Interview und Album

Biffy Clyro nehmen 2013 Kurs auf den Rock-Olymp

Musik
06.02.2013 16:52
Mit dem famosen Album "Opposites" könnte dem schottischen Rock-Trio Biffy Clyro endgultig der Einzug in die Genre-Champions-League gelingen. Der charismatische Sanger Simon Neil unterhielt sich mit der "Krone" nicht nur über sein neues Meisterwerk, sondern auch über die Liebe zur ländlichen Abgeschiedenheit, warum er sich privat gerne Mist anhört und weshalb das neue Queens-Of-The-Stone-Age-Album sexy wird.
(Bild: kmm)

"Krone": Simon, euer neues Album "Opposites" gibt es auch als Doppel-CD mit 20 Songs. Ihr wolltet das Album auf die beiden Kapitel "The Land At The End Of Our Toes" und "The Sand At The Core Of Our Bones" splitten. Warum habt ihr das dann doch nicht gemacht?
Simon Neil: Das erste Album hat eine individuell sehr negative Note. Das zweite Album dreht sich darum, alles zusammenzuführen, zu einem König großer Herausforderungen zu werden. Deswegen wollten wir das auch aufteilen.

"Krone": Die europäische Version ist ein Album, für das ihr insgesamt zehn Songs ausgewählt habt.
Neil: Du kannst das Doppelalbum oder auch die Singleversion kaufen, für die wir die unserer Meinung nach besten Songs ausgewählt haben. Einige Leute haben uns gesagt, dass sie kein Doppelalbum von uns kaufen würden, also wir haben wir einen Kompromiss geschlossen. Niemand will fünf Monate an einem Album arbeiten, das dann keiner zu hören bekommt. Im Endeffekt sehen wir die Doppelveröffentlichung einfach als eine Art "coole Auswahl" (lacht).

"Krone": Eure Digipak-Albumversion mit den gezeichneten Baumen ist wunderschön. Verantwortlich dafür ist Storm Thorgerson, der schon fur Pink Floyd arbeitete. Was repräsentieren diese Bäume?
Neil: Das Frontcover bezieht sich auf den ältesten Baum der Welt, der in Chile steht. Das Interessante für mich war, wie stark die Wurzeln dieses Baumes sind. Völlig egal, was auch passiert, es gibt immer diese starken Wurzeln. Das kann ich genau auf unsere Band umlegen. Wir haben schon die verschiedensten Situationen durchlebt, aber solange wir zusammen spielen, Freunde und Familie bleiben, können wir alles überleben. Im Innenbereich des Digipaks gibt es den Baum des Lebens und den Baum des Todes. Da konnte sich Storm austoben und ich bin sehr froh, dass er seine kreative Ader bei uns ausgelebt hat.

"Krone": Habt ihr noch mehr Songs geschrieben, als am Album zu hören sind?
Neil: Ja, ich war in einem ziemlich aktiven Zustand und habe insgesamt 45 Songs in acht Wochen geschrieben. Das ist schlussendlich auch der Grund, warum wir ein Doppelalbum gemacht haben, weil wir auf die Lieder viel zu stolz waren, um sie unveröffentlicht zu lassen. Wir sind so selbstbewusst zu sagen, dass es die besten Songs sind, die wir je geschrieben haben. Es war eine seltsame Erfahrung, normalerweise schreibe ich Richtung Albumveröffentlichung so ca. 22 Songs. Es liegt wohl daran, dass wir fast zwei Jahre auf Tour waren und dort nicht viel weitergeht. Zu Hause hatte ich dann plötzlich keine Musik, war völlig entspannt und relaxt und machte mich an die Arbeit. Die Musik ist einfach so aus mir rausgeflossen, und wir haben faktisch jeden Tag aufgenommen. Normalerweise ist es nicht einfach inspiriert zu werden - aber hier ging alles wie von selbst und das war ein großartiges Gefuhl.

