Schon ausprobiert

Nokia X: Finnen setzen Android gegen Google ein

Elektronik
24.02.2014 10:37
Nokia macht sich die offene Variante von Googles Android zunutze, um mit dem Internetkonzern in Entwicklungsländern zu konkurrieren. Die Finnen stellten am Montag auf dem Mobile World Congress in Barcelona drei Android-Geräte ohne Google-Dienste vor. Stattdessen sind auf ihnen Angebote von Nokia und Microsoft für Karten, E-Mails, Speicher oder Musik installiert. Selbst die Benutzeroberfläche ist den typischen Kacheln von Microsofts Windows Phone nachempfunden, wie krone.at im Kurztest feststellen konnte.

Bei Android gibt es zum einen die offene Software-Plattform, die jeder Hersteller nach Belieben weiterentwickeln kann. Diesen Weg wählte zum Beispiel bereits der Online-Händler Amazon für seine Kindle-Tablets. Hersteller wie Samsung, Sony oder LG nutzen hingegen die Android-Version mit Google-Diensten, für die es strikte Vorgaben gibt. Nokia setzte bei Smartphones bisher auf das Microsoft-System Windows Phone in seinen Geräten der Lumia-Serie. Wegen hoher Anforderungen an die Hardware lassen sich damit jedoch nicht so günstige Smartphones bauen wie mit Android.

Daher setzen die neuen Geräte der Nokia-X-Familie auf Android. "Wir sehen die X-Modelle als Ergänzung der Lumia-Plattform im günstigen Bereich", sagte der Chef der Nokia-Handysparte Stephen Elop. Die Lumia-Serie stehe weiter im Mittelpunkt von Nokias Smartphone-Strategie. "Dort werden wir weiterhin unsere Innovationen einführen."

Drei Nokia-Modelle mit Android
Das Nokia X, das erste Gerät aus der neuen Produktreihe, verfügt über ein kapazitives 4-Zoll-IPS-Display und eine 3-Megapixel-Kamera. Das Nokia X+ richtet sich mit seinem erweiterbaren Speicher an Multimedia-Fans, und das Nokia XL, verfügt über ein 5-Zoll-Display, eine 2-Megapixel-Frontkamera sowie eine 5-Megapixel-Kamera mit Autofokus und Blitz. Alle Nokia-X-Modelle besitzen einen Snapdragon-Dual-Core-Prozessor und nutzen Dual-SIM. Dadurch können Nutzer je nach Bedarf zwischen verschiedenen SIM-Karten wechseln.

Ersteindruck: Zweckmäßige Billig-Smartphones
Beim ersten Ausprobieren hinterließen Nokias X-Androiden einen zweckmäßigen Eindruck. Die relativ kantigen Geräte bestehen aus solide verarbeitetem Plastik, sind leicht und ähneln äußerlich eher Nokias Asha-Budgetserie als anderen Android-Smartphones. Unter dem Display gibt es lediglich einen "Zurück"-Button, "Home"- und "Kontextmenü"-Buttons, wie man sie bei anderen Android-Handys findet, fehlen.

Probefotos mit der kleinsten und größten Variante der Nokia X-Smartphones überzeugten beim Probieren kaum. Die Bilder, die krone.at am Mobile World Congress damit geknipst hat, waren nicht sonderlich scharf und zeigten besonders beim kleinen X-Gerät trotz guter Lichtverhältnisse deutliches Rauschen. Für einen schnellen Schnappschuss reicht die Kamera-Performance zwar, man sieht den Bildern jedoch ebenso wie den Geräten selbst den günstigen Preis - um die 100 Euro - an, den Nokia anpeilt.

Display mit Treppeneffekten, ungwohnte Bedienung
Die Displays der Nokia-X-Androiden sind mit einer Auflösung von lediglich 800 mal 480 Bildpunkten nicht sonderlich hochauflösend, was man beim Betrachten von Fotos oder beim Lesen von Internetseiten durch Treppeneffekte bemerkt. Vor allem der größeren Fünf-Zoll-Variante hätte ein etwas höher auflösendes Display nicht geschadet. Erfreulich: Die Displays waren beim Ausprobieren auch von der Seite gut ablesbar.

Gänzlich ungewohnt in der Bedienung zeigte sich Nokias hauseigene Android-Oberfläche. Sie verfügt nicht über ein App-Menü wie andere Android-Smartphones, sondern legt Anwendungen in Kachelform am Startbildschirm ab. Statt Googles Play Store gibt es auf Nokias X-Serie einen hauseigenen App-Store, der bei einem kurzen Lokalaugenschein zwar viele populäre Android-Anwendungen und vor allem Games beherbergte, jedoch bei weitem nicht so prall gefüllt ist wie das Google-Pendant.

Träge Bedienung, ungewisser Erfolg
Das Bedienerlebnis selbst ist nicht so flüssig wie von Smartphones höherer Preiskategorien gewohnt, was wohl vor allem dem knapp bemessenen RAM geschuldet ist. Die kleine 4-Zoll-Variante bietet 512, die größere 5-Zoll-Version 768 Megabyte Arbeitsspeicher. Zum Vergleich: Aktuelle Android-Flaggschiffe bieten drei Gigabyte RAM. Generell gilt bei Nokias Android-Variante im Kachelschafspelz: Auch wenn sie optisch an Windows Phone erinnert, ist die Bedienung nicht so flüssig wie beim Microsoft-Original.

Man darf gespannt sein, ob es Nokia mit der X-Serie gelingt, Marktanteile zu gewinnen. Viele Vorteile des Google-Betriebssystems - etwa der volle App-Store - wurden bei Nokias Android-Variante über Bord geworfen, zusätzlich hat man das vielen Menschen bereits bekannte Android-Bedienerlebnis durch eine zumindest beim ersten Probieren nicht sehr intuitive, proprietäre Benutzeroberfläche ersetzt. Warum die potenziellen Käufer nicht zu einem günstigen Smartphone mit bewährtem Android greifen und sich stattdessen für Nokias Variante entscheiden sollten, wurde beim Probieren des Android-Frankensteins nicht klar.

Kampf um Schwellen- und Entwicklungsländer
Die Telefone kommen zunächst in den Schwellen- und Entwicklungsländern auf den Markt, aus denen derzeit das Wachstum der Branche kommt. Dort wechseln die Menschen in großem Stil einfache Handys durch Smartphones aus, es sind aber vor allem billige Modelle gefragt. Hersteller billiger Android-Smartphones räumen gerade ab, ihre Geräte kosten zum Teil nur 60 Dollar. Nokia ist in diesen Märkten traditionell eine sehr starke Marke und verkauft auch jetzt noch rund eine Million einfacher Handys pro Woche, wie Elop sagte.

Türöffner für Windows Phone
Microsoft arbeitet auch daran, Smartphones mit Windows Phone billiger zu machen, und zeigt in Barcelona Prototypen auf Basis günstigerer Chips. Allerdings wird es noch dauern, bis sie auf den Markt kommen. Der Vorteil am aktuellen Ansatz ist, dass die Nutzer Zugang zu einer breiten Auswahl an Android-Apps bekommen - aber Nokia und Microsoft sie zugleich in ihre eigenen Cloud-Angebote wie MixRadio, Skype oder den Speicherdienst OneDrive einführen. Damit halten sie die Tür für einen eventuellen späteren Wechsel zu teureren Modellen mit Windows Phone offen.

Nokia nennt seine Android-Version Android Open Source Project. Die Apps können bei Nokia oder bei anderen Android-App-Anbietern geladen werden, einen Zugang zu Googles Plattform Play Store gibt es nicht.

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