Neues Album "Gore"

Adrett und brachial: Die Deftones sind wieder da

Musik
08.04.2016 17:00

Die Hände zum Gebet gefaltet: Hat man dieses Bild beim Genuss des neuen Deftones-Songs "Prayers/Triangle" vor Augen, ist man wohl auf der falschen Fährte. Eine religiöse Seite hat die US-amerikanische Metalband bis dato ja eher nicht an den Tag gelegt. Wobei: Sänger Chino Moreno ist auch auf "Gore", der achten Platte der Formation, textlich vorzugsweise in abstrakten Sphären unterwegs.

(Bild: kmm)

So ist es zunächst nur der Albumtitel, der ein scheinbar blutiges Thema ausgibt. Musikalisch besinnt man sich vier Jahre nach dem hervorragenden "Koi No Yokan" gleichermaßen auf alte Stärken wie Schwächen. Wo der Vorgänger für viele Fans erstmals seit dem einprägenden "White Pony" (2000) die eingängige, gleichzeitig sehr experimentelle Seite der Gruppe blendend einfangen konnte, ist "Gore" im ersten Hördurchlauf eher Durchschnittsware. Aus dem Hause Deftones hat man Songs wie die beiden im Voraus ausgekoppelten Stücke - auch der "Doomed User" spukt schon durch das Internet - bereits zwingender gehört.

Wendungsreich und brachial
Aber die Gruppe, die Mitte der 90er-Jahre gemeinsam mit den Kollegen von Korn einen zwiespältig zu beurteilenden Trend namens Nu Metal eingeleitet hat, mittlerweile aber eher im alternativen Fahrwasser unterwegs ist, tut dem Hörer neuerdings nicht den Gefallen, schnelle Schlüsse zuzulassen. Atmosphärische Soundschwaden, plötzlich hereinbrechende Brachial-Riffs und Morenos ansatzloser Wechsel zwischen einfühlsamem Geflüster und infernalischem Geschrei lassen die elf neuen Songs nur selten still sitzen: Hier werden zig Wendungen aneinandergereiht, kann man die Essenz eines Liedes oft nur erahnen, bevor schon wieder der nächste Sprint ansteht.

"Es ist egoistisch, weil wir uns nicht wirklich darum kümmern, was die Leute von uns erwarten", hielt Keyboarder Frank Delgado gegenüber dem Online-Magazin "Fuse" fest. Stimmt, Erwartungshaltungen schienen den Deftones schon bisher am Allerwertesten vorbeizugehen. Dass sie mit den jüngeren Platten wie "Saturday Night Wrist" oder "Diamond Eyes" dennoch zum Teil vorhersehbare Kost abgeliefert haben, ohne wirklich ein bestimmtes Schema in die Auslage zu stellen, mag wiederum ein anderes Problem sein.

Wackeliger Abschied
Zumindest emotionalen Einfluss dürfte nicht zuletzt das Ableben von Gründungsmitglied Chi Cheng gehabt haben: Der Bassist fiel nach einem Autounfall im Jahr 2008 ins Koma und verstarb 2013. Seinen Platz hat mittlerweile Sergio Vega eingenommen. Immer noch in Schwebe ist da die bis dato nicht veröffentlichte Platte "Eros", die letzte, an der Cheng noch beteiligt war. Ob die dafür entstandenen Songs jemals das Licht der Welt erblicken werden, steht nach wie vor in den Sternen, die Wahrscheinlichkeit ist aber zuletzt sicherlich nicht gestiegen.

Stattdessen also "Gore": Das achte Studioalbum der Deftones, das von einem etwas optimistischeren Grundton geprägt ist und musikalisch wieder stärker flächige Strukturen einbezieht, dürfte unter nicht ganz einfachen Bedingungen entstanden sein. Jedenfalls wurde unter Fans zuletzt intensiv diskutiert, wann Gitarrist Stephen Carpenter nun wirklich zu den Aufnahmen hinzugekommen ist - beziehungsweise wie motiviert sein Einsatz ausfiel. Ob der Einförmigkeit vieler Gitarrenparts kann durchaus über die Intensität seiner Beteiligung nachgedacht werden.

Adrett und unentschlossen
Von Moreno selbst ist das Album gegenüber dem indischen "Rolling Stone" als "leichte Abkehr" vom jüngsten Output seiner Band bezeichnet worden, was man auch verstehen kann. "Hearts/Wires" klingt eher nach Rock denn Alternative Metal, bei "Phantom Bride" versprüht Alice-In-Chains-Gitarrist Jerry Cantrell reichlich 90er-Feeling und der Titeltrack klingt beileibe nicht als einziger eher skizzenhaft denn komplett ausgegoren. "Ich glaube, es ist eine Platte geworden, die man so von uns nicht erwarten würde", kommentierte Moreno die grundsätzliche Herangehensweise. Das stimmt. Denn so adrett im Ton, aber gleichzeitig unentschlossen in der Ausführung klangen die Deftones wirklich schon länger nicht mehr.

Bleibt abzuwarten, wie sich "Gore" über die Zeit entwickelt. Live stellt die US-Band das neue Material beim diesjährigen Nova Rock Festival in Nickelsdorf (12. Juni) vor. Tickets gibt es auf www.novarock.at.

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