Schauspielhaus Graz

Bizarrer Zauberberg

Steiermark
13.01.2018 13:36

Regisseur Alexander Eisenach hat sich diesmal Thomas Manns Roman "Zauberberg" vorgenommen. Wie schon bei seiner Grazer Inszenierung von Clemens Setz’ "Frequenzen" (2016) setzt er auch hier auf Schlaglichter, um das große Ganze zu transportieren. Und auch dieses Mal gelingt ihm ein faszinierender, unterhaltsamer Theaterabend - nicht zuletzt dank des großartigen Ensembles.

Es ist kein Abend für Thomas-Mann-Puristen, denen wird hier vieles fehlen und der Klamauk, mit dem Eisenach so manch Schlüsselszene löst, nicht gefallen. Aber es ist ein Abend für Theaterfans. Der junge deutsche Regisseur und sein Team bedienen so ziemlich alles, was die Maschinerie zu bieten hat: ein fantastisches Bühnenbild, das durch Einsatz der Drehbühne viele Szenerien, Blickwinkel und Stimmungen zaubert (Daniel Wollenzin); den gelungenen Einsatz von Filmsequenzen (rocafilm) und Musik (Beni Brachtel) sowie die stimmigen, zeitlosen Kostüme von Claudia Irro.

Assoziationen und Witzerln
Aus Manns Mammutwerk holt sich Eisenach, was er braucht, ergänzt es durch fremde Texte, assoziiert wild drauf los, schreckt auch vor Witzerln nicht zurück, um seinen "Zauberberg" zu erzählen. Und das ist spannend, manchmal anstrengend, oft zum Schmunzeln und für dreidreiviertel Stunden erstaunlich kurzweilig. Er zeigt einen aus der Realität gefallenen abgründigen Ort kurz vor dem I. Weltkrieg, wo sich skurrile Figuren versammeln, die sich Weltanschauungen ebenso um die Ohren werfen wie Plastikobst.

Originelle Einfälle
Herrscht vor der Pause noch heitere bis bummelwitzige Gelassenheit am Zauberberg, so ist danach Schluss mit lustig. Es wird tiefgründiger und mehr Thomas Mann. Doch auch hier findet Eisenach immer wieder originelle Lösungen.

Groß aufspielendes Ensemble
Das alles ginge nicht auf, ohne die außergewöhnliche Ensemble-Leistung. Die neun Schauspieler reden. philosophieren, schreien, singen, husten sich buchstäblich die Seele aus dem Leib. Raphael Muff als Hans Castorp wird gekonnt immer phlegmatischer, Clemens Maria Riegler als sein Cousin immer kränker. Florian Köhlers Settembrini und Nico Links Naphta sind famose Gegenspieler. Fredrik Jan Hofman überzeugt als hemdsärmeliger Klinikchef ebenso wie Evamaria Salcher als Ärztin mit Hang zum Analytisch-Okkulten. Sarah Sophia Meyer als Clawdia Chauchat bleibt vergleichsweise etwas blass, auch gegen den im Saft stehenden Mynheer Peperkorn von Franz Xaver Zach. Vera Brommers Erzählerin fungiert als Klammer, die das freie Spiel der Kräfte erdet.

Ein praller, ein fordernder aber auch sehr unterhaltsamer und bereichernder Abend. Große Empfehlung!

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