Riesenstreit beendet

Apple gibt klein bei und bezahlt für Nokia-Patente

Elektronik
14.06.2011 08:45
Handy-Weltmarktführer Nokia und Apple haben ihren Patentstreit beigelegt, teilte der finnische Mobilfunkkonzern am Dienstag in einer Aussendung mit. Überraschender Gewinner ist Nokia: Apple wird an die Firma Lizenzgebühren sowie eine einmalige Zahlung entrichten. Die Unternehmen beenden damit alle ihre in mehreren Ländern gerichtlich ausgetragenen Patentauseinandersetzungen. Gleichzeitig ziehen Nokia und Apple ihre Klagen vor der US-Handelsbehörde ITC zurück.

Lange hatte sich Apple dagegen gewehrt - und wird jetzt doch Patentgebühren an Nokia zahlen. Die Summe bleibt unklar, allerdings legte Apple auch eigene Patente auf den Tisch, um den Preis zu drücken. "Wir sind froh, das hinter uns zu lassen und uns auf unser jeweiliges Geschäft zu konzentrieren", sagte ein Apple-Sprecher dem US-Blog "All Things Digital". Die Vereinbarung öffne gegenseitig einige Patente, "aber nicht den Großteil der Innovationen, die das iPhone einzigartig machen".

Apple werde eine Einmalzahlung leisten und während der Vertragslaufzeit Lizenzgebühren an Nokia zahlen, teilte der finnische Konzern am Dienstag mit. "Wir sind sehr zufrieden, dass Apple jetzt auch zur wachsenden Zahl der Nokia-Lizenznehmer gehört", sagte Nokia-Chef Stephen Elop. Später stellte ein Nokia-Sprecher klar, dass es sich um ein sogenanntes Cross-Licensing-Abkommen handelt, bei dem sich Unternehmen gegenseitig Zugang zu Patenten gewähren.

Gegenseitige Klagen seit über zwei Jahren
Nokia hatte Apple seit 2009 vorgeworfen, vor allem mit seinen iPhones und später auch dem iPad-Tablet zahlreiche Patente zu verletzen. Dabei ging es hauptsächlich um technische Details. Apple konterte mit einer eigenen Ideenklau-Klage. Mit der Zeit bauten beide Seiten einen Berg von Beschwerden vor diversen Instanzen in verschiedenen Ländern auf. Alle diese Klagen werden mit der Vereinbarung nun zurückgenommen.

Bei dem Streit ging es auf jeden Fall um Milliarden, betonte der deutsche Patentexperte Florian Müller. Selbst wenn es nur einige Dollar pro Gerät sind, in der Masse sammeln sich über die Jahre beträchtliche Summen an.

Mehrere Rückschläge für Apple in Patentfragen
Apple hatte zuletzt in dem Patentstreit einige Rückschläge einstecken müssen. Unter anderem hatte Nokia Ende Mai erreicht, dass die US-Handelsbehörde ITC bereits ad acta gelegte Vorwürfe gegen den Rivalen Apple noch einmal prüfen wollte. Nach Einschätzung Müllers dürfte die Entwicklung des ITC-Verfahrens einen Anstoß für die Einigung gegeben haben: "Apple musste ein Einfuhrverbot für seine Geräte in die USA befürchten, während es kurzfristig nicht in Sicht war, ähnliche Maßnahmen gegen Nokia-Telefone zu erreichen."

Microsoft-Kooperation half Nokia
Aber auch langfristig sei Nokia seit der Entscheidung für Microsofts Windows Phone 7 als nächstes Smartphone-Betriebssystem in der stärkeren Position gewesen, betont Müller. "Apple und Microsoft haben ein Patentabkommen. Also hätte Apple mit der Zeit höchstens gegen alte Nokia-Telefone vorgehen können, die keine Bedeutung mehr gehabt hätten." Insofern könnte Apple es vorgezogen haben, sich jetzt mit Nokia zu einigen, anstelle in letzter Minute vor einem eventuellen Verkaufsstopp einen höheren Preis zahlen zu müssen, argumentiert Müller.

Nokia und Apple hatten schon seit dem Start des iPhone 2007 verhandelt, 2009 klagten die Finnen schließlich. Apple wollte nach ihrer Darstellung grundsätzlich keine Patentgebühren zahlen.

Zahlreiche Mobilfunk-Patente bei Nokia
Nokia hatte unter anderem die Technik hinter den heutigen Mobilfunk-Formaten GSM und UMTS mitentwickelt und erhebt allein deswegen Anspruch auf Lizenzgebühren von praktisch jedem Handy, das produziert wird. Hinzu kommen Patente etwa auf Technologien zur Bedienung der Telefone und der Anzeige von Informationen. Nokia spricht von insgesamt mehr als 10.000 Patent-Familien, die sich in den vergangenen 20 Jahren angesammelt haben.

Da es bei Mobiltelefonen um viele tausende Patente geht, ist es in der Branche üblich, erst ein Gerät auf den Markt zu bringen und dann die Ansprüche eines Patenthalters abzuwarten. In den vergangenen Jahren sind Patente zu einer Waffe im harten Konkurrenzkampf der Mobilfunk-Branche geworden. Vor allem das Google-Betriebssystem Android ist derzeit Angriffen von verschiedenen Seiten ausgesetzt.

Nun sind Klagen gegen Android zu erwarten
Nach Einschätzung von Müller und Gartner-Analystin Carolina Milanesi hat Nokia jetzt bessere Karten, um auch Hersteller von Android-Telefonen verstärkt mit Patentklagen zu überziehen. Dies könnte die Preise von Android-Telefonen erhöhen und somit etwas Druck von Nokia nehmen. Die Finnen waren zuletzt gezwungen, ihre Handys immer günstiger abzugeben, um mit der Konkurrenz mitzuhalten.

Dringend nötige, unerwartete Finanzspritze für Nokia
Nokia kommt die Einigung auch finanziell extrem gelegen. Der Konzern hatte erst vor wenigen Wochen erneut die Prognose für seine wichtigste Sparte Geräte und Dienste gesenkt und damit an der Börse einen kräftigen Kurssturz ausgelöst. Nun hieß es, dank des positiven finanziellen Effekts im zweiten Quartal werde in dem Bereich zumindest ein Erreichen der Gewinnschwelle auf Basis bereinigter Zahlen möglich.

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