Beitragstäter

Tierschutz-Petition: Drohen jetzt 100.000 Prozesse?

Tierecke
19.06.2013 17:50
Mit einer schallenden Ohrfeige für die Justiz war der Tierschützer-Prozess - alle 13 Angeklagten wurden freigesprochen - zu Ende gegangen. Doch das Oberlandesgericht Wien hob die Freisprüche mit einer fast schon skurrilen Begründung teilweise auf: Das Erstgericht sei zu wenig auf den Vorwurf der Nötigung eingegangen. Im Zuge dieses Anklagepunktes könnten allerdings auch 100.000 Menschen, die eine schlichte Anti-Pelz-Petition unterschrieben haben, als Beitragstäter ins Visier der Justiz geraten.

Just am Tag nach der Ausstrahlung der Dokumentation "Der Prozess" im ORF-Abendprogramm hob das Oberlandesgericht Wien am 10. Juni einen Teil der Freisprüche im Tierschützer-Prozess auf. Somit wurden die Freisprüche von fünf der ursprünglich 13 Beschuldigten nicht rechtskräftig (siehe Chronologie in der Infobox). Das Landesgericht Wiener Neustadt wird über diese Anklagepunkte eine neue Hauptverhandlung durchzuführen haben, hieß es in der Entscheidung.

OLG: Forderung an Firmen "gegen die guten Sitten"
Doch nachdem der Tierschutz - noch in derselben Woche - vom Parlament in den Verfassungsrang erhoben wurde, stellt sich nun die Frage, ob das OLG-Urteil nichtig ist. Der zuständige Senat kam nämlich zu der Ansicht, dass auch friedliche Tierschutzkampagnen eine Nötigung darstellen. Dann nämlich, wenn etwa in einer Petition eine Forderung an Firmen gestellt wird, Pelzprodukte mit einer Kennzeichnung zu versehen, und "gedroht" wird, Kunden der Firma über Tierquälerei bei der Pelzproduktion zu informieren. Das sei "gegen die guten Sitten" und strafrechtlich daher Nötigung.

Der Prozess muss nun in einigen Punkten wiederholt werden - und könnte zum Monsterverfahren mit Tausenden Angeklagten werden. Denn, so der renommierte Anwalt Rudolf Mayer, "jeder, der diese Petition unterzeichnet hat, macht sich als Beitragstäter ebenfalls strafbar". Und das sind immerhin rund 100.000 Menschen - mehr als 300 sind zudem bereits dem Aufruf des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) im Internet gefolgt und haben Selbstanzeige erstattet.

Jurist Mayer: "Bedenkliche Entscheidung"
Mayer sieht in der Aufhebung des Ersturteils durch das OLG jedenfalls eine "bedenkliche Entscheidung. Denn genau genommen spricht diese OLG-Entscheidung jedem Kunden das Recht auf Information ab", so der Jurist. Martin Balluch (Bild), rechtskräftig freigesprochener VGT-Obmann, dazu: "Die große Mehrheit der Menschen in Österreich teilt unseren Wunsch nach einem Ende des Handels mit Pelzen, deren Tiere nur ihres Fells wegen gehalten werden. Wie wichtig Tierschutz geworden ist, zeigt ja die Erhebung in den Verfassungsrang."

Wie Balluch zudem in seinem Blog anmerkt, hatte Richterin Sonja Arleth im erstinstanzlichen Urteil des Tierschützer-Prozesses erklärt, "dass der Zweck Tierschutz und das Mittel einer Kampagne durch Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit gedeckt sind und daher keine Nötigung begründen können". Den Richtern im OLG-Urteil sei diese Argumentation "nicht einmal eine Bemerkung wert", kritisiert Balluch. "Weder das Recht auf Meinungsfreiheit noch das Recht auf Versammlungsfreiheit spielen für sie eine Rolle, es gibt diesbezüglich nicht einmal eine Abwägung."

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