"Krone": Werden wir das ganze unveröffentlichte Material auch mal hören konnen?
Neil: Ja, drei dieser Songs etwa haben wir mit unserer neuen Single "Black Chandelier" auf iTunes veröffentlicht. Wir wollen mit jeder neuen Single etwa drei neue Songs präsentieren. Außerdem planen wir eine Compilation mit den B-Sides unseres letzten Albums. Wir werden diese ganzen Songs wahrscheinlich mal auf einem Tonträger veröffentlichen, aber ich kann noch nicht sagen, wann das sein wird.

"Krone": Auf "Opposites" habt ihr Keyboards, Mariachi-Klange und Trompeten integriert. Aus welchem Grund habt ihr euren Sound dorthin erweitert?
Neil: Wir wollten uns selbst ein bisschen herausfordern. Wir wollten für dieses Album keine einzige Idee auch nur in irgendeiner Weise limitieren. Vom ersten Tag der Demo-Aufnahmen an, haben wir in meinem Haus schon mit dem Keyboard experimentiert. Erstmals überhaupt haben sich die Songs einfach komplett angehört, bevor wir im Studio waren. Wir hatten schon mal Dudelsack- und Trompetenklänge - auch schon einen Song am Synthesizer komponiert. Ich kann dir gar nicht sagen wie, aber mit dem letzten Album kam einfach viel mehr Selbstsicherheit und Mut zu uns. Ich denke aber, wir haben uns damit ganz gut aus der Affäre gezogen. Ich glaube auch, dass das gewisse Leute verängstigen kann. Wenn wir jemanden erzählen, wir waren eine Mariachi-Band, wurden sie uns wohl fragen, ob wir komplett verrückt geworden sind (lacht). Aber wir genießen dieses Gefühl.

"Krone": Glaubst du, dass "Opposites" euch in die erste Rock-Liga zu Bands wie Muse pushen könnte?
Neil: Es hört sich jetzt vielleicht etwas komisch an, aber ich glaube schon, dass "Opposites" eines der besten Rockalben der letzten Jahre geworden ist. Es wäre naturlich nett, würden wir zu den Allergrößten im Rockbusiness gehören, aber das wurde für mich nicht den Erfolg des Albums ausmachen. Erfolg ist für mich zu sehen, dass es den Leuten wirklich gefällt, dass sie die Songs gerne und oft hören. Mir ist es lieber, wir haben 1.000 Leute, die Biffy Clyro lieben als eine Million, die uns ganz okay finden. Es ist uns sehr wichtig, dass uns die Leute verstehen und einen Konnex zu unserer Musik finden. Solange es Leute gibt, die sich unserer Musik verbunden fühlen, haben wir meiner Ansicht nach Erfolg. Mehr große Shows zu spielen, wäre naturlich auch sehr komfortabel. Aber das zählt momentan nicht so wirklich, die Musik macht einfach Spaß. Ich mag ja auch Sachen, die sonst niemand leiden kann. Zu meinen absoluten Lieblingsalben gehören Scheiben, die mein Bruder als volligen Mist bezeichnen würde (lacht). Wir werden sehen, wie es mit uns weitergeht.

"Krone": Doch nach dem Release eures letzten Albums "Only Revolutions" habt ihr drei UK-Touren ausverkauft und in der Wembley-Arena gespielt. Waren das die bisherigen Highlights für die Band?
Neil: Wembley war definitiv ein Highlight, aber 2011 das Sonisphere-Festival zu headlinen, war einer der größten Momente meines Lebens. Ich konnte nicht fassen, dass wir die Hauptband vor 60.000 singenden Leuten sind, ich habe Tage gebraucht, um das alles zu realisieren. Als wir wussten, wir bringen jetzt ein Album raus, haben einen Plattenvertrag - das war definitiv auch einer der schönsten Tage meines Lebens. Auch mit den Foo Fighters oder Queens Of The Stone Age zu spielen. Davon haben wir schon als Teenager geträumt. Leute wie Dave Grohl oder Josh Homme kennenzulernen, mit denen auch Freundschaften aufzubauen - das sind die Momente, wo ich mir dachte: "Oh mein Gott, wie sind wir jetzt hier gelandet?" Wir hatten viele Highlights, aber natürlich auch einige Tiefpunkte (lacht).

