"Krone"-Rezension

Anthrax und die Suche nach dem Jungbrunnen

Musik
29.02.2016 12:43

Mit "For All Kings" veröffentlichten die US-Thrash-Metal-Legenden Anthrax dieser Tage ihr erstes Studioalbum seit etwa fünf Jahren und versuchen dabei, mit ihren berühmten Branchenkollegen Slayer und Megadeth Schritt zu halten. Wir haben Sänger Joey Belladonna zum frischen Werk befragt und überraschend offene Antworten zum Miteinander in der Band bekommen.

(Bild: kmm)

Wenn von der Subsparte Thrash Metal gesprochen wird, kommt man nicht an den legendären "Big Four" vorbei, deren Zusammenstellung zwar in Fan- und Insiderkreisen immer wieder heftig diskutiert wird, aber sich mittlerweile so stark als Marke etabliert hat, dass die einzelnen Protagonisten vor einigen Jahren sogar auf große gemeinsame Tour gingen. Wenn auch unter verschiedenen Voraussetzungen, schließlich spielen Metallica in ihrer ganz eigenen Liga und haben für dieses Jahr sogar ein neues Studioalbum angekündigt, das laut Sprachrohr und Drummer Lars Ulrich dem letzten Werk "Death Magnetic" ähneln soll.

Revival der Alten
Während die zahlreichen Metallica-Anhänger diesem noch offenen Datum mehr oder weniger geifernd entgegenzittern, beweisen ihre "Big Four"-Club-Kompagnons allesamt, dass immer noch mit ihnen zu rechnen ist. Slayer eröffneten letzten Herbst den Veröffentlichungsreigen mit "Repentless", Megadeth besangen vor wenigen Wochen die düstere Zukunft in "Dystopia" und Anthrax packen fünf Jahre nach den letzten Werk nun "For All Kings" auf die Ladentische, um den Beweis anzutreten, dass man auch im gesetzten Alter noch würdig und recht durch die Gegend wüten kann.

Doch Obacht! Wer sich eine Brachialpalette voll schneidender Riffs und wütender Aggo-Hymnen erwartet, sollte vielleicht doch lieber auf die Kultscheiben der 80er-Jahre zurückgreifen, denn Anthrax anno 2016 klingen dem Alter entsprechend gesetzter, melodischer und vor allem wenig experimentierfreudig. "Es gibt eine extreme Bandbreite von verschiedenen Songs, die vielleicht etwas Zeit brauchen, bis sie wirklich zünden", erklärt uns Sänger Joey Belladonna dazu im Interview, "nach dem ersten Mal Durchhören werdet ihr das Album noch nicht ganz erfasst haben, es ist aber definitiv ein Werk, das mit jedem weiteren Mal wächst."

Melodie statt Punk
Was als Zitat bereits etwas bedrohlich wirkt, wird so manchen Old-School-Fan tatsächlich schockieren. Der Opener "You Gotta Believe" weist zu Beginn zwar die üblichen Anthrax-Merkmale wie galoppierende Thrash-Riffs und Doublebass-Stakkati auf, rutscht aber schnell in kompositorische Beliebigkeit. Auch das darauffolgende "Monster At The End" würde besser auf eine traditionelle Heavy-Metal-Scheibe passen und lässt viel von der Durchschlagskraft der alten Alben vermissen. Wer die punkigen Moshparts der Bandfrühphase sucht, wird auf "For All Kings" jedenfalls nicht fündig, dafür ist die Gitarrenarbeit von Scott Ian zu erwachsen und gereift ausgefallen.

Dass Anthrax offensichtlich an Unbekümmertheit und Spaß verloren haben könnte aber auch an den internen Schwierigkeiten liegen, denn von Teamwork ist bei den New Yorkern schon lange nichts mehr zu sehen, wie Belladonna unverblümt zugibt: "Es ist nicht so, dass es hier keinen gegenseitigen Respekt geben würde, aber jeder in der Band lebt in seiner eigenen Welt. Bei uns ist das so wie bei anderen Leuten im normalen Privatleben - jeder ist gerne für sich." Das erklärt auch, dass Belladonna mit seinem melodischen, sehr rocklastigen Vocals zwar die Songs einsingt, aber keine Idee von den Hintergründen hat, da der durchaus schwierige Scott Ian Texte schreibt und Ideengeber der Band ist.

Unwissenheit und Verantwortung
Die bereits im Vorfeld veröffentlichte Single "Evil Twin" dreht sich etwa um die tragischen Ereignisse von Charlie Hebdo in Paris, was Belladonna noch nicht einmal weiß. "Ich bin weder beim Songwriting, noch am Set-Up in der Band beteiligt, sondern einfach dann da, wenn man mich und meine Stimme benötigt. Ich konzentriere mich auf die Technik und die Stimmlage, auch auf den passenden Moment, aber niemals auf die Inhalte oder Bedeutungen der Texte. Ich wäre eher jemand, der Texte über Schlösser, Burgen oder Schwerter schreibt, was bei einer Band wie Anthrax eher kontraproduktiv wäre." Den Sinn des Albums erklärt Scott Ian folgendermaßen: "Mit ,König' meine ich nicht, dass du der Boss deiner Liebesbeziehung bist oder irgendeiner anderen Beziehung. Sei ein König für dich selbst. Es geht um das Übernehmen der Verantwortung für dein eigenes Leben."

Musikalisch regiert bei Anthrax immer noch der Dreschflegel, wenn auch wesentlich subtiler und überlegter. Ob Songs wie das künstlich in die Länge gezogene "Blood Eagle Wings" oder das zähe "This Battle Chose Us" tatsächlich die Fähigkeit haben werden, zu Klassikern im Liveset zu werden, darf jedenfalls bestritten werden. "For All Kings" erweist sich am Ende als mediokres Alterswerk, das zu sehr nach gängigen Songwriting-Schablonen komponiert wurde und Frische und Agilität vermissen lässt. Da kann auch drüber hinweggesehen werden, dass die sonst so geschmackssichere Lady Gaga via Twitter eine unbedingte Kaufempfehlung aussprach. Wir tun das an dieser Stelle nicht.

Live zu sehen sind Anthrax als Support von Amon Amarth am 7. Juni im Eventcenter Hohenems. Karten und alle weiteren Infos gibt es unter www.anthrax.com.

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