Im Interview

Bauchklang stellen die Kunst über den Kommerz

Musik
28.01.2013 00:38
Mit dem "Vocal-Groove-Project" Bauchklang haben sechs junge Burschen aus St. Pölten vor 18 Jahren eine neue Ära der österreichischen Alternativ-Musik eingeläutet. Mit dem hierzulande noch in den Kinderschuhen steckenden Beatboxing brachte es das zum Quintett geschrumpfte Kollektiv sogar auf vier Amadeus-Awards. Im "Krone"-Interview sprechen Andreas Fränzl und Gerald Huber über ihr neues Album "Akusmatik", den Wunsch nach einer längeren Pause und warum Kunst immer über Kommerz steht.
(Bild: kmm)

Bis zur Veröffentlichung des fünften Bauchklang-Albums "Akusmatik" mussten die Fans drei Jahre warten – verkürzt wurde diese Zeitspanne aber durch die Veröffentlichung der EPs "Le Mans" und "Ray", mit denen die Niederösterreicher endgültig im elektronischen Segment angekommen sind. "Ansätze dazu hatten wir ja schon 2001, auf unserer ersten Platte 'Jamzero'", erklärt Sänger Andi Fränzl, "das hat sich über die Jahre bei uns gesteigert. Mitunter auch deswegen, weil sich unsere eigenen Geschmäcker verändert haben."

Tanzbare Bauchklänge
Für Fränzl seien drei Viertel der 13 brandneuen Tracks auf "Akusmatik" tanzbar, auf den "elektronischen Trendzug" im Musikbusiness wollten Bauchklang damit aber nicht aufspringen: "Wir machen das nicht aus Kalkül oder weil es so viele Leute erreicht, sondern weil es uns Spaß macht und inspiriert."

Bauchklang haben in Zusammenarbeit mit Produzent Patrick Pulsinger ihren Traum der Verschmelzung von Stimm- und Soundeffekten verwirklicht. Minimal-Techno trifft auf Dub, Beatboxing auf Hip-Hop-Zitate, elektronische Beats treffen auf technoide Sounds. Im Mittelpunkt stehen immer noch die Stimmen der fünf Mitglieder, die für einzigartige Klänge sorgen.

Doch was bedeutet "Akusmatik" eigentlich? "Es beschreibt Musik oder Sounds, bei denen die Ursprünge nicht mehr herleitbar sind", erklärt Gerald Huber, "wir wollten hier die Musik in den Vordergrund stellen und nicht das Beatboxen. Nachdem immer alle Leute fragen, wer von uns welchen Ton mache und wo den welches Geräusch herkomme, haben wir uns gedacht, wir drehen den Spieß um und machen alles noch unklarer."

Learning by doing
Dabei war ein volles Album gar nicht geplant, wie Fränzl betont: "Eigentlich wollten wir nur EPs veröffentlichen, hatten dann aber so viele starke Nummern, dass wir doch ein Album daraus gemacht haben." Viele Entscheidungsprozesse werden Bauchklang auch durch die Gründung ihres eigenen Labels Bauchklang Records erleichtert: "Auf einem österreichischen Label bist du fast immer auf den deutschsprachigen Raum eingeschränkt", benennt Huber die geografische Vertriebsproblematik, "aber wir wollen unsere Alben auch nach Frankreich oder Belgien bringen."

Diese geschäftliche Seite war Neuland für die Bauchklang-Jungs, deshalb war die Labelkonzeption auch nicht vollständig durchgeplant: "Einen Businessplan haben wir nicht gemacht, das war alles Learning by doing für uns", gibt Huber schmunzelnd zu.

Das Musikerleben in Österreich ist kein einfaches, was im Falle von Bauchklang mitunter an der fehlenden Radiopräsenz liegt: "Im Mainstream-Radio ist alles zu formatiert, zu viel Einheitsbrei. Man sollte niemanden pushen, nur weil er aus Österreich kommt, aber Künstler wie etwa Clara Luzia gehen völlig unter. Wenn ich von diversen Sendersprechern höre, dass die Quote von österreichischen Interpreten von 2,1 auf 2,4 Prozent erhöht wurde, ist das wie eine Verhöhnung. Man kann den Hörern viel mehr zumuten, als so mancher glaubt", echauffiert sich Fränzl über die gegenwärtigen Gegebenheiten, fügt aber hinzu, "wir legen es jetzt nicht darauf an, unbedingt im Mainstream gespielt zu werden, aber ein paar Nummern von uns würden dort schon funktionieren."