"Krone": Welche denn?
Neil: Na ja, wir haben anfangs schon viele Tage wirklich ganz miese Shows unter großem Stress spielen müssen. Ich habe mir damals auch mal die Rippen, die Nase und die Zehen gebrochen. Wir mussten damals ziemlich harte Zeiten durchleben.

"Krone": Josh Homme war ein gutes Stichwort, denn du gehörst ja bekanntlich zu den größten Fans der Queens Of The Stone Age. Was erwartest du dir vom neuen, 2013 erscheinenden Album der Jungs?
Neil: Was ich schon mal ganz fantastisch finde, ist, dass Dave Grohl jetzt wieder das Schlagzeug übernommen hat. Ich hoffe natürlich, dass es ein richtig starkes Album wird, das mich auch überraschen kann. Sie haben ja auch eine der längsten Pausen überhaupt zwischen zwei Alben gemacht. Ich bin mir sicher, dass sie richtig starke Songs in der Hinterhand haben. Sie haben derzeit nichts mit den Them Crooked Vultures am Plan, also dürfte Josh Homme sehr fokussiert sein. Es werden hoffentlich die besten Songs ihrer Karriere werden. Ich denke, wir können uns auf ein sexy Album gefasst machen. Ich liebe diese Band so sehr, weil sie so natürlich, echt und ehrlich ist.

"Krone": Die lange Pause war schon das nächste Stichwort, denn bis zur Veröffentlichung von "Opposites" sind auch bei euch vas mehr als drei Jahre. Wir sind viel getourt, haben viel Zeit in den USA verbracht. Die Leute wollten uns einfach immer sehen, wir konnten gar nicht aufhören, live zu spielen (lacht). Wir waren auch an die zweieinhalb Jahre nicht mehr wirklich zu Hause. Wir brauchten nach den ganzen Touren eine Pause. Du vergisst völlig, wie sich das normale Leben anfühlt. Auf Tour sagen dir alle immer genau, was wann zu tun ist - du brauchst eigentlich nur mehr eine gute Show abliefern. Wir mussten uns einige Monate lang wieder an das normale Leben akklimatisieren.

"Krone": Heimat ist ein schöner Begriff. Ihr habt die Band im schottischen Kilmarnock gegrundet, lebt und probt dort noch immer. Braucht ihr diese ländliche Abgeschiedenheit?
Neil: Absolut, ich schreibe meine Songs eigentlich nur zu Hause in Schottland. Es herrscht hier eine sehr relaxte Atmosphäre, weil sich die Leute nicht wirklich um Musik kümmern. Wir Schotten haben eine ziemlich zynische Ader, und ich mag das sehr gerne. Wir waren niemals die Band, die wir sind, würden wir nicht immer noch in Schottland leben. Es ist sehr wichtig für uns, weit weg von den Plattenfirmen zu sein. Wir würden niemals nach London gehen. Wir hassen es, wir hassen es absolut, wenn uns die Plattenfirma oder das Management unter Druck setzt. Ich will einfach spielen und mich mit der Band entwickeln. Und wenn wir bereit dafür sind, den Leuten unsere Songs vorzustellen, dann lassen wir sie auch von der Leine. Wir proben auf einem Bauernhof und hören daneben immer die Kühe muhen. Das ist sehr old-school und exakt derselbe Prozess, den wir seit dem allerersten Album verfolgen. Ich würde gerne mal nach Hawaii gehen, aber dort sicher keine Songs schreiben - das wäre dann nicht ich. Schottland ist ein Riesenteil von dem, was wir tun und darstellen.

