Krampf & Glamour

Samsungs Armani-Handy

Elektronik
11.02.2008 22:20
Nicht nur in Sachen Kleidung unterwerfen wir uns dem Modediktat großer Designer - auch in der Unterhaltungselektronik gewinnen Form und Schönheit immer mehr an Bedeutung. Nach dem LG Prada Phone und dem sündhaft teuren Porsche-Handy (1.200 Euro ohne Vertrag), steht jetzt auch das Handy von Samsung und Italiens Modezampano Giorgio Armani in den Läden. Komplett ohne Tasten, "todschick" - aber es zwickt ein bisschen und ist leider nicht ganz bügelfrei, wie sich im krone.at-Test herausstellte.

Die Coolness von Giorgio Armanis schwarzen T-Shirts hat es ja – und auch die Anschmiegsamkeit eines Maßanzuges ließen Samsung und Armani ihrem ersten Mobiltelefon aus gemeinsamer Produktion angedeihen. Knopflos - pardon, tastenlos und im gebürsteten Metallkleid mit dicker Glasfront präsentiert sich das schicke Handy. Mit „Traummaßen“ von 8,7 mal 5,4 mal 1,05 Zentimetern liegt es vortrefflich in der Hand und lässt sich, dank der in Menüs stets obig platzierten virtuellen Tasten, auch von etwas kräftigeren Händen komfortabel bedienen.

Das heißt, so lange man nicht zu viel von „SGH-P520“, wie das Handy im Samsungsprech heißt, verlangt. Denn bis ins letzte Detail durchdesignt ist leider nur das Äußere – am Innenleben vermisst man Logik und den Deut Alltagstauglichkeit, den man auch von so genannten Edelteilen erwartet. Selbst der teuerste Maßanzug hat eine Funktion - man ist dank ihm nicht nackert.

Heiteres Symboleraten mit Giorgio
Eines soll dem Armani-Handy aber gleich zu Beginn zu Gute gehalten werden: Im Gegensatz zu anderen Designerhandys wie dem LG Prada Phone hat es schon allein für Optik und Haptik den ersten Platz bei den Edelteilen gewonnen. Dem Plastikhaufen, den der Elektronik-Hersteller aus Seoul und des Papstes liebster Schuster vergangenes Jahr auf den Markt geworfen haben, kann in Sachen Materialgüte und Performance ein altes Alcatel One Touch Easy das Wasser reichen. Aber teures Material macht noch kein gutes Handy.

Armani und Samsung vermasseln sich den Erfolg vielmehr durch Logikfehler, die bei der Menüführung beginnen und beim SMS-Schreiben aufhören. Etwa ist es vom Startscreen aus nicht möglich, mit einem Klick zu seinen Telefonkontakten zu gelangen. Stattdessen gibt es Schnellzugriff für die Tastenlautstärke. Aha, haha. Bemüht man das Hauptmenü, beginnt „Heiteres Symboleraten mit Giorgio“, das einzige fix implementierte Spiel im sonst bluternsten Armani-Handy. Zu den Symbolen für die Menüpunkte gibt es nämlich keine Beschriftung, was auch nicht weiter schlimm wäre, wenn man die Miniaturen bloß weniger kryptisch gestaltet hätte: Das Symbol für die Anrufliste könnte ein Handy oder eine Bohne mit Antenne sein, das fürs Telefonbuch sieht aus wie eine Kamera, das für den Kalender wie ein Sing-Sing, das für die Eigenen Dateien wie ein Toaster – und Signor Armani hat sich mit Sicherheit mächtig ins Fäustchen gelacht, als er dem Icon für die Anwendungen ein Jigsaw-Puzzleteil als grafischen Stellvertreter verpasst hat. Nach einer Testwoche ist man froh, dass sich die wichtigsten Kontakte bereits in der Liste der kürzlich gewählten Kontakte befinden – die kann man dankenswerterweise mit der Wählen-Taste auf einen Hieb erreichen.

Touchscreen ist ein Touchscreen ist ein Handy-Ziffernblock
Das Touchscreen-Konzept des Armani-Handys geht rein technisch durchwegs in Ordnung und kann sich mit diversen PDAs, etwa dem Sony Ericsson P1i, messen. Die Treffsicherheit des Benutzers beim Bestätigen sollte dennoch hoch sein und die Geduld beim Scrollen durch Listen und Menüs strapazierbar. Es geht halt nicht alles so schnell, wie man’s gern hätte und eine Tastatur zum Ausweichen, die man sich nicht selten wünscht, ist eben nicht da. Ärgerlich ist nur, dass das Armani-Handy bei Doppelklicks an derselben Stelle häufig mit Ignoranz dem zweiten Befehl gegenüber reagiert. Tippt man eine Nummer von Hand ein – zum Beispiel 555 12 34 – dauert es ewig, bis man die drei Fünfen am Display hat.

