"Krone"-Interview

Amy MacDonald: "Wir Menschen sind alle gleich"

Musik
09.02.2017 10:34

Viereinhalb Jahre nach ihrem Erfolgsalbum "Life In A Beautiful Light" veröffentlicht Singer/Songwriterin Amy MacDonald nun endlich wieder neues Material. "Under Stars" ist ein gefühlvolles, warmherziges und sehr humanes Album, mit dem die 29-Jährige unter Garantie wieder in obere Chart-Regionen vordringen wird. Wir haben die sympathische Schottin mit dem markanten Dialekt zum gemütlichen Gespräch getroffen, und dabei nicht nur über das neue Album und ihr anstehendes Wien-Konzert gesprochen, sondern auch über den Brexit, die schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen und ihren Hund Arnold.

(Bild: kmm)

"Krone": Amy, dein neues Album "Under Stars" ist wieder gespickt mit Hits und sehr warmherzig und in sich geschlossen ausgefallen. Seit dem letzten Album "Life In A Beautiful Light" sind dennoch fast fünf Jahre vergangen. Eine ziemlich lange Zeit für das heutige Musikgeschäft…
Amy MacDonald: Alle Musiker wissen, dass man niemals über Zeitrahmen nachdenkt, wenn man an Songs schreibt. Ich habe alles selbst geschrieben und das braucht nicht nur viel Zeit, sondern auch einen freien Kopf, der die vielen Gedanken ordnen muss.

Der Albumtitel "Under Stars" wurde von einer guten Freundin von dir inspiriert…
Einer Freundin von mir wurde in New York ein Job für ein Jahr befristet angeboten. Für sie war das eine große Chance und mich hat es extrem inspiriert. New York kann der coolste Platz der Welt sein, wenn du dich darauf einlässt. Andererseits kannst du dort schnell einsam werden, was ihr passierte. Sie hatte extrem starkes Heimweh. Ich habe sie innerhalb eines halben Jahres etwa fünfmal besucht, um den Schmerz zu lindern - außerdem mag ich New York selbst sehr gerne. (lacht) Sie war so glücklich mich zu sehen, dass ihr die Tränen runterkullerten. Als ich wieder gehen musste, war sie am Boden zerstört. Sie fühlte sich verlassen und ich mich furchtbar. Ich hatte aber auch meine Verpflichtungen und Konzerte. Als ich dann in den Flieger stieg, sah ich die Lichter der Großstadt und auch die Sterne am Himmel und dachte nur daran, dass es ihr hoffentlich gutgeht. Das war der Moment, wo "Under Stars" erstmals in meinem Kopf als Idee aufploppte. Die Botschaft, die ich ich damit ausstrahlen will, ist folgende: Wir alle leben zusammen in einer Welt. Auch wenn wir grundverschieden sind, haben wir denselben Himmel über uns. Als Albumtitel hat er plötzlich in so vielen Richtungen Sinn gemacht - vor allem auch durch die Situation, in der sich die Welt momentan politisch bewegt. Ich wollte einfach einen schöneren Punkt aufwerfen. Eben mitteilen, dass wir alle auf demselben Planeten leben und lieber gemeinschaftlich agieren sollten, anstatt uns zu bekriegen.

Sind die einzelnen Songs auf dem Album zu einem Überthema zusammengefasst?
Es gibt kein Konzept, das war nie das Ziel. Die meisten Songs haben einen einzigartigen Hintergrund und kommen aus einer bestimmten Idee. Durch mich als Person und die Dinge, an die ich glaube, könnte es aber durchaus sein, dass eine eher unterbewusste Verbindung zu den Songs besteht.

Die erste Single-Auskoppelung "Dream On" hat ihren Test auf mehreren Live-Konzerten bereits souverän bestanden.
Da bin ich sehr froh darüber. Auch über die Tatsache, dass mein Label diese Nummer als erste Single ausgewählt hat. Ich kann den Leuten da wirklich blind vertrauen und das ist ungemein wertvoll. Ich bin sehr stolz auf diesen Song und freue mich darüber, dass er bislang auf so gute Resonanz stieß. Ich bin immer noch sehr nervös, wenn ich neue Songs präsentiere. Die anderen Songs sind ja oft schon zehn Jahre alt und ich habe sie Tausende Male gespielt - da verliert man irgendwann die Scheu davor. (lacht) Bei neuen Songs muss man auch darüber nachdenken, welches Wort als nächstes kommt und das man nichts vergisst. Meine Nerven flattern da immer ordentlich. Ich weiß im Vorfeld nicht, ob die Leute das gut aufnehmen oder eher nicht.

