Neues Album

Björk kämpft auf “Vulnicura” um ihr eigenes Leben

Musik
28.04.2015 17:00
Seit mehr als 20 Jahren gilt sie als musikalische Ausnahmeerscheinung, gleichermaßen schwer greifbar wie fest verankert im Popbetrieb: Die isländische Sängerin Björk hat sich dabei stets neu erfunden und höchst erfolgreiche Schritte im Filmgeschäft gewagt. Jüngst erhielt sie auch museale Ehren. Auf ihrem aktuellen Album "Vulnicura" verleiht sie wiederum einem schwierigen Thema intensiven Ausdruck.
(Bild: kmm)

Die vor wenigen Wochen erschienene Platte behandelt nämlich die Trennung der heute 49-Jährigen von ihrem langjährigen Partner Matthew Barney. Nach "Biophilia" (2011), das sich an einer Deutung der Überschneidungen zwischen Natur und Technik, zwischen Mensch und Universum versuchte, nun also ein extrem persönlicher Zugang: In ungewohnter Direktheit artikuliert Björk hier ihr Innerstes. Wirklich mit der Künstlerin zu sprechen ist dieser Tage allerdings schwierig. In einem Skype-Chat erklärt Björk, dass sie derzeit versuche, ihre Stimme zu schonen. Daher muss man mit dem geschriebenen Wort vorlieb nehmen.

Zeit des Ausprobierens
"Vulnicura" sei jedenfalls alles andere als ein einfaches Projekt gewesen, erzählt die Isländerin. "Im ersten Jahr habe ich einfach Songs geschrieben, so wie ich das immer mache. Aber es hat einige Zeit gedauert, bis mir bewusst wurde, was ich da vor mir hatte. Als Songwriterin kann ich ja nur die Lieder schreiben, die aus mir herauskommen. Was aber das Arrangement betrifft, da bin ich bedeutend flexibler. Also stellte sich die Frage: Wie gehen wir das an?" Es folgte eine Zeit des Ausprobieren, des "Vor- und Zurückgehens", wie Björk den weiteren Verlauf beschreibt. "Und dann gab es die Entscheidung eines Musiknerds, dass die Songs stehen und fallen mit der emotionalen Chronologie in der Narration. Wenn ich das nicht habe, dann habe ich nicht viel."

Dem begegnet man nun in den ersten sechs Songs der Platte: Der Opener "Stonemilker" setzt neun Monate vor der Trennung an, das zentrale Stück "Black Lake" zwei Monate danach und "Notget" ist schließlich nach elf Monaten eine Art Abschluss. Hier, in einem der dynamischsten und abwechslungsreichsten Songs des Albums, singt Björk: "If I regret us, I'm denying my soul to grow/don't remove my pain, it is my chance to heal." Darüber erheben sich Streicher mit energischer Dringlichkeit, während sich sukzessive Beats in das Klangbild drängen.

Keineswegs selbstverständlich
Ein Album also als Heilungsprozess, wie es schon der Titel, der etwa mit Wundheilung zu übersetzen wäre, suggeriert. "Das war es auch", unterstreicht Björk. "Ich glaube, es gibt nicht die eine Methode, wie man so etwas angeht. Ich fühle eher, dass eine Erfahrung wie diese wie ein Kampf um das eigene Leben ist und jeder dabei das macht, was er impulsiv fühlt und für richtig erachtet." Dass bei ihr am Ende eine Sammlung von Songs entstanden ist, sei alles andere als selbstverständlich. "Ich bin damit doch nur durchgekommen, weil ich so etwas noch nie gemacht habe. Ich kann nur ein Album wie dieses in meinem Leben machen. Und da spreche ich als Musikerin, nicht als Person."

Dass die Streicher erneut einen so zentralen Platz einnehmen, wie es zuletzt auf "Homogenic" (1997) der Fall war, habe verschiedene Gründe, wie die Sängerin meint. "Einerseits habe ich schon so lange nicht mehr für Streicher geschrieben, weshalb es sich wirklich frisch anfühlte. Außerdem passten sie einfach zum Thema. Mit Melodien und dem Text kann man nur bis zu einem gewissen Grad etwas ausdrücken. Ich wollte aber auch diese Unterströmung, diese Dinge, die sich kaum greifen und ausdrücken lassen. Mit den Streichern habe ich genau das versucht." Unterstützt wurde sie bei der Arbeit am Album von den Elektronikkünstlern Arca und The Haxan Cloak, wobei deren Einfluss sich eher im Kleinen artikuliert, als dass sie den Songs ihren Stempel aufgedrückt hätten.

Österreichische Beteiligung
Eine Neudeutung würden die Stücke jedenfalls im Livekontext erfahren, so Björk. "Einige fühlen sich immer gleich an, für andere brauchst du jedes Mal einen neuen Blickwinkel. Aber ich mag diese Art von Musik: Songs, die innere Gesetze haben, denen man sich in gewisser Weise einfach unterordnen muss, denen man folgen muss." Dabei grenzt sich die Künstlerin auch durch das Setting aktuell deutlich von der vorangegangenen Tour, die durch eine opulente Show und eigens entworfene, überdimensionale Instrumente die Augen auf sich zog, ab. Es ist ein minimalistischer, ganz auf "Vulnicura" zugeschnittener Ansatz, den Björk u.a. in der New Yorker Carnegie Hall realisierte - unterstützt auch vom österreichischen Hang-Spieler Manu Delago.

In der US-Metropole sorgt Björk derzeit auch aus anderen Gründen für Aufregung: Eine ihr gewidmete Retrospektive im Museum of Modern Art hat nämlich nicht nur Vorfreude bei den Fans, sondern seit der Eröffnung auch viel Kritik an Kurator Klaus Biesenbach hervorgebracht. Es sei eine "oberflächliche Förderung der Hipness" dieses Hauses, schreibt etwa die "New York Times". Keinesfalls sei Björks Kunst "nicht museumswürdig, sondern das Museum ist, wie hier unter Beweis gestellt, dieser Aufgabe nicht gewachsen". Was sie selbst davon hält, ist nicht mehr zu erfahren. Ihre Tochter sei gerade von der Schule heimgekommen, außerdem warte das nächste Interview, blinkt es auf dem Bildschirm. Ob im institutionellen Kontext des MoMA oder im persönlichen Austausch, Björk bleibt auch 2015 schwer zu fassen.

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