Hip-Hop aus München

Blumentopf plaudern über ihre neue Platte “Wir”

Musik
15.06.2010 16:51
Die Münchner Hip-Hopper Blumentopf beehren die Musikfans mit einer neuen Platte. "Wir" ist der sechste Output der Rapper und wartet recht unerwartet mit rockigen Sounds und starkem Drive auf. Aus diesem Anlass traf krone.at die beiden MCs Cajus und Roger zum Gespräch und plauderte mit ihnen über die Arbeit am neuen Album, ihr Image als Studenten-Rapper und ihre "RAPortagen" zu den WM-Spielen der deutschen Nationalelf auf der ARD.
(Bild: kmm)

krone.at: Zuerst zum Offensichtlichen: Die neue Platte ist viel rockiger ausgefallen als eure alten Sachen. Gibt es dafür einen Grund?
Cajus: Das hat den Grund, dass wir da voll drauf geflasht haben (Roger lacht). Wie jedes Mal haben wir ganz unbefangen angefangen, Songs zu machen. Wir hatten im Vorfeld einen Plan, was wir machen wollten, aber die Theorie am Reißbrett funktioniert bei uns nie. Wir haben dann etwas ganz anderes gemacht. "Hunger" war dann der erste Song, der nach drei Monaten entstanden ist. Da haben alle gesagt: Fuck, der ist geil. Und der klingt irgendwie nach Blumentopf neu. Lass uns mehr in die Richtung machen. Dann war das der Richtungsgeber. Wir hatten Bock auf Gitarre, auf schrammligen, dreckigen, kantigen Sound. Der lässt sich auch super live umsetzen, was für uns natürlich cool war.
Roger: Wir wollten auf jeden Fall einen analogen Sound haben. Es sollte nach Schweiß klingen. "Schweiß" war ein Song auf der alten Platte, der schon ein bisschen reinpasst in das neue Konzept. Uns war klar, dass es keine synthetische, elektronische Platte sein soll. Diesen Weg wollten wir auf keinen Fall gehen.

krone.at: Auf eurer sechsten Platte "Wir" ist nicht nur der Sound etwas anders. Es ist auch die erste, die nicht auf dem Fanta-4-Label FourMusic erscheint. Wie kam es zum Wechsel zur EMI-Tochter Virgin?
Roger: Wir wären beim letzten Album schon vertragsfrei gewesen, hatten eine lange Pause zwischen den Alben, in der wir alle mit Solo-Alben rumprobiert haben. Nach dieser Zeit haben wir dann überlegt, wie wir weitermachhen wollen? Und es war allen klar: Es muss ein Ruck durch's Land gehen. Wir wollten etwas ändern, etwas neu machen.

krone.at: Wie seid ihr das dann angegangen?
Roger: Wir haben uns zum ersten Mal ein Management geholt, weil uns die letzte Platte auch selbst sehr aufgerieben hat, da Cajus und ich in die Promotion extrem involviert waren. Jetzt wollten wir jemanden haben, der das für uns mitmacht – deshalb das Management. Und wir haben gesagt, jetzt fangen wir ganz neu an, machen Tag eins und gehen zu einer neuen Plattenfirma.

krone.at: War die Trennung schwer für euch?
Roger: Wir haben uns nicht im Streit getrennt. Und bis jetzt war es eine coole Chance. Wir haben ein neues Team - das ist wie eine neue Beziehung. Mit FourMusic war es eine Beziehung, in der alles eingespielt ist und man nicht mehr richtig weiß, warum man überhaupt noch zusammen ist. Man weiß: Das würde vielleicht noch gutgehen – bis man Amokläuft! Es ist für uns cool, jetzt motivierte neue Leute zu haben. Ich finde, einmal in der Karriere kann man auch das Label wechseln. Das ist somit auf der To-Dio-Liste abgehakt (schmunzelt).

krone.at: Wie war dann die Zusammenarbeit mit Virgin? War es ein großer Unterschied zu früher?
Roger: Eigentlich schon, da wir durch das Management einen neuen Weg gefunden haben: Jemand spricht für uns mit dem Label. Und ganz neu: Wir haben einen A&R (Plattenfirmen-Mitarbeiter, der Bands berät, Anm.).
Cajus: Es war cool, noch einmal eine außenstehende Instanz zu haben, die unsere Musik aus der Fan-Perspektive hört und auch nachvollziehen kann, was wir eigentlich machen wollen und was cool ist. Eine Person, die nicht in der Band ist und im Entstehungsprozess jede Diskussion mitgemacht hat, sondern die dann zuhört und sagt: Bei den zwei Chorus-Vorschlägen, ist der zweite auf jeden Fall besser.