Du hast den Arbeitsprozess für "Under Stars" verändert. Erstmals hast du die Verantwortung aufgeteilt, weil du die Songs verstärkt mit deinen Bandmitgliedern geschrieben hast.
Das hat sich über die Jahre einfach so ergeben. Mit den Jungs bin ich teilweise auch schon seit zehn Jahren unterwegs und wir jammen vor den Gigs oft backstage, um uns vorzubereiten. Da entstehen mehr oder weniger gute Ideen. Wir haben dann beschlossen, es ernsthafter zu versuchen und mein Bassist Jimmy Sims, der auch Gitarre spielt, und ich haben da ein paar wirklich gute Ideen kreiert. Ich habe das noch nie so gemacht, bislang immer nur alles alleine entschieden und komponiert. Das war jetzt genau das Gegenteil, weil man Kompromisse eingehen oder über Ideen diskutieren muss. Man gewöhnt sich aber mit der Zeit daran und zieht die vielen Vorteile daraus. Zum Beispiel eine zusätzliche Kontrollinstanz.

Im Song "From The Ashes" gibt es die Zeile "It's ok to start again, cause changes gonna come" - ist das eine persönliche, autobiografische Zeile, in der du deine letzten Jahre hast einfließen lassen?
Nicht so richtig. Ich schreibe normalerweise eher nicht über mich, ich bin vielmehr eine Beobachterin. Ich liebe es, mir die Menschen anzusehen und mir ein Bild daraus zu machen. Daraus schöpfe ich sehr viel Inspiration. Ich versuche immer über mein eigenes Empfinden hinwegzusehen, um Inspirationen für Songs zu bekommen. Ich singe über Themen, an die ich glaube. In diesem Song geht es auch um Traditionen und die vorherrschende Meinung, man müsse gewisse Dinge immer so machen, wie sie früher immer waren, ohne aber eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Die Welt heute dreht sich so schnell, vor allem auch in der Musikindustrie - es wäre fahrlässig, sich nicht auf gewisse Strömungen einzulassen.

Du hast "Under Stars" vor, während und nach dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum geschrieben. Wie politisch ist das Album nun geworden?
Es ist überhaupt nicht politisch. Ich bin nicht die Person, die sich in ihren Songs politisch artikuliert oder etwas vorpredigt. Was mich aber inspiriert hat, war die Atmosphäre und die Aufregung, die zu dieser Zeit in Schottland herrschte. Die Leute waren passioniert, haben debattiert und wurden -in beide Richtungen - richtiggehend emotional, weil ihnen das Thema so wichtig war. Ich liebe es, wenn Menschen eine Meinung haben, sich für diese erheben und gradestehen, diskutieren und argumentieren. Das war eine aufregende, spannende Zeit und für kurze Zeit blickte die ganze Welt auf uns. Auch für mich als Musikerin war es einfach cool, ein Teil dieser Zeitepoche gewesen zu sein, weil ich so viel daraus rauszog. Ich habe nichts direkt zu diesem Thema geschrieben, aber die Grundstimmung floss definitiv in meine Songs ein.

