Druck auf Justiz

Tierschützer-Prozess: Scharfe Kritik am Verfahren

Österreich
27.02.2011 11:02
Von Anfang an ist der Tierschützer-Prozess im Kreuzfeuer der Kritik gestanden, doch nach einem Jahr Prozess gegen 13 Aktivisten wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation am Landesgericht Wiener Neustadt hat diese nun überhandgenommen. Polizei, Staatsanwaltschaft und Richterin stehen in der Causa medial unter Dauerbeschuss - und auch von fachlicher und teils politischer Seite werden die Stimmen gegen das Verfahren immer lauter.

Der traurige Höhepunkt in der Diskussion liegt erst kurz zurück: Die Linzer Strafrechtsprofessorin Petra Velten hatte einem Prozesstag beigewohnt und anschließend in mehreren Medien sowie einem sachlich fundierten Artikel scharfe Kritik an der Prozessführung von Einzelrichterin Sonja Arleth geübt. "Dass die Angeklagten hier einen fairen Prozess erhalten, kann man kaum mehr glauben", stellte Velten fest. Arleth "verfahre" mit den Angeklagten und ihren Verteidigern, als wären diese "Saboteure".

Von der Richtervereinigung wurde dies zum Anlass genommen, bei der Klagenfurter Staatsanwaltschaft eine "Überprüfung der Aussagen" anzuregen, um zu sehen, ob die Professorin damit etwa den Tatbestand der Verleumdung erfüllt habe. Die Anklagebehörde sah allerdings keinen Grund, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Voreingenommenheit der Richterin soll Prozess beeinflussen
Die Verfahrensführung wird aber nicht nur von Velten, sondern generell öffentlich heftig kritisiert: Von Voreingenommenheit Arleths ist die Rede und von der Beschneidung des Fragerechts, wenn Verteidiger und Angeklagte an der Reihe sind. Immer wieder kommt es im Gerichtssaal zu Tumulten, müssen Beschuldigte oder Zuseher des Saals verwiesen, die Verhandlung unterbrochen werden, "um die Emotionen abzukühlen", wie Arleth dann meint. Auf ein emotionsfreies Verhandlungsklima lege sie nämlich großen Wert, betont sie regelmäßig - und erntet damit aufgrund ihres eigenen Verhaltens unter Beobachtern Kopfschütteln.

Ermittlungen bleiben weithin erfolglos
Im Zentrum der Kritik standen und stehen natürlich auch die Ermittlungen der Soko Bekleidung: Trotz großen Lauschangriffs, Peilsendern auf Autos, Überwachung und Abhörung von Telefonen und E-Mails konnten die Beamten nicht einen Verdächtigen auf frischer Tat ertappen, nicht einen Fall von Sachbeschädigung zu Lasten der "Tierindustrie" verhindern. Auch eine monatelang eingesetzte - und lange verheimlichte - ihr Bericht fand den Weg in den Akt nämlich erst durch einen anonymen Hinweis nach mehreren Prozessmonaten - verdeckte Ermittlerin brachte keine Erkenntnisse, mit denen die Aktivisten überführt worden hätten können.

Verfahrenskosten explodieren
Die jahrelangen Ermittlungen, die also praktisch kein Ergebnis brachten, kosteten hohe Summen - was wiederum zu Vorwürfen gegenüber Polizei und Justiz führt. Die wahren Kosten sind allerdings gar nicht bekannt, es kursieren lediglich verschiedene Schätzungen: Allein eine Million Euro dürften die Verteidigerkosten der bisherigen Hauptverhandlung ausmachen, die Ermittlungs- und Verfahrenskosten zusammen mehrere Millionen Euro.

Aufregung um "Mafia-Paragraf"
Nicht zuletzt ist es aber auch der angewendete Paragraf, der für Zündstoff sorgt: Der sogenannte "Mafia-Paragraf" 278a StGB stellt die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation unter Strafe - und zwar schon allein die Mitgliedschaft, ohne dass konkrete Straftaten nachgewiesen werden müssen. Gedacht war er ursprünglich für Schwerkriminalität wie Terroristen und Schlepperbanden, angewendet wird er nun auf Aktivisten und NGOs. Der Ruf nach einer Reform wird daher von verschiedenen Seiten immer lauter.

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