krone.at: Man wird als Band da sicher auch betriebsblind…
Cajus: Ja, genau.
Roger: Du hast da keine Ahnung mehr. Es ist das Schwerste, die eigene Musik zu beurteilen. Natürlich bringt jeder nur die Platte raus, die er geil findet. Aber irgendwann musst du Abstand dazu kriegen, und das passiert meistens erst zwei Jahre nachdem die Platte veröffentlicht wurde. Aber wir machen diese Musik, wir finden sie gut und machen sie genauso, dass wir sie auch gut finden.

krone.at: Fühlt ihr euch eigentlich als Teil der deutschen Hip-Hop-Szene? Seid ihr Artverwandte von Bushido und Co.?
Roger: Man gehört schon grob einer Szene, oder besser, einer Musikrichtung an. Ist Bon Jovi mit Motörhead in einer Szene, weil beide irgendwie Rock sind? Das ist schwer zu sagen. Aber es ist deutschsprachig und hat irgendwie etwas mit Reimen zu tun. In die grobe Schublade würde ich uns jedenfalls stecken, auch wenn wir schon immer eine Sonderstellung hatten. Das hat auch immer gut funktioniert für uns: Es war uns immer Wurscht, was die anderen machen und so ist es heute auch noch.

krone.at: Genießt ihr euer Image als "Studenten-Rapper"?
Cajus: Wir sehen das als Kompliment und interpretieren es so, dass viele meinen, wir haben gute Texte, sind nicht die allerdümmsten Typen und kommen auch irgendwie sympathisch rüber. Wenn das Attribute von uns sind, finde ich das cool. Nenne uns von mir aus Studenten-Rapper …
Roger: (Unterbricht Cajus) … also mit 35 Studenten-Rapper, da müssen sie uns schön langsam als Langzeitstudenten raushauen (beide lachen).
Cajus: Es wird versucht, für alles Schubladen und Etiketten zu finden. In unserer Band sind wir fünf Leute und nur zwei haben davon studiert – und das ist endlos lange her. Aber von mir aus: Nenn' es Studenten-Rap.
Roger: Es gibt ja eigentlich nur Gangster- und Studenten-Rap. Wer nicht über Frauen und Bitches singt, der ist gleich Studenten-Rapper. Es gibt vielleicht noch Ballermann-Rap, aber das sind wir nicht. (An Cajus gewandt) Sind die Fantas (Die Fantastischen 4, Anm.) eigentlich auch Studentenrap oder sind die schon zu alt?
Cajus: Die Fantas werden von der Rap-Szene ja eigentlich gar nicht als Rap wahrgenommen. Das ist Pop-Musik, genauso wie die Brote (Fettes Brot, Anm.).

krone.at: Seid ihr im WM-Fieber?
Beide: Ja klar!

krone.at: Bereits bei der EM 2008 und der WM 2006 habt ihr die Spiele der deutschen Nationalelf in Reimform auf der ARD zusammengefasst. Wie sieht es heuer mit euren "RAPortagen" aus?
Roger: Da haben wir uns was eingebrockt: Wir können nie mehr mit Freunden normal Fußball schauen, weil wir bis ans Ende unserer Tage – bis zum Wegfall des Augenlichts oder der Stimme - Deutschlandspiele kommentieren müssen. Aber eigentlich ist das eh cool: Welcher Mann wird schon dazu gezwungen, sich Fußballspiele anzuschauen? Wer wird schon dafür bezahlt? Das ist mein Traumberuf - dass mir Rap das einbringt, dass ich fürs Fußballschauen auch noch Geld kriege!

krone.at: Ist es stressig, diese Beiträge zu erstellen? Ihr habt dafür ja nicht viel Zeit.
Cajus: Es ist schon eine Anspannung vorhanden – die Sanduhr wird umgedreht, und was bis dahin nicht fertig ist, ist nicht fertig. Man hat da auch den Druck, dass es 20 bis 30 Millionen Leute sehen. Wenn wir irgendwann mal soweit kommen sollten, dass die Zeit abgelaufen ist und wir nichts haben, oder nichts, mit dem wir zufrieden sind, dann würden wir das aber auch nicht bringen.

krone.at: Welche sind dann die schwierigsten "RAPortagen"?
Cajus: Die schwierigsten sind die, wo es heißt: Hier ist das Turnier für die Nationalmannschaft zu Ende. Da steht man gelähmt da und denkt sich: Sie hätten es doch schaffen können! Und jetzt sind sie draußen und wir müssen unseren lustigen Rap schreiben.
Roger: Und wir wollen ja nicht die Spieler beschimpfen. Dann müssen wir überlegen, wie man die Niederlage unterhaltsam verpackt. Bisher hatten wir auch Glück, weil wir seit wir das machen, noch nie peinlich ausgeschieden st und schlimm verliert. Deshalb ist Fußball für mich noch viel wichtiger geworden, als er es eh schon war.

Interview: Stefan Taferner

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