wir haben uns auch als Songwriter stark verbessert und sind wirklich gut in diese Rolle reingewachsen. "Dead To The World" hat so viel Stimmung und Emotion – es hat uns wirklich Spaß gemacht, an diesem Song zu arbeiten. Wir haben uns keine Grenzen gesetzt, was das Verfassen von Songs betrifft.

"Krone": Im Vergleich zu anderen Bands, die in eurem Alter sind, habt ihr wahnsinnig tolle Fähigkeiten an den Instrumenten. Wie viel Zeit geht denn bei euch für das Üben drauf?
Tuck: Als ich als Kind begann, Gitarre zu spielen, habe ich etwa fünf Jahre lang vier bis fünf Stunden pro Tag geübt. Das hat dann aufgehört, als wir mit der Band unseren Plattenvertrag bekamen. Jetzt sind wir so viel auf Tour, dass ich niemals so viel zu Hause spielen kann. Dazu kommen die ganzen Promotermine – es fehlt einfach an Zeit. Heute ist es so, dass ich einfach entspanne und die Türen zur Musik schließe, wenn ich heimkomme. Ich mag es, dass ich diese zwei Seiten in meinem Leben habe.

"Krone": Teile des Albums habt ihr in Thailand aufgenommen. Aus welchem Grund?
Tuck: Ich denke, dass es sehr wichtig ist, ein Album nicht zu Hause aufzunehmen, nicht dort, wo du lebst. Deshalb gehen wir auch immer woanders hin. Wir haben für das Studio einen wirklich guten finanziellen Deal ausgehandelt, und Thailand war eine völlig neue Erfahrung für uns. Warum nicht? Wir waren am Strand, es war immer perfektes Wetter und wir hatten dort einen eigenen Swimmingpool. Wenn wir auf die Idee kamen, um drei Uhr morgens etwas aufzunehmen, war es einfach okay. Wir waren im Nirgendwo und konnten unsere Kreativität zu jeder Zeit fließen lassen. Es war einfach sehr relaxt, und jeder hat den Prozess mehr genossen als je zuvor.

"Krone": Schreibst du die Songs selbst noch in deiner walisischen Heimat?
Tuck: Die Songs auf "Temper Temper" haben wir fast ausschließlich in Thailand verfasst. Ein paar weitere haben wir dann noch zu Hause geschrieben. Die Texte und die Vocal-Spuren haben wir aber in Wales gemacht.

"Krone": Obwohl ihr von Album zu Album mehr in den Heavy-Metal-Bereich rückt, werdet ihr immer wieder in die Metalcore-Ecke gedrängt. Kannst du damit leben?
Tuck: Wir haben da nie so viel Aufmerksamkeit darauf gelenkt, aber wir wurden vom ersten Tag weg in diese Nische gedrängt. Wir haben uns selbst auch niemals als Metalcore-Band, sondern schlichtweg als normale Metal-Band bezeichnet. Spätestens mit diesem Album sollten wir aber wirklich aus der Ecke rausrücken, denn "Temper Temper" ist viel mehr ein Hard-Rock-Album. Ich denke, dass die Metalcore-Zeiten jetzt wirklich vorbei sind.

"Krone": Was macht deiner Meinung nach den Unterschied zwischen euch und anderen Metalbands aus? Schließlich verkaufen nicht alle Bands drei Millionen Alben.
Tuck: Das hängt wohl an mehreren Faktoren. Wir haben einerseits immer gemacht, was wir wollten. Wir haben uns nie dem Kommerz oder dem Radio gebeugt. Wir haben immer die Musik gemacht, die wir geliebt haben. Andererseits waren wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Als wir begonnen haben, gab es nicht viele Bands, die unsere Musik gespielt haben. Diese Mischung aus aggressiver Musik und aggressiven Vocals gepaart mit dem 80er-Jahre-Rock-Stil und schönen Refrains gab es einfach nicht. Viele Metal-Bands würden nie diese Art von Musik spielen, aber für uns gab es da nie Verbote. Was uns gefällt, wird gemacht. Ein großer Teil unseres Erfolgs ist sicher, dass wir auch immer ehrlich zu uns selbst waren.

"Krone": Wenn es keine Grenzen gibt – kann man von euch auch ganz Stilfremdes erwarten? So wie etwa Korn, die unlängst eine CD mit Dubstep-Elementen herausgebracht haben.
Tuck: Es wäre auf jeden Fall nicht unter dem Namen Bullet For My Valentine möglich, sondern eher als Side-Project anzudenken. Wir haben immer gemacht, was wir wollen, und nicht auf andere gehört. Es ist immer interessant, aus der eigenen Welt auszubrechen und zu experimentieren. Ich bin immer offen für so etwas, aber nicht unter unserem Bandnamen.

