"Fuggerzeitungen"

Nachrichtenwesen in Europa ist älter als gedacht

Medien
31.10.2016 10:19

Bisher galt das Jahr 1605, als in Straßburg die erste gedruckte Wochenzeitung erschien, als Beginn des periodischen Zeitungswesens in Europa. Geht es nach der Historikerin Katrin Keller von der Uni Wien, muss diese Geburtsstunde der europäischen Presse jedoch neu diskutiert werden: In einem Forschungsprojekt konnte sie nachweisen, dass das moderne Nachrichtenwesen sich schon früher entwickelte.

Schon vor Beginn der gedruckten Zeitungen gab es Nachrichtenmeldungen auf einzelnen Blättern, die von sogenannten "Novellanten" für wohlhabende Abonnenten gesammelt und handschriftlich verfasst wurden. Die bekanntesten sind die "Fuggerzeitungen": eine Sammlung von 16.000 "Zeitungen", die zwei Brüder aus dem berühmten Kaufmannsgeschlecht der Fugger sich im späteren 16. Jahrhundert aus aller Welt nach Augsburg schicken ließen. Die von den Gebrüdern Fugger gesammelten und nach Jahrgängen gebundenen Nachrichten in deutscher und italienischer Sprache sind in der Österreichischen Nationalbibliothek archiviert.

In einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF hat Keller mit ihrem Team die "Fuggerzeitungen" digitalisiert und damit der internationalen Forschung zugänglich gemacht. Außerdem wurden rund 10.000 darin genannte Personen sowie 5.500 Orte in Registern erfasst. Mit ihrer Arbeit konnten die Forscher belegen, dass die Sammlung nicht wie bisher angenommen ein - wenn auch sehr bekanntes und umfangreiches - Einzelstück, sondern Teil der europäischen Medienlandschaft der Frühen Neuzeit war. Ein Vergleich Kellers hat nämlich gezeigt, dass es etwa in Dresden, Wolfenbüttel, Leipzig und Weimar idente Zeitungen gab. Allerdings war der Empfängerkreis mit ungefähr ein paar Dutzend Abonnenten recht überschaubar, erklärt Keller.

Die "Fuggerzeitungen" markieren laut Kellers Erkenntnissen den Beginn des regelmäßigen Konsums von Nachrichten im deutschsprachigen Raum und dokumentieren zeitlich genau das Vorfeld der Entstehung der gedruckten Zeitung zwischen 1568 und 1605, wie es in einer Aussendung des FWF heißt. Mit den "Fuggerzeitungen" sei zudem "das erste kommerzielle Nachrichtenmedium Europas" entstanden.

Im Zuge der Digitalisierung der "Fuggerzeitungen" konnten Keller und ihre Kollegen außerdem zeigen, dass es schon im späteren 16. Jahrhundert ein "beachtliches Informationsnetzwerk" in Europa gab. Als damalige Nachrichtenzentren konnten die Forscher Rom, Venedig, Augsburg, Köln, Antwerpen, Wien und Prag ausmachen; manche Nachrichten seien aber auch aus Übersee, Indien, Nordafrika und dem Nahen Osten gekommen.

Mit einer Zeitung, wie man sie heute kennt, haben die "Fuggerzeitungen" äußerlich übrigens wenig zu tun, wie Keller schildert: Es handelt sich vielmehr um einzelne Blätter, auf denen Nachrichten niedergeschrieben wurden. Großteils waren es politische Meldungen über militärische Ereignisse, wichtige Vertragsverhandlungen, fürstliche Hochzeiten oder politische Entwicklungen in Europa. Dazu kamen Berichte über Entdeckungsfahrten nach Übersee, seltener auch über religiöse Konflikte sowie "Sensationsmeldungen" (Keller) über Morde oder Ähnliches.

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