20 Jahre Senna-Tod

“Ayrton denkt, sein Glaube macht ihn unsterblich”

Sport
30.04.2014 17:31
Leider war er nicht unsterblich – am 1. Mai vor 20 Jahren kam der dreifache Formel-1-Weltmeister Ayrton Senna, für viele der Größte aller Zeiten, in Imola ums Leben. Weggefährte Heinz Prüller erinnert sich an den Mann mit sechs Armen und vier Beinen.

Formel-1-Arzt Sid Watkins kniete neben Ayrton Senna, als der größte Rennfahrer aller Zeiten sein Leben aushauchte: "Noch ein letzter Seufzer, und in diesem Moment spürte ich: Seine Seele ist zum Himmel aufgestiegen." Unfassbar: Der mystische, magische Ayrton Senna war tot. Der Supermann, von dem Alain Prost sagte: "Ayrton denkt, sein Glaube an Gott macht ihn unsterblich."

"Er muss sechs Arme und vier Beine haben"
Und Gerhard Berger, Freund und Teamkollege von Senna, sagte mir am 1. Mai 1994 traurig: "Als wäre die Sonne vom Himmel gefallen." Da weinte nicht nur die Formel 1 um ihr Genie. Senna und die neue Artistik des Rennfahrens. John Watson war 1983 der Erste, der Senna bei Testfahrten zusah: "Unglaublich, was der alles in einer Runde mit seinem Auto anstellen kann. Er muss sechs Arme und vier Beine haben." Kein Wunder, dass sich bald alle Spitzenpiloten in ihre Verträge schreiben ließen: "NO SENNA!"

Sechsmal gewann er in Monte Carlo
Er holte seine größten Siege, Estoril und Donington, im strömenden Regen. Seinen heißersehnten Heimtriumph in São Paulo mit Krämpfen, Schmerzen und Gebrüll im Cockpit – der Fernsehton war weltweit zu hören, und Millionen Brasilianer zitterten mit ihm. Er gewann sechsmal den Klassiker von Monte Carlo, aber einmal verlor er ihn. Überlegen in Führung, krachte er im Tunnel gegen die Leitplanken – und war nimmer zu sehen. Spurlos verschwunden, sogar für McLaren unauffindbar. Er hatte mir alle seine Handy-Nummern gegeben, und ich fand ihn wirklich in seinem Appartement gleich neben dem Café Brasil, zurückgezogen. Wir telefonierten noch während der TV-Übertragung. "Mir ist selber noch ein Rätsel, was da passiert ist. Plötzlich war die Konzentration weg."

Egoistisch, aber auch warmherzig
Senna: kein normaler Rennfahrer. Charismatisch, hart bis brutal, egoistisch, aber auch warmherzig, analytisch. Er konnte Siegfahrten oder Kollisionen schildern wie in Superzeitlupe. Und als er in Suzuka gewann, saß er die halbe Nacht in seinem verdunkelten Hotelzimmer und hörte zwei Stunden lang nur auf den Motorlärm. Er war auch ein guter Businessman, mit Herz und Hirn. Als sich Ron Dennis weigerte, ihm – wie Alain Prost – 20 Millionen Dollar Jahresgage zu zahlen, sagte Ayrton: "Gut, dann fahr ich für eine Million pro Rennen." McLaren zitterte jeden zweiten Sonntag, ob er kommt, aber am Ende hatte Ayrton seine 20 Millionen.

Er lebte in einer anderen Geschwindigkeit
Auf der Rennstrecke war er gnadenlos. Als er Prost in Estoril mit 300 km/h gegen die Boxenmauer drängte, warnte ihn der Franzose: "Ayrton, wenn dir der WM-Titel so wichtig ist, dass du dafür dein Leben riskierst, dann nimm ihn dir. Ich will ihn nimmer!" Ich hab' ihn von 1983 bis 1994 begleitet. Senna lebte in anderen Dimensionen. Einmal pushte er ein ganzes Rudel Reporter zum Interview aus der Box: "Nicht so langsam. Geht alle schneller." Da merkte ich: Er war kein Raser, er lebte nur in einer anderen Geschwindigkeit, die war für ihn normal – die anderen waren die Langsamen.

"Lass links hinten die Bremsen anschauen"
Einmal holte ich ihn von Willi Dungls Trainingszentrum aus Gars ab. Senna eine Woche ohne Lenkrad. Willst fahren? Natürlich. Die Tachonadel meines 911ers war bald am Limit. "Ayrton, wir haben ein bissl Speed-Limit in Austria." Er bremste sich sofort ein: "Not like Germany?" Aber beim Aussteigen sagte er mir: "Lass links hinten die Bremsen anschauen. Und rechts vorn den Reifendruck." Vielleicht war's auch umgekehrt, aber welcher Formel-1-Reporter kann schon sagen: Senna hat mein Auto getestet. Supermann, Champion, Medienstar. Auf dem Höhepunkt seiner gigantischen Karriere rissen sich alle TV-Sender um exklusive Senna-Interviews. RTL bot ihm sogar 1,5 Millionen Dollar, aber Ayrton hatte Prinzipien: "Ich geb' nur ein großes Interview - und das hab' ich dem Heinz versprochen."

"Gib deinem Sender die Kontonummer meiner Stiftung"
Ich drehte es in seiner Hotelsuite in Australien, vor dem rosa Lampenschirm. Das Interview, das heute noch – filetiert – oft auftaucht. Senna wollte kein Geld, nicht direkt, "aber gib deinem Sender die Kontonummer meiner Stiftung für brasilianische Straßenkinder. Du weißt, für jedes Kind eine warme Mahlzeit täglich."
Da war er wieder, der warmherzige Senna, der 1,5 Millionen abgelehnt hatte. Aber als er später sah, wie lächerlich wenig der Interview-Sender gespendet hatte, nur ein Trinkgeld, war er enttäuscht und traurig: "Du kannst immer kommen. Aber die anderen – nie mehr wieder!"

Berger trieb viele Scherze mit Senna
Und was hat ihm erst Gerhard Berger angetan. Der wusste von Sennas Milchallergie, also steckte er ihm Käse und Quargel, extra in der Sonne gegrillt, "damit es richtig stinkt", in den Pyjama und unter die Bettdecke. In Magny Cours band Berger das Senna-Leihauto am Fensterkreuz fest, in Mailand riss er ihm während des schlimmsten Verkehrs den Zündschlüssel ab und warf ihn unters Auto, auf dem Helikopterflug nach Monza schmiss er den berühmten Senna-Koffer in den Comosee.

Berger war sein bester Rennfahrerfreund, sein größter Feind war Prost. In Suzuka fuhr Senna mit 300 km/h dem Prost-Ferrari ins Heck und sagte später, ungefragt und überraschend: "Das war meine Revanche. Es war Absicht." Die späte Beichte. Um sein Gewissen zu erleichtern? Fünf Monate später war der "göttliche Senna" tot.

Aber die Legende lebt ewig weiter. Als Schumacher in Monza Sennas Poleposition-Rekord egalisierte, musste er plötzlich weinen, "weil mir das so viel bedeutet".

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(Bild: KMM)



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