Neue Serie

“Moulin Rouge”-Regisseur zeigt Hip-Hop-Anfänge

Medien
01.08.2016 08:52

Wie kommt ein weißer Australier mittleren Alters dazu, eine Serie über die Wurzeln des Hip-Hop in New York Ende der 70er-Jahre zu drehen? "Diese Frage stellt mir jeder", lacht Baz Luhrmann, der sich vorrangig als "Kurator" von "The Get Down" sieht. Das 13-teilige Musikdrama ist das erste TV-Projekt des für seine opulente Bildsprache bekannten Regisseurs von "Moulin Rouge" und "The Great Gatsby".

Wenn die ersten sechs Folgen am 12. August weltweit auf der Streaming-Plattform Netflix verfügbar werden, ist sein "Baby", wie Luhrmann sagt, nach zehn Jahren Vorarbeit, Problemen und Budgetexplosionen endlich auf der Welt.

1977 im von Armut, Bankrott und Gewalt, aber auch einer kreativen, pulsierenden Musikszene geprägten New Yorker Stadtviertel South Bronx angesiedelt, erzählt "The Get Down" von einer Gruppe Jugendlicher, die ganz für Hip-Hop, Disco, Punk und Tanz leben. Am Anfang stand eine Frage, erzählt Luhrmann Medienvertretern in London: "Wie konnte all diese Kreativität in einer Zeit und einer Umgebung erwachen, die so am Boden war, so abgelenkt, vergessen, pleite?"

Der 53-Jährige suchte eine Antwort - und stieß auf Grandmaster Flash, der ab 1976 jene DJ-Techniken entwickelte, die heute als Grundstein des Hip-Hop gelten. "Die Periode, die wir heute als Gründungszeit des Hip-Hop begreifen, ist es gar nicht", erläutert Luhrmann. "Grandmaster sagt: 'Die 80er sind der Kuchen, die 70er sind das Rezept.'" In einer "Welt des Nichts" hätten junge Talente wie Flash "wie Wissenschafter" aus bestehenden Musikstücken neue Werke geschaffen. "Und der Unterschied zur heutigen Hip-Hop-Branche ist: Sie taten das ohne die Erwartung auf großes Geld."

Luhrmann wurde zunehmend in diese Welt hineingezogen, war "Tourist auf Grandmasters Tour durch die Bronx", erinnert sich der New-York-Fan, der eingangs unsicher war, wie er die Geschichte erzählen sollte. "Denn ich wusste: Es ist nicht meine Geschichte." So übernahm der Australier die Rolle des großen "Kurators", der als ausführender Produzent mit bekanntem Namen die Finanzierung sichert, und Pioniere wie u.a. Grandmaster Flash, DJ Kool Herc, heutige Hip-Hop-Größen wie Nas und Fachleute wie Nelson George in Form einer "großen Kollaboration" an Bord holte.

"Als Baz mit der Idee ankam, junge, von großteils unbekannten Schauspielern gespielte Charaktere in den Mittelpunkt zu stellen, wusste ich, dass es funktionieren würde", erzählt Nelson George, der sich als Filmemacher, Autor und Kulturkritiker der Weitergabe afroamerikanischer Kultur verschrieben hat. Bei "The Get Down" fungierte er als musikalischer Berater, Produzent und Co-Autor. "Baz hat nicht das getan, was viele amerikanische Filmemacher tun: einen weißen Doppelgänger finden und ihn ins Zentrum der Geschichte stellen."

Größen der Musikgeschichte kommen in "The Get Down" zwar vor, im Zentrum der Handlung stehen aber sechs fiktionale Teenager - allen voran die gesangstalentierte Puerto Ricanerin Mylene Cruz (Herizen Guardiola), der Poet und Jungrapper Ezekial "Books" Figuero (Justice Smith) und der Graffiti-Sprayer Marcus "Dizzee" Kipling (Jaden Smith). "Ich wusste: Wenn ich etwa eine Biografie von Flash mache, bin ich zu sehr eingeschränkt", sagt Luhrmann über die Kreation eigener Figuren. "Ich wollte alle historischen Charaktere streifen, und das ist auf diese Art und Weise möglich." Zugleich habe ihm das erlaubt, eine mythologische Ebene einzuziehen. "Joseph Saddler hat sich nicht umsonst Grandmaster, nach Kung-Fu, und Flash, nach dem Comic-Helden, genannt. Diese Menschen haben Dinge vermischt und ihre eigenen Universen geschaffen. Das habe ich weitergeführt, ohne den Bezug zur Historie zu verlieren."

Das politische Umfeld und die sozialen Probleme in New York direkt nach der Haushaltskrise bieten das Setting für Story, Musik- und Tanzszenen. "Die Gewalt ist präsent in der Produktion, aber nur dezent", sagt Luhrmann. "In der Narration über die South Bronx zu der Zeit nimmt sie sonst einen großen Stellenwert ein. Aber die Menschen, mit denen wir gesprochen haben, erinnern sich weniger an die Gewalt als an die Möglichkeiten." Nichtsdestotrotz: "Die Stadt war damals entrechtet, bankrott, und das beeinflusst natürlich alles, was unsere Charaktere tun", fügt George hinzu. "Die Stadt selbst und der Zustand, in dem sie damals war, ist einer der Protagonisten der Serie."

Einzig die Pilotfolge wurde vom Serienschöpfer Luhrmann selbst inszeniert. "Meine Aufgabe war es, die Aufmerksamkeit des Publikums zu wecken und viele Figuren und ihre Welt einzuführen, ehe wir sie besser kennenlernen", sagt der Filmemacher. In weiterer Folge übernahmen andere Regisseure die Verantwortung, der visuelle Stil aber blieb erhalten, war Luhrmann doch - gemeinsam mit seiner Frau, der Oscar-prämierten Bühnen- und Kostümdesignerin Catherine Martin - stark in Styling, Postproduktion und Musik involviert. "Baz mag bei den Episoden nicht Regie geführt haben, er hat sie aber dirigiert", erklärt George. "Wissen Sie, es gibt 'Auteur-Regisseure', es gibt Bengalen und Impresarios. Und Baz ist ein Impresario! Er orchestriert das Gesamtwerk auf eine Weise, die einzigartig ist. Alle Folgen tragen seinen Stempel."

Für den 58-jährigen gebürtigen New Yorker ist die Art und Weise, wie Luhrmann Hip-Hop und Disco vermischt, "so noch nie gemacht worden". Und auch in einem weiteren Aspekt, der Diversität der Charaktere, ist George voll des Lobes und Danks für Luhrmann. "Serien wie diese führen zu mehr davon. Ob 'Empire', 'Orange is the new black' oder 'Scandal': Es gibt heute mehr Dramaserien mit schwarzen Charakteren im TV als je zuvor. Ich bin stolz, dass wir ein Teil davon sind." Er ist fest davon überzeugt, dass "The Get Down" aus seinen größtenteils unbekannten, jungen Schauspielern Stars machen wird. "Diese Serie dient auch als Showcase von enormen Talenten, die in den kommenden 20 Jahren Teil des Weltkinos sein werden."

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