Ewige Streitfrage

WHO: Handys “möglicherweise krebserregend”

Elektronik
01.06.2011 07:13
Es ist eine altbekannte Streitfrage, an der sich die Geister scheiden: Schadet das Telefonieren mit dem Handy der Gesundheit? Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO am Dienstag mitteilte, "kann" davon eine Gesundheitsgefahr ausgehen - denn Handystrahlung ist "möglicherweise krebserregend". Zu diesem Schluss kamen Experten der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in einer aktuellen Studie. Der internationale Verband der Handy-Produzenten wies den Bericht erwartungsgemäß zurück.

Wie das Krebsforschungsinstitut der WHO am Dienstag mitteilte, haben 31 Fachleute aus 14 Ländern im französischen Lyon eine Woche lang "nahezu sämtliche verfügbaren wissenschaftlichen Belege" ausgewertet, die jemals über einen möglichen Zusammenhang zwischen Handystrahlung und Krebserkrankungen erstellt wurden.

"Mechanismen bleiben offene Frage"
"Es ist im Moment nicht eindeutig belegt, dass die Nutzung von Mobiltelefonen Krebs bei Menschen auslösen kann", erläuterte Kurt Straif, Vorsitzender des Monografien-Programms der IARC, in dem bereits mehr als 900 mögliche Krebsauslöser bewertet worden sind. Dennoch entschlossen sich die Fachleute zur Einstufung der Strahlung als "möglicherweise krebserregend" ("possibly carcinogenic"), da es begrenzte Hinweise auf ein erhöhtes Auftreten bestimmter Hirntumore, sogenannter Gliome, bei Intensiv-Handynutzern gebe. Auf welche Weise die Strahlung Krebs auslösen könnte, ist ungeklärt. "Die Mechanismen bleiben eine offene Frage."

"Das Ergebnis bedeutet, dass es ein Risiko geben könnte, und wir müssen deshalb genau nach einer Verbindung zwischen Mobiltelefonen und Krebsrisiko Ausschau halten", betonte der Vorsitzende der Expertengruppe, Jonathan Samet von der Universität von Südkalifornien. Die Fachleute schreiben, es seien weitere Studien nötig, auf deren Grundlage das Krebspotenzial der Strahlung in einigen Jahren erneut bewertet werden soll.

Handy-Hersteller: "Kein wissenschaftlicher Beweis"
In einer am Dienstag in Washington veröffentlichten Erklärung des Vizepräsident des internationalen Verbands der Handyproduzenten, John Walls, wiederum heißt es: "Die IARC hat eine ganze Reihe Beurteilungen durchgeführt und in der Vergangenheit beispielsweise auch eingelegtes Gemüse und Kaffee so eingestuft." Bei der IARC-Analyse ging es um hochfrequente elektromagnetische Strahlung, wie sie von Handys, aber auch von Rundfunk und Radar benutzt wird. Ein Krebsrisiko durch Handys kann demnach nicht ausgeschlossen werden.

Die Handy-Hersteller kritisierten das Vorgehen der Krebsexperten. Die IARC erkenne auch Ergebnisse statistischer Untersuchungen als Indizien an, "selbst wenn Voreingenommenheit und andere Datenfehler die Grundlage dieser Ergebnisse sein könnten", so Walls. Er verwies darauf, dass andere Studien keine Gefahr hinsichtlich der Strahlung festgestellt hätten. "Die US-Kommunikationsbehörde ist zu dem Schluss gekommen, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt, dass die Benutzung drahtloser Telefone zu Krebs führen kann." Ähnlich habe sich auch die US-Gesundheitsbehörde FDA geäußert, so Walls.

Fünf Milliarden Mobiltelefone weltweit im Einsatz
Derzeit werden nach IARC-Angaben weltweit fünf Milliarden Mobiltelefone genutzt. Verbraucher, die sich Sorgen machen, könnten die persönliche Strahlungsexposition minimieren, indem sie Freisprecheinrichtungen oder schnurgebundene Festnetztelefone benutzen, erläuterte die IARC. Die Agentur hatte vor neun Jahren niederfrequente elektrische und magnetische Felder, wie sie etwa bei Hochspannungsleitungen vorkommen, ebenfalls als "möglicherweise krebserregend" in dieselbe Kategorie eingestuft (Monografie Nr. 80). Die Experten machten deutlich, dass beide Einstufungen wesentlich darauf fußen, dass sich ein Risiko bisher nicht ausschließen lässt.

Die IARC wurde 1965 gegründet. Sie soll Regierungen und Behörden unabhängiges Expertenwissen zu möglicherweise krebserregenden Umweltfaktoren zur Verfügung stellen und hat bereits mehr als 900 mögliche Krebsfaktoren in Monografien bewertet. Dafür stufen Experten jeden untersuchten Faktor in eine von fünf Kategorien ein: "krebserregend" (1), "wahrscheinlich krebserregend" (2A), "möglicherweise krebserregend" (2B), "nicht klassifizierbar" (3) und "wahrscheinlich nicht krebserregend" (4).

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