Zu geerdet für die Flucht
Da der Prophet im eigenen Land oft nichts zählt, haben viele österreichische Bands schon den Weg nach Deutschland eingeschlagen, um die Musik besser zu vermarkten. Für Bauchklang war das kein Thema: "Der Fluchtgedanke war bei uns nie so groß", erläutert Huber, "Andi (Fränzl, Anm.) wollte vor etwa zehn Jahren nach Berlin, hat sich dann aber doch anders entschieden. Wir interessieren uns für urbane Kultur, sind aber nicht im Urbanen verhaftet." "Es gibt Mitglieder der Band, die sehr geerdet sind. Manche denken sich auch: 'Ich bin wegen Bauchklang nicht nach Berlin gezogen'", fügt Fränzl lachend hinzu.

Ein Projekt wie Bauchklang verlangt viel Zeit. So gibt es im Musikgeschäft nicht nur schöne Seiten: "Es ist kaum möglich, mehr als zwei, drei Wochen Freizeit am Stück zu haben. Zwischendurch mal eine Weltreise zu machen ist nicht drin – auch nicht finanziell", lacht Huber. Eine bewusste und längere Pause könnte er sich durchaus vorstellen: "Es ist wichtig, mal anständig Urlaub zu machen. Die großen Bands machen das ja auch – insofern ist es durchaus legitim, über eine längere Pause nachzudenken."

Große Zukunftspläne
Dass diese nicht so bald kommt, liegt an den Wünschen und Plänen der Band: "Die USA oder Afrika zu bespielen, wäre wahnsinnig spannend. Auch einen Film-Soundtrack zu machen oder mit einem Theater zu kooperieren, steht auf der To-Do-Liste. Ich denke, dass unsere Musik sehr gut zu Bildern passt."

Von den vier gewonnenen Amadeus-Awards ist Huber der für den besten Live-Act der wichtigste: "Das hat uns irrsinnig gefreut, wir sind live oft aufgetreten und haben dabei viel Publikum erspielt. Nur die Ablöse im Jahr darauf durch Andreas Gabalier war eher schwach", fügt er lachend hinzu.

Eine Kooperation mit dem erfolgreichen Alpen-Rocker schließt er daher aus: "Er ist ein Unterhaltungskünstler par excellence. Ich glaube aber, dass sich sein und unser Publikum gegenseitig irritieren würden." "Prinzipiell gibt es natürlich keine musikalischen Grenzen", weiß Fränzl, "aber wir sind keine Fans von 'volksdümmlicher' Musik. Mit dem Hintern wackeln, und alle zucken aus – das spricht uns nicht an. Gabalier ist mir nicht unsympathisch, aber bei uns steht Kunst über Kommerz."

Sport statt Bierzelt
Bauchklang würde also im Bierzelt nicht funktionieren? "Auf der Bühne wollen wir nicht gut aussehen – wir strengen uns an und schwitzen. Unser Publikum geht von zehn bis 70 Jahren, und es ist immer schön, wenn eine ältere Frau oder ein Heavy-Metal-Fan unsere Musik mag. Aber im Bierzelt und vor Betrunkenen stelle ich mir das schwierig vor." Huber ergänzt lachend: "Auf der Bühne sind wir die absolut nüchterne Band. Wir können es uns einfach nicht leisten, betrunken zu performen. Ein Konzert von uns hat im Schnitt 80 Minuten, das geht schon an die Substanz. Aber ein bisschen Sport schadet ja nie."

Sportlich wird mit Sicherheit auch die Februar/März-Tour durch den deutschsprachigen Raum, bei der Bauchklang auch in Österreich Halt machen werden. Karten erhältst du unter 01/ 960 96 99 oder im "Krone"-Ticketshop.

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