Meine Geschichte

Brustkrebs: “Mama, musst du schon sterben?”

Meine Geschichte
19.04.2017 18:06

Brustkrebs! Für Gudrun Hammer beginnt ein jahrelanger Leidensweg. Sie geht ihn Schritt für Schritt. Lesen Sie das Tagebuch einer starken Frau.

Vor 2011: Ich habe einen Knoten in der Brust. Den hatte ich schon als Jugendliche. Er ist gutartig. Die Ärzte sagen, dass ich mir keine Sorgen machen muss. Wichtig wäre nur, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

Juli 2011: Routinekontrolle. Der Gynäkologe tastet meine Brust ab. Der Knoten tut dabei weh. Er schickt mich zur Mammographie und zur Biopsie.

August 2011: Befundbesprechung. Das Brustgewebe hat sich verändert. Der Radiologe sagt, ich muss den Knoten entfernen lassen. Am Abend sage ich es Heinz. Meinem Mann. Ich spreche diszipliniert, versuche mich zusammen zu reißen. Heinz sitzt ab jetzt jede Nacht vor dem PC. Er sucht im Internet nach Antworten.

September 2011: Termin im Brustkrebszentrum Leoben. Krebs. Das Wort, das ich bis jetzt verdrängt habe, steht im Raum. Angst steigt auf. Fragen sprudeln aus mir heraus. Die Ärztin sagt: "Schritt für Schritt". Sie klingt nüchtern, fast emotionslos. Das hilft mir. Ich zwinge mich rational zu sein und konzentriere mich auf die Fakten: Erst OP, dann Diagnose, dann Therapie. Schritt für Schritt.

Eine Woche später, am Abend vor der OP: Gespräch mit den Kindern. "Mama musst du schon sterben?", fragt mich meine Jüngste. Sandra. Ich schüttle den Kopf. Mein Sohn nimmt mich in den Arm. Die ältere Tochter erduldet ihren Schmerz. Tränen. Stille.

Niemand darf sehen, wie schlecht es mir geht
Oktober 2011: Die OP ist vorbei. Befundbesprechung. Gewissheit. Der Knoten war bösartig. Der Krebs hat bereits gestreut. Die linke Brust wurde entfernt. Sterben. Ich denke daran. Tod. Panik. Ich habe keine Zeit zum Sterben. Ich habe drei Kinder, die noch nicht fest genug im Leben stehen. Ich wünsche mir Enkel. Später. Es gibt noch vieles zu tun. Ich hole mir den Satz der Ärztin ins Gedächtnis. Schritt für Schritt. Schritt für Schritt. Wie ein Mantra.

Eine Woche vor dem nächsten Eingriff: Kochen, der Haushalt, meine Arbeit im Öffentlichen Dienst. Meine Verpflichtungen ziehe ich durch. Schritt für Schritt. Sich gehen lassen ist keine Option. Niemand darf sehen, wie schlecht es mir geht. Ich gebe die Starke, will keinen belasten. Zum Weinen gehe ich ins Schlafzimmer. Einsamkeit. Jeden Tag spaziere ich zu einem Wasserfall. Das Rauschen beruhigt mich, kräftigt. Schritt für Schritt.

Ich lerne "Nein" zu sagen und mich zu entspannen
November 2011: OP im LKH Graz. Sie dauert acht Stunden. Noch mehr Brust wird entfernt. Auch die Brustwarze. Dann Rekonstruktion der Brust. Tätowierung der Brustwarze. Danach Komplikationen im Aufwachraum. Ich habe eine Lungenembolie. Not-OP. Am nächsten Tag sagen die Ärzte, die Eingriffe waren noch nicht genug. Ich muss eine Chemo-Therapie machen. Zerstörte Hoffnung. Zweifel. Angst. Die Frage: Warum ich? Ich kämpfe um Haltung.

Dezember 2011: Chemotherapie im Dreiwochen-Rhythmus. Haarausfall. Übelkeit. Ich mache meinen Job von daheim aus.

Haben Sie auch ein Schicksal gemeistert und können damit anderen Mut machen? Dann schreiben Sie bitte an: brigitte.quint@kronenzeitung.at

Frühjahr 2012: Es ist vorbei. Ich kann nur abwarten. Hoffnung, dass der Krebs wegbleibt. Schritt für Schritt zurück ins Leben. Umdenken. Ich entspanne in der Hängematte - auch wenn die Wäsche noch nicht gebügelt ist. Ich lerne "Nein" zu sagen. In der Arbeit nehme ich mich zurück. Ich verreise mit meinem Mann. Nur wir zwei.

April 2017: Ich bin seit fünf Jahren krebsfrei, gelte als geheilt. Ich habe die Krankheit besiegt. Schritt für Schritt.

TIPPS UND INFOS:
Brustkrebs ist eine bösartige Veränderung des Drüsengewebes der Brust und wird auch Mammakarzinom genannt. Brustkrebs ist die für Frauen häufigste und bedrohlichste Krebserkrankung in Österreich.

Durchschnittlich werden in Österreich 5500 Brustkrebs-Neuerkrankungen diagnostiziert. Weniger als ein Prozent der Betroffenen sind Männer.

Brigitte Quint, Kronen Zeitung

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