"Plastic fantastic"

iPhone 3G im krone.at-Test

Elektronik
11.07.2008 10:43
UMTS, GPS, verbessertes OS und Plastik: Das ist der Stoff, aus dem das neue iPhone 3G gemacht ist. Seit Freitag ist die zweite Version des Apple-Handys weltweit in Dutzenden Ländern – auch in Österreich bei One und T-Mobile (siehe Infobox) – erhältlich. krone.at hatte vorab die Gelegenheit zu einem Test.

Dabei hätte es nicht einmal einen ganzen Tag gebraucht um die neuen Funktionen des Test-iPhones zu erkunden. Weil der AppStore mit Drittanbietersoftware, die dank des verbesserten und geöffneten iPhone-Betriebssystems (gibt's auch für „alte“ iPhones!) ab Freitag erstmals ohne Hackerei installiert werden kann, in Österreich noch nicht online ist, blieb uns nur die neue Hardware und die Interface-Verbesserungen unter die Lupe zu nehmen. Die neuen (und vor allem die besten) „Apps“ werden wir daher nächste Woche getrennt erkunden.

Speedy Gonzales
No na – das iPhone 3G ist um ein Vielfaches schneller als sein Vorgänger. Bei günstigem Empfang ist fast kein Unterschied zwischen WLAN-Speed und UMTS erkennbar. Dass sich beim Laden einer Website schnell „was tut“ ist nicht zuletzt auch der HSDPA-Technologie zu verdanken. Auf die von den Providern unrichtigerweise versprochenen 7,2 Mbit/s kommt man ja bekanntlich nicht einmal, wenn man sich am Handymast festkettet, dennoch beschleunigt die Technologie den Datenverkehr mit Websites, wodurch schnellere Ladezeiten erreicht werden.

Beim Vergleich mit dem EDGE-iPhone bleibt das „wegweisende Gerät“ der ersten Generation folglich als lahme Ente liegen - aber auch sämtliche andere Smartphones von N95, MDA bis vor allem Open Moko, dem so genannten "Anti-iPhone", für das man einen Dipl-Ing. und wegen der Absturzfreudigkeit ein virtuelles Abschleppseil braucht. Die YouTube-Applikation ist nun auch ohne WLAN zu gebrauchen. Die laut Provider T-Mobile beliebteste Applikation am iPhone – das könnte in der Statistik aber auch daran liegen, dass sie bloß den meisten Traffic verursacht, was aber immer noch hieße, dass sie von der gerüchteweise knapp vierstelligen Zahl der normalen Austro-iPhone-User oft benutzt wird – liefert Videos jetzt wirklich „on demand“ und nicht mehr nur auf betteln oder gut zureden.

Auch beim E-Mail-Verkehr wirkt sich UMTS positiv aus. Es zahlt sich nun wirklich aus, Anhänge wie Bilder oder Dokumente (Softwareupdate 2.0 ermöglicht das Betrachten von Dokumenten aus Word, Excel und Powerpoint sowie iWork) herunterzuladen. Früher war man ja fast schneller, einen Mac oder PC hochzufahren um die Attachements dort zu begutachten. Bearbeiten kann man die Dokumente aber nicht, das Weiterleiten ist immerhin möglich. Beim Abrufen der E-Mails ist das iPhone 3G im direkten Vergleich zum Vorgänger zehn bis gestoppte 90 Sekunden schneller. Getestet haben wir mit Accounts von Gmail, GMX und .Mac, wobei letzterer bald „MobileMe“ heißen wird und die als „Exchange for the rest of us“ angekündigte Push-Option auf dem 3G-Testgerät bereits verfügbar war. Die Zeitverzögerung beim Einlangen der Mails am MacBook und dann am iPhone ist minimal, im einstelligen Sekundenbereich. In Softwareversion 2.0 hat Apple auch Microsofts Active Sync lizensiert. Testen konnten wir das mit einem Exchange-Account in der kurzen Zeit aber leider nicht.

