Gezielte Lügen

EU-Taskforce kämpft gegen russische Propaganda

Medien
07.11.2016 08:41

Die EU hat seit einem Jahr eine eigene Einheit, die gezielt russische Propaganda und Falschinformation aufdeckt und widerlegt. Ihre englisch-russisch gehaltene Webseite will nicht nur Russen informieren, sondern auch im Westen aufklären. Denn alleine im abgelaufenen Jahr hat die East StratCom Taskforce in EU-Medien 2.000 Artikel gefunden, die auf falscher russischer Propaganda beruhten.

East Stratcom gibt wöchentlich zwei Publikationen über falsche Geschichten aus Russland heraus. In der jüngsten Ausgabe ist auch ein österreichischer Fall dabei: Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den Spruch der österreichischen Höchstrichter, dass ein Urteil gegen einen Flüchtling aus dem Irak wegen Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch teilweise neu durchgeführt werden müsse, als "Freispruch" bezeichnet und daraus vor laufender Kamera abgeleitet, dass eine Gesellschaft, die ihre Kinder nicht verteidigt, keine Zukunft habe.

Putins Fehlinformation ist jedoch bei Weitem nicht die einzige. Noch am einfachsten zu entlarven seien die bekannten Kanäle etwa über den Sender Russia Today, über Sputnik oder nationale Medien, so East Stratcom. Problematischer seien "dunkle Netzwerke" mit "pseudo-NGOs" und "pseudo-Think-Tanks", wirklich schlimme "Troll-Netzwerke", die innerhalb der EU Psychoterror aufbauen, sagte ein Mitglied der derzeit elfköpfigen East StratCom vor dem AEJ-Jahreskongress im irischen Kilkenny.

Russland ist stolz auf Desinformation
Man müsse auch nicht zurückhaltend sein, wenn man die Maßnahmen als Propaganda bezeichne. Denn die russische Regierung sei da ganz offen, sie finanziere "Desinformationskanäle", gebe ihnen wöchentliche Anweisungen, worüber sie schreiben sollen und wen sie zitieren, und es gebe sogar Preise für genaue Befolgung der Richtlinien. Auch in der Militärdoktrin sei klar festgehalten, dass destabilisierende Propaganda und falsche Fakten benutzt werden können, dass Kameras, Videos und Internet "eine Waffe" seien.

Die Bandbreite der Desinformation sei sehr groß. Sie reiche von Geschichts-Revisionismus über Verschwörungstheorien, Leugnen von Fakten ("Es gibt keine russischen Soldaten in der Ukraine"), Drohungen und Lügen bis zu absurden Vorwürfen. So sei der EU innerhalb einer Woche vorgeworfen worden, sie würde Pädophilie, Inzest, Nekrophilie und Kannibalismus legalisieren.

Auch sei die Steuerung immer wieder gut sichtbar: Etwa habe die anti-türkische Propaganda nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges über Syrien begonnen und sei sofort erloschen, nachdem die Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin ihre Differenzen bereinigt hatten.

Erfundene Vergewaltigung als probates Mittel
Seit Jänner habe sich die Negativpropaganda gegen die EU gewendet, insbesondere gegen Deutschland. Die meist anvisierte Person sei die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit der Propaganda wolle Russland wohl einerseits von Entwicklungen daheim ablenken, andererseits wolle man den Westen verunglimpfen. Aber es sei schon auffällig, dass Russland mit dem Vorwurf, eine Russlanddeutsche sei in Deutschland vergewaltigt worden, in Deutschland 12.000 Menschen auf die Straßen bringen konnte - und Politiker in Russland würden weiter die Vergewaltigung wie ein Faktum ansprechen, obwohl es diese nachweislich nie gegeben hat.

Natürlich arbeite Russland nicht in einem Vakuum und gebe es propagandistisch verfälschte Informationen auch im Westen. Aber der Unterschied sei einerseits, dass es in westlichen Ländern noch eine Auswahl gibt - britische Leser etwa hatten auch Medien zur Verfügung, die sie vor dem Brexit-Votum sachlich und faktisch richtig informiert haben - während der Medienmarkt in Russland "sehr eng" sei. Und außerdem würden russische Informationskanäle gezielt gegen die EU eingesetzt.

Geschickte Manipulation der öffentlichen Meinung
Zweifel hat man bei der East StratCom Taskforce auch, wenn in Medien Objektivität durch die Gegenüberstellung zweier Meinungen hergestellt wird. Der russische Propagandakanal Russia Today etwa nehme eine extreme Meinung und eine moderate Gegenposition - und in den Köpfen der Seher entstehe automatisch der Eindruck, die Wahrheit liege wohl in der Mitte. Statt dieser nur scheinbaren Balance brauche es eher mehr "Objektivität".

Die Taskforce würde gerne so weit kommen, dass man sie nicht mehr braucht. Die Realität sei aber anders, eben erst seien eine Aufstockung um 16 Personen und 1,2 Millionen Euro Budget genehmigt worden: "Es sieht so aus, als würde es uns noch länger geben", so der Schluss.

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