Handschrifterkennung gibt es beim Designer-Handy nicht, leider ging sich auf dem kleinen Display auch keine virtuelle QWERTZ-Tastatur aus. Beim Tippen von SMSen sitzt man dann erst einmal rätselnd vor der Touchscreen-Handy-Tastatur und fragt sich kopfkratzend, ob die bei Samsung da nicht etwas schildbürgerisch vorgegangen sind. Nüchtern betrachtet hat man da ein Handy vor sich, das über ein berührungsempfindliches Display verfügt, um keine Tasten zu brauchen, nur um anschließend eine stinknormalen Ziffern/Buchstabenblock mit dem Touchscreen zu simulieren. Irgendwo beißt sich die Katze hier in den Schwanz.

Und genauso fühlt sich das beim Tippen einer SMS dann auch an. Weil auf dem Display mit 6,6 Zentimeter Bilddiagonale auch die Tastatur abzubilden ist, bleibt gerade einmal eine Zeile für den Text der SMS frei. Selbst ein Philips-Fizz-Ziegel von 1996 hatte für so etwas schon zwei übrig! Die Doppelklick-Lethargie des Armani-Handys tut dann noch ihr übriges – nach zwei Testtagen schreibt man nur mehr dann SMS, wenn man wirklich Zeit hat…

Wenn der Leica-Gockel kräht und die Giorgio-Pumpe läuft
Durchwegs Positives – wenn auch ein paar skurrile Macken – gibt es über die integrierte 3-Megapixel-Digicam zu berichten. Das Initialisieren geht etwas zäh, die Bildqualität überzeugt aber und das Armani-Handy liefert im Gegensatz zu vielen anderen Mobiltelefonen keine blaustichigen Fotos bzw. schlampigen Weißabgleich. Wenn man einmal verinnerlicht hat, seinen linken Zeigefinger beim Festhalten des Handys nicht zu weit über die Kante ragen zu lassen, um nicht die links oben in der Ecke platzierte Linse zu verdecken, bekommt man sogar richtig schöne Aufnahmen zustande.

Etwas erschreckend und schräg sind die unabstellbaren Auslösetöne des Armani-Handys. Ton 1 klingt wie ein Gockelhahn, der den Verschluss einer alten Leica verschluckt hat. Im Gegensatz zu Auslöseton 2 „quietschender Wasserhahn“ und Auslöseton 3 „Querflöten-Triller“ hat er immerhin Charakter, animalischen. Der Scrollbalken im Kameramenü verspräche dabei an und für sich noch Auslöseton 4, womöglich sogar eine Stummschaltung, er ließ sich aber auch durch Finger anderer Tester nicht von der Stelle bewegen.

Gar nichts zu bemängeln gibt es an der Akkulaufzeit des Armani-Handys. Ähnlich wie sein Design-Schirmherr, der der Welt noch mit 74 Jahren zeigt, was Coolness und Eleganz bedeuten, ist auch SGH-P520 ein Dauerläufer. Drei, vier Tage steckt es weg wie nix. Und sogar bei forciertem Kameraeinsatz geht sich noch ein Stundentelefonat aus.

Fazit: Und während man im sonnigen Piacenza noch am Touchscreen drückt, wird anderswo schon fleißig telefoniert
Macht es länger, gebt ihm ganz normale Tasten und das Armani-Handy - übrigens ein reines GSM-Phone - ist ein wunderbares Edelstück. So, wie man es jetzt für rund 480 Euro ohne Vertrag zu kaufen bekommt, ist Giorgios erster Gehversuch am Laufsteg der Mobiltelefone ein Stolpergang, bei dem man Knöchel knacksen hört. „Ich designe meine Kleidung für echte Menschen. Es ist wertlos, Dinge zu entwerfen, die untragbar sind“, soll Giorgio Armani einmal gesagt haben. Den Ingenieuren und Grafikern, die das Armani-Menü entworfen haben, sollte er das mindestens 100 Mal schreiben lassen. Am besten auf der Touchscreen-Tastatur des Handys.


Christoph Andert

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