Haptik: „Plastic fantastic“
Für Apple-Designfreaks und iPhone-Fetischisten waren die ersten Bilder des iPhone 3G ein Schock. Plastik statt Metall, ein runder Rücken und glänzende, verchromte Knöpfe an der Seite. Das iPhone 3G ist im Liegevergleich mit dem Vorgänger einen Hauch höher, pro Seite einen Millimeter breiter, der Gewichtsunterschied beträgt nur wenige Gramm und ist auf der Hand nicht spürbar. Zumindest eine sachte Entwarnung gibt’s für die Enthusiasten beim „Plastikrücken“: Verwendet wird hochwertiger Kunststoff, der dem von den früheren iBooks ähnelt. Leider glänzt er auch genau so, was nun beidseitige Fettflecke und „Fingertapper“ verursacht. Bei einem weißen iPhone 3G könnten sich sogar „Dreckwutzel“ ausgehen - bäh...

Die Chromknöpfe an der Seite sind im Vergleich zu den satt einrastenden Tasten beim iPhone 1.0 einfach schrecklich, sie klappern und sind etwas scharfkantig. Und: Der weiche Gitterschutz über den Lautsprechern an der Oberseite bzw. unten neben dem Dock-Anschluss - dort gibt es auch zwei Schrauben (!) - schimmert durch seine metallene Farbe deutlich hervor. Technisch ist das irrelevant, es schaut halt irgendwie komisch aus.

Die Rundungen stören beim Herumtragen nicht, beim Telefonieren hat man sogar etwas mehr Halt. Allerdings: War es früher möglich, sein iPhone beim Videogucken an einem Glas oder einer Flasche am Wirtshaustisch anzulehnen, so scheitert man nun an den flach abfallenden Schrägen des Nachfolgers. Auch wenn man es auf den Tisch legt und darauf herumtippt (was mit den Spielen im AppStore bald öfter der Fall sein wird), so kommt das Handy doch ins Schaukeln. Was der Kunststoff begünstigen soll: Besseren Empfang und weniger Hitzeentwicklung beim Synchronisieren großer Dateien. Ersteres können wir weder bestätigen noch dementieren, Empfangsprobleme hatten wir mit dem alten iPhone nicht und mit dem neuen genauso wenig. In Sachen Hitzeentwicklung trifft die Ankündigung zu, fährt man ein 4-GB-Update via iTunes-Synchronisation wird’s auch dem iPhone 3G warm.

GPS macht’s leichter
Ein im wahrsten Sinne des Wortes echter Orientierungsgewinn ist das A-GPS-Modul im iPhone 3G. Die ungefähre Ortung des Aufenthaltsortes geht nun binnen Augenblicken von statten, allerdings ist sie auf den ersten Blick immer noch so unpräzise wie beim Vorgänger. Zoomt man sich aber in die Karte hinein, so liegt die Ortung in der Regel nur knapp neben dem tatsächlichen Aufenthaltsort. Ein kleiner, blauer Punkt zeigt diesen dann beim Navigieren (für Fußgänger empfehlenswert, für Autofahrer nicht) an. Spaß macht der GPS-Sensor auch beim Geotagging von Fotos, allerdings hat das in unregelmäßigen Abständen die Meldung „Kamera will auf ihren Standort zugreifen“ zur Folge, was bei Schnappschüssen hinderlich sein kann.

Lautstärke sucht ihresgleichen
Versprochen und nicht gebrochen wurde die Ankündigung eines besseren Lautsprechers am iPhone 3G. Aus den beiden Öffnungen an der Unterseite des Handys dringen nun laute und unverzerrte Töne. Voll wichtig, Oida: Mit den kräftigen Stereo-Lautsprechern eignet sich das iPhone 3G nun endlich auch für die urbane Jugend zum Vorführen exotischer Folklore oder heimischer Techno-Volksmusik in öffentlichen Verkehrsmitteln. Amerikanische Tester hören auch beim normalen Telefonlautsprecher eine gesteigerte Klangqualität heraus. Die war aus unserer Sicht aber schon vorher okay und ist jetzt vielleicht etwas klarer, was natürlich gut ist.