Wie denkst du als Schottin über den Brexit und die Tatsache, dass deine Landsleute in dieser Entscheidung mitgefangen sind, obwohl sie hauptsächlich dagegen wählten?
Der Brexit spiegelt glaube ich sehr gut wider, warum so viele Schotten gerne die Unabhängigkeit hätten. Unsere Stimmen in Schottland haben einfach keinen Sinn. Schottische Stimmen haben im Westminster Parlament noch nie eine Veränderung evoziert. Ich darf seit zwölf Jahren wählen und ich konnte niemals eine Veränderung mitbewirken. Das war im Prinzip immer mein Argument für die Unabhängigkeit, dass es einfach an Fairness und Gleichheit fehlt. Ein Land regiert und drei andere wählen einfach so nebenbei mit. Für mich ist das fundamental wichtig, um sich von England zu lösen. Es wäre schön, wenn wir eine Regierung hätten, die sich auch wirklich mit den Problemen Schottlands befasst. Schottland hat überwältigend für den Verbleib in der EU gewählt, aber weil die Engländer anders entschieden haben, kommen wir zum Handkuss. Ich bin dafür, dass Schottland politisch eigenständig wird. Es ist ja deshalb nicht so, dass wir uns von Großbritannien loslösen und als Land in die Nordsee abtreiben. (lacht) Wir würden auch weiterhin zusammenarbeiten, aber politisch sollten wir getrennt werden. Persönlich halte ich den Brexit für dumm, es war eine von nach Macht strebenden Menschen abgekartete Situation, mit der sie viele Leute gefangen haben. Ich kann nicht verstehen, warum man für den Brexit ist. Ich kenne überhaupt niemanden persönlich, der das getan hat. Für uns war das Ergebnis ein echter Horror.

Würde "Under Stars" denn anders klingen, wenn du zum Beispiel vorher gewusst hättest, dass Donald Trump der Präsident der USA werden würde?
Ich weiß es nicht genau. Ich glaube nicht, dass ich diese Sache direkt in meine Musik hätte einfließhte, dass die Leute mal abschalten können, dann sollte ich lieber nicht über die Themen aus den Nachrichten singen. (lacht) Es gibt natürlich Themen, die mich zu Songs inspirieren würden, aber ich schreibe den Song dann so, dass jeder selbst etwas damit anfangen kann und er nicht in sich geschlossen ist. Jeder soll seine eigene Sicht aus den Songs ziehen, das ist wichtig.

Der Song "The Rise & Fall" kam dir, nachdem du dich mit der Figur des US-Präsidenten Frank Underwood aus der Erfolgsserie "House Of Cards" auseinandergesetzt hast.
Als ich den Song ursprünglich schrieb, gab es gar keine große Inspirationsquelle dafür. Als ich aber daran saß, habe ich zwei Wochen lang nichts anders als "House Of Cards" gesehen. (lacht) Manchmal wundert es mich selbst, was mich alles inspirieren kann. Kevin Spacey in dieser Rolle ist einfach unglaublich. Wenn jemand kreativ arbeitet und dann auch noch so gut, dann reißt mich das automatisch mit. Auch Robin Wright als seine Ehefrau spielt hervorragend. Das Handwerk der beiden ist unglaublich, ich kann komplett mit den Charakteren mitfühlen und ich glaube mehr kann man als Schauspieler in seiner Profession nicht erreichen.

Wäre das auch für dich interessant? Dich mal als Schauspielerin zu versuchen?
Oh mein Gott nein. (lacht) Für mich sind schon die 3-Minuten-Videos zu meinen Songs die Hölle, das mag ich an meinem Job sicher am Wenigsten. Es ist für mich ein Tag voller Wiederholungen und ich habe unglaublichen Respekt vor Schauspielern. Für mich wäre das nichts. (lacht)

Zum Song "Never Too Late" - gab es in deinem Leben einmal eine Situation, wo du definitiv zu spät warst?
Soweit habe ich nicht daran gedacht, sondern eher an das gesamte Bild. Es soll dir sagen, dass es niemals zu spät ist, um sich oder etwas zu verändern. Man muss seinen Träumen folgen und nicht irgendwelchen Vorgaben. Daran sollten wir uns immer wieder erinnern, das ist ungemein wichtig.

Seit deinen frühen Tagen warst du schon sehr erfolgreich bei uns in Österreich. Welche Beziehung hast du zu diesem Land?
Ich liebe es jedes Mal, in dieses wunderschöne Land zu kommen. Die Fans sind einfach großartig, sie unterstützen mich schon seit dem ersten Tag, kommen zu meinen Shows und kaufen meine Alben. Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder zurückzukommen, um sie zu begrüßen und mit ihnen in eine Interaktion zu treten. Ich bin einfach extrem dankbar und fühle mich geehrt.

