Solo-Sause in Wien

Bryan Adams, der Klavier-Mörder und der Mädchenchor

Musik
08.11.2009 10:18
Vor 2.000 Fans bei intimer Club-Atmosphäre in der kleinen Wiener Stadthalle hat der kanadische Rocker Bryan Adams am Samstagabend sein erstes Konzert als Mitglied der 50-plus-Generation gefeiert. Für Ticketpreise zwischen 79 und 300 Euro bot der Jubilar (5. November 1959) eine knapp 140-minütige Solo-Show mit Hitfeuerwerk und zahlreichen Anekdoten zum Auftakt seiner europäischen "Bare Bones"-Tour. Und bewies, dass er auch allein mit Akustikgitarre und Klavier einen Saal zum Kochen bringen kann.
(Bild: kmm)

Die Shows der "Bare Bones"-Tour erinnern an die Musikfernseh-Formate Unplugged und Storytellers. Adams kramt in seinen Erinnerungen und garniert ein Hitfeuerwerk aus alten und neuen Songs mit lustigen Anekdoten. Bei knapp zweieinhalb Stunden kann der Kanadier trotzdem nur wenige Raritäten einstreuen, er hat in seiner mehr als 25-jährigen Karriere einfach zu viele Hits geschrieben, auf die das Publikum nicht verzichten würde.

Adams erinnerte sich am Samstag gleich zu Beginn an seinen ersten österreichischen Akustik-Gig im März 2008 im Jazzclub Birdland. Die damalige Promotion-Tour für das Album "11" habe das Akustik-Feuer in ihm entfacht, sagte der 50-Jährige. Seit mehr als einem Jahr tourt Adams nun mit Westernklampfe und dem Pianisten Gary Bright als einzigen Begleitmusiker um den Globus. Etablierten Musikern wirft man bei solchen Tourneen oft vor, sie würden damit ihre Finanzen sanieren wollen. Die Tickets der Wiener Show brachten dank gesalzener Kartenpreise (30 Meet-and-Greet-Tickets für 300 Euro, geschätzte 600 Tickets in der 101-Euro-Kategorie und weitere 1.400 für 79 Euro) immerhin einen Erlös von rund 180.000 Euro, den sich Adams nur mit Pianist, Roadie, Gitarrentechniker und Finanzamt teilen muss. Der Kanadier betreibt jedoch seit Jahren eine Entwicklungshilfe-Stiftung und tritt auch sonst immer wieder als Wohltäter auf. Das sollte etwaige Kapitalismus-Bedenken zerstreuen.

Einen Stadionrocker wie Bryan Adams erlebt man jedenfalls nur selten so publikumsnah wie auf dieser Tour. Er lässt sich Blumen schenken, versetzt zwei Mädels von ganz hinten auf die nach einer Stunde immer noch unbelegten Plätze in der vierten Reihe und schäkert während den Songs mit den weiblichen Fans, die sich im 25. Jahr von "Summer of 69" mittlerweile auf zwei Generationen aufteilen. Die lange Solo-Tour hat sich auch positiv auf Adams' Gitarrespiel ausgewirkt. Im Birdland klang das noch sehr nach "Lageuerfeuer-Schrummschrumm", in der akustisch perfekten Stadthalle F bot Adams einige Tricks und Licks, die bisher nur sein Gitarrenpartner Keith Scott abfeuern durfte.

Noch sympathischer als der Vollblutmusiker war am Samstag aber der Geschichtenerzähler Bryan Adams. Bei "When You Love Someone" outete sich der Kanadier als stiller Verehrer von Sandra Bullock, der trotz Beitrag zum Soundtrack nicht zur Filmpremiere eingeladen wurde. Das einzige Hoppala des Abends nutzte Adams für eine Standup-Einlage. Eine reißende Piano-Saite während "Not Romeo Not Juliet" entlockte ihm ein erstauntes "What the heck!?". Da habe wohl der Wiener Klavierstimmer etwas gegen diese Konzert gehabt, kam in Richtung seines "Klaviermörders" Gary Bright.

Dass Adams in Europa mit einem Ruf als Support-Act zu kämpfen hat, erfuhr man vor "(Everything I Do) I Do It For You": "Ich stehe am Flughafen Wien beim Gepäckband und jemand spricht mich an, ob ich Bryan Adams sei. Ich sage Ja und es kommt wieder dieselbe Meldung: 'Sie habe ich mal vor Tina Turner spielen gesehen.'" Das Liebeslied "Heaven" wurde für einen Film über einen männlichen Stripper geschrieben, wurde am Samstag offenbar. "Ich hoffe, ich hab Ihnen jetzt nicht die Erinnerung an ihren Hochzeitstag kaputt gemacht", entschuldige sich der Kanadier bei allen Liebespaaren, die den beliebten Hochzeitssong gewählt hatten.

Der kanadische Rockstar spielte sich am Samstag bemerkenswert bereitwillig durch seine alten Hits, und seien sie noch so käsige Schnulzen. Nur mit "Please Forgive Me" dürfte es der 50-Jährige nicht mehr so haben. Den bei allen Liebesliedern präsenten "Mädchenchor" würgte er mit einer humoristischen Einlage ab. "This would make a damn good country song", meinte Adams und parodierte die zweite Strophe unter johlendem Gelächter (der Männer) mit amerikanischem Südstaaten-Akzent.

Den Abschluss der Geburtstags-Sause - im Publikum war auch Adams' Mutter zugegen - markierte eine üppige Zugabe mit fünf Songs, an deren Ende beim Trio-Hit "All For Love" das Publikum die Parts von Sting und Rod Stewart übernehmen durfte. So eine Akustik-Show passt sicher nicht zu jedem Rockstar, Bryan Adams brilliert jedoch in der Rolle des sympathischen Alleinunterhalters.

von Christoph Andert


Die Setlist in Wien
Run To You
Tonight We Have The Stars
Hearts On Fire
Back To You
Here I Am
Thought I'd Died And Gone To Heaven
Let's Make A Night To Remember
Can't Stop This Thing We Started
I Thought I'd Seen Everything
When You Love Someone
Heat Of The Night
Not Romeo Not Juliet
(Everything I Do) I Do It For You
Cuts Like A Knife
This Time
Please Forgive Me
Summer Of 69
Walk On By
Heaven
The Right Place
When You're Gone
The Only Thing That Looks Good On Me Is YouI Need Somebody
Have You Ever Really Loved A Woman
Never Let Go
Straight From The Heart
All For Love

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