"Krone": Im Juni begrüßen wir euch wieder auf dem Nova-Rock-Festival. Kannst du dich noch an den Gig vor zwei Jahren erinnern?
Tuck: Ich erinnere mich jedenfalls daran, dass es das staubigste Festival der ganzen Saison war (lacht). Es ist ein cooler Platz mitten im Nirgendwo. Es war ziemlich verrückt. Du wirst zuerst vom Flughafen abgeholt, fährst dann in ein kleines Dorf und von dort weiter in ein Feld in der kompletten Einöde, und dann denkst du nur: "Oh, 50.000 Leute sind hier, cool." (lacht)

"Krone": Was ist dir als Musiker lieber: neue Songs auserten Fans abzurocken?
Tuck: Beides. Es kann auch beides Vor- und Nachteile haben. Im Studio zu sein, heißt immer, kreativ zu sein. Es ist alles so frisch und aufregend, andererseits hältst du es kaum mehr aus, wenn du dann vier bis fünf Wochen dort eingeschlossen bist. Live auf der Bühne zu stehen, ist immer das absolute Highlight für uns, aber auch dort hast du einfach genug, wenn du schon 18 Monate unterwegs bist, ohne dein Daheim zu sehen.

"Krone": In den letzten Jahren seid ihr mit den wirklich Größen des Genres, wie Metallica, Guns n' Roses oder Iron Maiden, aufgetreten. Bleiben einem da auch Erlebnisse im Kopf hängen?
Tuck: Klar, ich kann mich an jede einzelne dieser Touren sehr gut erinnern. Wir hatten als Jungs immer Träume und Wünsche, einmal ein Album rauszubringen oder mit großen Bands zu spielen - und dann passiert das plötzlich wirklich. Dann kommt plötzlich Metallica-Drummer Lars Ulrich in unseren Umkleideraum und stellt sich vor – "Natürlich wissen wir, wer du bist", entgegneten wir ihm. Er wusste genau, wer von uns wer ist, und freute sich, dass wir mit ihm auf Tour seien. Das war verdammt verrückt (lacht). Momente wie diese haben natürlich einen speziellen Platz in meinem Herzen. So etwas vergesse ich nie. Es ist so lächerlich, überhaupt daran zu denken, dass solche Begegnungen mal passieren könnten, und dann passiert dir das dauernd. Es wird niemals langweilig.

"Krone": 2006 seid ihr mit Rob Zombie auf Tour gewesen, und er hat euch mittendrin rausgeworfen. Was ist da passiert?
Tuck: Grundsätzlich hatte ich einen wirklich blöden Moment und habe mich online darüber ausgelassen, wie wir auf der Tour behandelt werden. Das hat ihm nicht gefallen, und er hat uns dann rausgeworfen. Wir waren auch noch ziemlich dumm. Damals kam unser erstes Album heraus, wir waren jung und noch stark im Lernprozess. Es war auch dumm von mir. Ich bereue es nicht, denn ich habe nicht gelogen, nur eben die Schmutzwäsche in der Öffentlichkeit verbreitet. Es war dann eine ewige, ermüdende Diskussion, aber es ist nunmal passiert. Als wir dort rausgeworfen wurden, hat uns Axl Rose auf seine Tour eingeladen, also war das im Endeffekt ja okay (lacht).

"Krone": Seid ihr denn selbst immer nett zu euren Supportbands?
Tuck: Zu 99 Prozent der Zeit schon. Natürlich schauen wir darauf, dass es den Bands gut geht, da wir früher selbst viele Erfahrungen in diesem Bereich gemacht haben. Wenn sich jemand danebenbenimmt oder sich nicht an gewisse Regeln hält, kann sich natürlich auch unsere Laune demgegenüber relativ schnell ändern. Dafür gibt es dann ja auch unseren Tourmanager, der etwaige Probleme im Vorfeld schlichtet. In den letzten acht Jahren ist das aber so gut wie nie passiert. Wir bieten den Leuten immer mal eine Flasche Whiskey an oder hängen mit ihnen ab. Das schafft schon prinzipiell eine viel angenehmere Atmosphäre auf Tour. Es ist immer schön, wenn dich der Headliner spüren lässt, dass du willkommen bist. So wie das Metallica damals eben auch bei uns gemacht haben.

"Krone": Viele eurer Fans haben euer neues Album schon einige Wochen vor der offiziellen Veröffentlichung illegal heruntergeladen. Wie gehst du damit um?
Tuck: Ich will nicht lügen, ich finde das ziemlich scheiße. Es ist schon beschissen und frustrierend, wenn du so hart und lange an einem Produkt arbeitest und die Leute nicht geduldig genug sind, um auf die finale Version zu warten. Es ist uns schon damals oft passiert, und du kannst ja relativ wenig dagegen unternehmen. Ich bin dann ziemlich enttäuscht von den Leuten und kann diesem Muster keinesfalls zustimmen.

Wer Bullet For My Valentine mit den Songs ihres neuen Albums "Temper, Temper" live sehen will, bekommt Karten für das Nova Rock 2013 unter der Telefonnumer 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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