"Krone": Aber aufgenommen habt ihr "Opposites" im sonnigen Santa Monica in den USA.
Neil: Exakt, das ist dann der glamouröse Teil (lacht). Wer will denn nicht nach Kalifornien gehen, um dort ein Album aufzunehmen? Möglicherweise ist das jetzt hart für dich zu hören (lacht laut), aber wir lagen auch mal fünf Monate am Strand herum. Nein, ehrlich - wir haben natürlich sehr hart am Album gearbeitet, aber es ist wesentlich leichter, wenn du - wie in unserem Fall - bereits im Vorfeld die gesamte Kreativitat hast fließen lassen, weißt, wo die Songs hin sollen, wie sie klingen sollen, und dann einfach nur mehr aufnimmst. Wenn du Songs schreibst, solltest du zu Hause sein, in der Realitat - aber wenn du ein Album aufnimmst, solltest du schon mal nach den Sternen greifen. Ich meine, in diesem Studio haben schon die Rolling Stones, Fleetwood Mac oder Dr. Dre aufgenommen. Und wenn du dann im Studio stehst, siehst du an der Wand all die goldenen Platten dieser klassischen Bands mit ihren klassischen Alben. Du bist so davon inspiriert, dass du selbst so einen Klassiker erschaffen willst. Ich glaube auch, dass uns die Mariachi-Einflusse in der schottischen Heimat unwichtig erschienen waren, während wir in Kalifornien offener waren für diese Ideen.

"Krone": Fühlst du den Druck der auf Biffy Clyro lastet? Jetzt, wo ihr zusehends bekannter werdet.
Neil: Also unlängst, als das Album veröffentlicht wurde, habe ich erstmals so etwas wie Druck verspürt. Du realisierst dann, dass deine Musik plötzlich jeder hören kann, jeder seine eigene Meinung dazu hat. Da wir Schotten sind, versuchen wir den Druck zu minimieren. Wenn wir nicht gerade auf Tour sind, dann verschwinden wir auch schnell wieder. Es ist sehr wichtig, bodenständig und auch gesund zu bleiben. Ich mag den Gedanken, dass unsere Musik berühmt ist, aber nicht wir als Band. Wenn die Leute unsere Songs kennen, ist das fantastisch, aber es ist uns völlig egal, ob die Leute unsere Gesichter kennen und wissen, wie wir aussehen.

"Krone": Ihr beginnt jetzt bald eure Tour durch Europa und Nordamerika, wo einige Shows schon viele Wochen vor dem Ereignis restlos ausverkauft sind. Wie weit können Biffy Clyro deiner Meinung nach kommen?
Neil: Ich weiß es nicht. Für mich ist es eine Reise der Ungewissheit. Wir hätten nie geplant, in der Society vorzukommen oder so viele Interviews zu geben. Wir haben vor zehn Jahren unser erstes Album herausgebracht und wurden als Band kontinuierlich besser, konnten immer mehr Leute für uns begeistern. Das ist fur mich wichtig. Der Himmel ist endlos - wir machen uns selbst keinen Druck, können aber sicher viel erreichen. Ob wir jetzt nächstes Mal in Österreich vor 10.000 Leuten spielen oder nicht - ich werde nicht maßlos enttäuscht sein, sollte es nicht klappen. Ich liebe es, Alben aufzunehmen, Songs zu schreiben und Ideen zu haben. Wir geben nicht so viel auf die Außenwirkung unserer Band. Aus kreativer Sicht können wir alle Alben schreiben, die wir wollen. Das ist mir wichtig. Ich will jetzt nicht unbescheiden wirken, aber ich denke, wir sind eine gute Band mit guten Songs. Es gibt viel schlechtere Bands als uns, die aber bekannter sind - ich sehe also keinen Grund, warum wir nicht auch noch bekannter werden sollten (lacht).

"Krone": Wann kommt ihr denn wieder nach Österreich?
Neil: Wir werden vielleicht im Frühling vorbeikommen. Wir wollten eigentlich im Februar bei euch spielen, hatten aber einen zu dichten Tourplan, sodass sich der Besuch verzögert. Wir konnen es kaum erwarten, hatten in Osterreich immer viel Spaß. Ihr wart eines der ersten Länder, das wir außerhalb der britischen Grenzen bespielt haben. Das war damals 2003 mit der Band The Cooper Temple Clause in der Wiener Arena. Wir haben damals den Sonnenaufgang neben der Donau gesehen - das war fantastisch.

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