Gibt es etwas Besonderes in Österreich, dass du, wenn die Zeit dafür da ist, besonders gerne siehst?
Die Stadt Wien - ich war schon so oft hier, aber ich habe meist so einen dichten Zeitplan, dass ich kaum etwas machen kann. Ich bin immer wieder erstaunt über die Berge in diesem Land und die gesamte Kunst- und Kulturszene. Gestern hatte ich nach dem Mittagessen ein bisschen Zeit um spazieren zu gehen, aber nach zehn Minuten konnte ich bei der Kälte mein Gesicht schon nicht mehr spüren. (lacht) Ich bin dann schnell zurück und hoffe, dass ich mal zu einer freundlicheren Jahreszeit durch die Stadt schlendern kann - ohne das mir Finger und Zehen abfrieren. (lacht)

Gibt es zwischen Wien und deiner Heimatstadt Glasgow irgendwelche besonderen Gemeinsamkeiten?
Wien hat einfach so eine markante Architektur und imperiale Bauten, aber das gibt es auch in Glasgow. Der größte Unterschied liegt an der Person selbst. Glasgow ist eben mein Daheim, da gehe ich unbedacht durch die Straßen, während ich in Wien wohl alle paar Meter Fotos machen würde. Zuhause fällt einem die Schönheit einer Stadt gar nicht mehr so wirklich auf, wenn man darin lebt.

Du hast deinen Hund Arnold nach Arnold Schwarzenegger benannt…
Mein Vater hat ihn so benannt. Als ich vier Jahre jung war haben meine Schwester und ich unsere Eltern solange genervt, bis wir einen Hund bekamen. Mein Vater hatte zudem eine Videokamera, wodurch mein ganzes Leben zwischen dem 3. und 15. Lebensjahr im Prinzip lückenlos dokumentiert ist. Unsere Eltern haben uns also mit einem Hund überrascht und Dad hat es gefilmt. Meine Mutter hat uns gefragt, wie wir ihn nennen wollen und mein Dad schrie immer in die Kamera: "Schwarzenegger, nenn ihn Schwarzenegger". Wir haben ihn ignoriert und ihn "Jackson" genannt, weil uns der Name gut gefiel. Als ich aber vor ein paar Jahren meinen eigenen Hund bekam, kam die Erinnerung an meinen Dad hoch und ich habe ihn dadurch "Arnold" getauft. (lacht)

Am 14. März kommst du endlich wieder zu uns, um im Wiener Gasometer eine Show zu spielen. Worauf können wir uns freuen?
Das wird großartig. Meine Band und ich werden die großen Hits mit den neuen Songs vermischen und ich bin ziemlich aufgeregt. Es ist ziemlich schwierig, wenn man schon vier Alben hat und wohl kaum mehr als maximal 90 Minuten Zeit pro Abend. Irgendwann müssen die Hallen ja auch wieder zusperren. Ich muss mich also schon im Vorhinein entschuldigen, dass dem einen oder anderen wohl sicher ein Song fehlen wird, aber solche Probleme entstehen mit der Menge der Songs. Es wird auf jeden Fall eine ausgewogene Mischung und ich werde auch wieder viel mit euch im Publikum tratschen - ich liebe das einfach. Ich werde 100 Prozent geben und kann die Tour kaum erwarten.

Was sollen die Hörer über dein Album denken?
Das ist mir eigentlich egal, das Album kann und soll jeder für sich interpretieren können. Natürlich würde es mir gefallen, wenn die Menschen meine Songs mögen und das Album weiterempfehlen würden. Aber ich muss mich schon für das bisherige Feedback bedanken, meine Fans sind so großartig. Ich habe hier eine breite musikalische Palette und hoffe, dass es den Leuten zusagt.

Bist du vor der Veröffentlichung entspannt oder verspürst du doch großen Druck?
Den einzigen Druck, den ich verspüre, den mache ich mir selbst. Ich bin mein härtester und erbarmungslosester Kritiker, aber das ist wohl ganz normal. Wenn ich zufrieden bin, dann ist normal aber alles okay.

Wer Amy MacDonald nach vier Jahren Österreich-Abwesenheit wieder live sehen möchte, der sollte am 14. März in den Wiener Gasometer kommen. Alle Infos und Karten erhalten Sie unter www.amymacdonald.co.uk.

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