Akku-Industrie nicht iPhone-fähig?
Apple-Mitarbeiter müssen Vier-Augen-Gespräche lieben, anders lässt sich das Verständnis von "normalem Telefonierverhalten" im kalifornischen Cupertino nicht erklären. Im Gegensatz zum ersten iPhone hat die Akkulaufzeit beim iPhone 3G nämlich nicht zu- sondern sogar etwas abgenommen. Länger wäre sie nur, würde man UMTS und GPS bei Nichtgebrauch stets deaktivieren - ein virtueller Schalter im Handy ist vorhanden. Und das sollte man wohl auch tun, denn wer viel surft und viel telefoniert, kann unter Umständen schon nach einem Tag aufladen gehen. So passiert an einem der beiden Testtage. Ein defekter Akku beim Testgerät ist hier auszuschließen, viel mehr scheint es, als würde das iPhone die Grenzen der Technologie sprengen. Mal ehrlich, auf dem Akku-Sektor hat sich in den letzten 5 Jahren de facto nichts getan...

Die wichtigsten Verbesserungen im OS

  • Es ist nun eine Suche in den Kontakten möglich
  • Es gibt ein eigenes Kontakte-Icon am Homescreen
  • E-Mails können nun blockweise gelöscht werden
  • Kippt man den Rechner, kommt ein wissenschaftliches Layout
  • Man kann Kontakte von der SIM-Karte importieren (Halleluja!)
  • Es gibt Voreinstellungen für die großen Freemail-Anbieter
  • Bei iCal ist eine Synchronisation mit Exchange-Servern bzw. drahtlos über MobileMe möglich. Allerdings pro Kalender (Büro oder Privat) nur jeweils eine Variante.

Was im OS (ohne 3rd-Party-Apps) immer noch fehlt

  • Copy-Paste-Funktion
  • Ablegen von E-Mail-Attachements im Handyspeicher
  • Gelesen-Markierungen im Mail-Client
  • Eine vernünftige Lösung für Umlaute auf der Tastatur (derzeit: Taste länger geort!

Was hard- bzw. softwaremäßig beim iPhone 3G abgeht

  • Voice Dialing (wäre praktisch im Headset-Betrieb)
  • Videoaufzeichnung
  • Nutzung als Modem am Rechner
  • Bluetooth-Datenaustausch/Synchronisation
  • Ein besserer Akku, der dem Handy gewachsen ist

Was man beim iPhone weiterhin nicht brauchen wird

  • MMS, weil niemand MMS wirklich "braucht" und man Bilder am iPhone auch per E-Mail verschicken kann
  • eine Tastatur, weil die Gestensteuerung keinen Ersatz braucht
  • MP3-Klingeltöne, weil uns Apple damit einen Gefallen tut, wenn Handys nicht mit der Polka aus Prerov klingeln dürfen

Fazit: In Zahlen sind die Änderungen an Hardware und Betriebsystem beim iPhone der zweiten Generation nicht wirklich groß. Halt gerade einmal so viel, dass sich Käufer des ersten iPhones in den A**** beißen können – egal ob sie's nun mit Vertrag und Herstellergarantie oder als gehackten Grauimport bezogen haben. Nichtsdestotrotz sind der Eintritt in die Riege der 3G-Devices und die kräftige Preissenkung zwei weitere Riesenschritte, die das iPhone für die Konkurrenz noch uneinholbarer machen.

Ein Fehltritt weg von der stets ausgezeichneten Haptik der Apple-Hardware ist hingegen der Plastikrücken, der Nicht-Mac-User und Nicht-iPhone-Besitzer aber wohl weniger stören wird - wie's davor war, wissen die ja nicht. Mit Sicherheit hat aber auch der beim Test noch nicht verfügbare AppStore den ersten Eindruck gedämpft, was zeigt, dass erst in Kombination mit der neuen Drittanbieter-Software wirklich von einem „iPhone 2.0“ die Rede sein kann.

Von Christoph Andert

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